SPÖ-Chef Andreas Babler vor einen roten Hintergrund mit den Worten
Hat die Tür zu den Neos nicht zugemacht: SPÖ-Chef Andreas Babler.
APA/ROLAND SCHLAGER

Geht es nach den diversen An- und Absagen, dann könnten die Sieger der nächsten Nationalratswahl ziemlich einsam dastehen: Ein Parteienvertreter nach dem anderen stellt Hürden für künftige Koalitionen auf. So erklärte die von ihrem neuen Chef beseelte SPÖ Vermögenssteuern zur Bedingung, woraufhin die Neos prompt versicherten: mit uns nicht.

Ist die von Linken ersehnte Ampel damit bereits erloschen, bevor ihr die Wahl überhaupt eine Chance zum Erleuchten geben könnte? Frei nach Mark Twain sind Nachrichten vom Tod der Idee stark übertrieben. Wer genau zuhört, lernt vielmehr: Die Festlegungen der politischen Wortführer fallen weniger eindeutig aus als die begleitenden Schlagzeilen.

So hat sich Andreas Babler unlängst im STANDARD-Gespräch gehütet, die bei ÖVP und Neos so verhasste Substanzsteuer auf Vermögen zum Muss zu erklären. Der SPÖ-Vorsitzende sprach lediglich von einer "wirksamen" Besteuerung, was viel Interpretationsspielraum öffnet – von der Anpassung der Grundsteuer an reale Marktpreise bis zum Comeback einer Erbschaftssteuer. Das macht ein Entgegenkommen der Neos viel leichter, zumal sich Parteichefin Beate Meinl-Reisinger vor einem Jahr einer Erbschaftssteuer nicht verschlossen hat. Im Fall des Falles lässt sich argumentieren, dass die ablehnenden Aussagen eben nur auf die Substanzsteuer gemünzt waren.

Ebenso wackelig sind die Meldungen, wonach die Babler'sche SPÖ eine Koalition mit der ÖVP ausschließe. Tatsächlich sagen die Sozialdemokraten nur, die Kanzlerpartei habe sich in ihrer aktuellen skandalträchtigen Verfassung selbst aus dem Spiel genommen. Nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen würde sich ohne weiteres argumentieren lassen, dass sich ein zuvor vielkritisierter Konkurrent geläutert habe. Dass eine solche rhetorische Kehrtwende ohne große Selbstbeschädigung gelingen kann, haben die Grünen beim Eintritt in die Regierung mit der ÖVP bewiesen.

Abgesehen von der grundsätzlich begründeten Absage an die FPÖ wäre es äußert kurzsichtig, sich aus dem Koalitionsspiel zu nehmen. Sind die Neos im (unwahrscheinlichen) Fall einer Ampelmehrheit gut beraten, auf die Regierungsbeteiligung zu verzichten, weil sie jegliche Vermögensbesteuerung ablehnen? Soll die SPÖ Türkis-Blau die Rutsche legen, weil sie an der ÖVP nicht einmal anstreifen will? Wer sich mit Maximalpositionen einbunkert, vergibt die Chance auf Gestaltung – und ebnet flexibleren Gegnern den Weg. (Gerald John, 26.6.2023)