Die Soziologin Susanne Vogl und die Bildungswissenschafterin Veronika Wöhrer schreiben in ihrem Gastkommentar vor den großen Schulferien über Möglichkeiten, Schülerinnen und Schülern zu helfen, denen die elterliche Unterstützung fehlt.

Im österreichischen Bildungssystem werden Ressourcen und Fertigkeiten vorausgesetzt, über die nicht alle Jugendlichen und deren Familien verfügen – wie beispielsweise das Verstehen und "korrekte" Sprechen einer bestimmten Art des Deutschen oder außerschulische und familiäre Unterstützung bei schulischen Fragen. Dies produziert in der Folge Ungleichheiten, da vor allem diejenigen erfolgreich abschneiden, die den Erwartungen der Schule entsprechen. Auch bei Entscheidungen, die auf dem Bildungsweg zu treffen sind – etwa die Schul- und Ausbildungswahl nach der Mittelschule –, erhält nur ein Teil der Schülerinnen und Schüler die vorausgesetzte elterliche Unterstützung. Das wirkt sich negativ auf die Bildungsziele und deren Umsetzung aus. Es zeigt sich aber, dass öffentliche Beratungsangebote Jugendliche unterstützen können.

Für den schulischen Erfolg braucht es viel zu oft die Unterstützung des sozialen Umfelds.
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Am Ende der Mittelschule wählen junge Menschen ihren weiteren Berufs- und Bildungsweg. Dieser Übergang wird von Ambitionen und Entscheidungen gerahmt. Übergänge sind keine singulären Ereignisse, sondern Prozesse der Veränderung, Anpassung, aber auch Stabilität. In unserer Untersuchung zu Übergangsphasen am Ende der Neuen Mittelschule in Wien haben wir Muster der Entstehung sowie der Stabilität und des Wandels von Berufs- und Bildungszielen auf Basis der Längsschnittstudie "Wege in die Zukunft"  der Universität Wien mit Jugendlichen ab dem Alter von 14 Jahren untersucht.

Entscheidungen beim Übergang von der Schule in den Beruf basieren auf Präferenzen, die durch das soziale Umfeld geprägt werden, einer Vorstellung davon, was erreichbar und wünschenswert erscheint, sowie gemachten Erfahrungen. Der soziale Kontext, insbesondere die Familie, spielt für den Orientierungsprozess eine wichtige Rolle, allerdings auf unterschiedliche Weise.

Orientierungslosigkeit und Resignation

Auch wenn die Jugendlichen über einen Dreijahreszeitraum mehrheitlich stabile Berufs- und Bildungsziele hatten (rund 60 Prozent; die Basis sind rund 2.500 Schülerinnen und Schüler, die online befragt wurden, Anm.), wies etwa jede/r zehnte Jugendliche eine sich ändernde und zunehmend vage Berufs- und Bildungsorientierung auf. Konkrete Pläne für Bildung und Beruf wandelten sich in Orientierungslosigkeit und Resignation. Diese Jugendlichen hatten zunehmend das Gefühl, handlungsunfähig zu sein. Hohe, aber wenig greifbare Erwartungen der Eltern bei gleichzeitig geringer Unterstützung übten enormen Druck aus, was insbesondere bei jenen mit zunehmend instabilem und unkonkretem Verlauf der Fall ist.

Jeder fünfte Jugendliche durchlief einen konstant vagen und instabilen Orientierungsprozess, und es fehlte gänzlich an Unterstützungen des sozialen Umfelds. Negative Folgen auf die Selbstwahrnehmung und die Handlungsfähigkeit junger Menschen wurden offensichtlich. Das heißt, ein erheblicher Teil der Jugendlichen weiß nicht, was er tun soll und braucht Rat, den Familie und Freunde möglicherweise nicht geben (