Julia Schuster

Die Warteschlange vor der Grazer Veranstaltungshalle Postgarage füllt den ganzen Parkplatz. Schon vor dem offiziellen Einlass warten rund hundert Menschen hier, um Teil der Party zu sein. Immer wieder taucht Club-Personal zwischen den Gästen auf und verwickelt sie in kurze Gespräche: "Kennst du unsere Regeln? Kannst du sie aufsagen?" Die meisten nicken. Wer den Dresscode nicht einhält oder die Regeln nicht kennt, muss draußen bleiben.

Der Großteil der Wartenden weiß das. Der Dresscode bei den Fagtory-Clubs unterliegt jeden Monat einem anderen Motto – an diesem Abend ist es "Gold und kinky". Die Wartenden tragen glänzende Lederoutftits, Netz-T-Shirts oder Hundekostüme – kurz: Fetischkleidung. So gestaltet sich der Einlass nicht vor jeder Veranstaltung der "Poga" – doch einmal im Monat steht das Prozedere fix auf dem Programm der Postgarage.

Party mit Respekt

Die Reihe Fagtory-Club wird seit 2014 von den Rosa-Lila PantherInnen, der steirischen LGBTIQ-Interessenvertretung, organisiert. "Die Clubbings finanzieren unsere Projekte mit, sollen aber gleichzeitig ein Service sein. Wir als queere Personen möchten genauso feiern können und uns dabei sicher und willkommen fühlen", sagt Vereinsvorsitzender Joe Niedermayer. "Wobei auch nichtqueere Personen eingeladen sind, mit uns zu feiern, solange sie sich respektvoll verhalten."

Angefangen hat alles als kleines, gemeinsames Feiern innerhalb der queeren Gemeinschaft. Mittlerweile ist das Clubbing auch für Personen außerhalb der LGBTIQ-Community ein Fixpunkt im Partykalender. "Nach dem Abklingen der Corona-Pandemie haben wir die Fagtory-Clubs neu gedacht und schnell sehr großen Anklang gefunden, auch unter nichtqueeren Personen", sagt Niedermayer. Mittlerweile kommen die Gäste nicht mehr nur aus der Landeshauptstadt, sondern aus der gesamten Steiermark und aus Kärnten. Rund 1000 Menschen besuchen die Veranstaltungen pro Monat, "zu Anlässen wie dem Christopher Street Day aber noch mehr". Und dieser steht nun wieder an: Am Samstag geht die Grazer Pride über die Bühne.

Komplimente statt Wegstoßen

Tatsächlich platzt die Postgarage trotz zweier geöffneter Dancefloors beinahe aus allen Nähten. In beiden Räumen tanzen Menschen dicht aneinandergedrängt. Um zum WC, zur Bar oder nach draußen zu kommen, ist Drängeln unvermeidlich. Doch angepöbelt oder gestoßen wird man hier nicht. "Du siehst so schön aus!" oder "Wie geht es dir?", heißt es stattdessen. Selbst im Gedränge bleiben die Menschen freundlich und nachsichtig, lächeln, scheinen sich fast umeinander zu sorgen. Das spiegelt sich auch auf der Tanzfläche wider, wo verschiedene Altersklassen, Genderidentitäten und sexuelle Orientierungen aufeinandertreffen, ohne dass es ein Problem darstellt.

"Das ist das, was ich an den Fagtorys so liebe, und der Grund, warum ich mitarbeite. Für mich sind sie so, wie die Welt eigentlich immer sein sollte", sagt Lisa Summer, die seit einem Jahr fixer Bestandteil des Awareness-Teams der monatlichen Partys ist. Gemeinsam mit elf weiteren Personen ist sie während der Feier dafür zuständig, eintretende Gäste an die Regeln zu erinnern. Außerdem stellt das Awareness-Team sicher, dass übergriffige Personen aus dem Club gewiesen werden, und steht den Opfern mit Beratung zur Seite.

Sicherer Ort

"Es ist uns wichtig, dass die Fagtory-Clubbings ein möglichst sicherer Ort für alle sein können. Dafür müssen wir sichergehen, dass unser Konzept von möglichst allen Gästen verinnerlicht wurde", sagt Summer. Seit die Partys so populär sind, sei es vermehrt zu Übergriffen gekommen. "Das hat uns sehr alarmiert. Deswegen ist das Awareness-Team vor allem beim Einlass so streng geworden."

Das Konzept dürfte aufgehen – zumindest scheint es so, wenn man die Gäste fragt. Es sei "ein Ort ohne Verurteilung, an dem man die Chance bekommt, zu sein, wer man ist", sagt einer der regelmäßigen Partygäste. Doch trotz der Arbeit des Awareness-Teams ist man nicht vor negativen Erfahrungen gefeit.

Party in Gold und Glitzer: Die Veranstaltungsreihe Fagtory hat sich in Graz etabliert. Seit der Corona-Pandemie geht das Publikum über die LGBTIQ-Community hinaus. Im Rahmen der Pride wird am Samstag wieder gefeiert.
Fotos: Thomas "Foxie" Micheler

Gefahrenzone Darkroom

"Es kommen leider immer wieder Personen, überwiegend Männer, zur Party, die die Werte der Fagtory nicht teilen", sagt eine junge Frau in goldenem Kleid. Vor allem im sogenannten Darkroom, den es in unterschiedlicher Ausführung in vielen Clubs gibt, kommt es immer wieder zu Übergriffen. Dieser Raum dient als Ort, an dem Personen während der Party im Dunkeln sexuelle Kontakte ausleben können. "Ich wurde dort leider schon oft von Männern belästigt, die nur darauf zu warten schienen, dass Frauen hereinkommen", schildert die junge Frau.

Dem Awareness-Team ist dieses Problem bewusst: "Wir sind meistens im oder in der Nähe des Darkrooms, um derartige Erfahrungen zu verhindern. Leider gelingt es uns nicht immer", sagt Summer. Doch das Organisationsteam bemühe sich, die Wahrscheinlichkeit derartiger Erfahrungen weiter zu minimieren. "Unser langfristiges Ziel ist, dass auch Personen, die sich noch nie mit unseren Themen befasst haben, später nach Hause gehen und etwas gelernt haben. Wir wollen unser Konzept über das Clubbing hinaus verbreiten", erklärt Vereinsvorstand Niedermayer.

Schwer vereinbar

El(l)i Schneider – der Name wird mit Klammer geschrieben, um auf die Fluidität des Geschlechts hinzuweisen – beschäftigt sich professionell mit queeren Themen und forscht an der Universität Graz zum Thema Konsens. "Das Konzept der Fagtory ist toll und idealistisch, aber ich fürchte, dass es nicht ganz durchsetzbar ist. Die Events sind mittlerweile so groß, natürlich kommen immer wieder Menschen, die diese Prinzipien nicht teilen."

Die Fagtory-Clubbings seien zudem "zu viel auf einmal": ein Event für die Community, aber auch für nichtqueere Personen, ein Safer Space – also ein Ort, der sicherer ist als die Alltagswelt – für alle und eine Fetischveranstaltung. "Die Clubbing-Reihe will ein Loch füllen, aber das lässt sich nicht alles miteinander vereinbaren", sagt Schneider. Und auch Niedermayer gibt zu: "Wir sind vielleicht zu groß geworden. Zumindest zu groß für Graz."

Das nächste Clubbing findet am Samstag statt. Motto: "Pride Edition". Vor dieser offiziellen Afterparty zieht die CSD-Parade ab zwölf Uhr vom Stadtpark durch die steirische Landeshauptstadt bis zum Volksgarten – wo sie beim Parkfest ausklingen soll. (Sarah Kirchmayer, 30.6.2023)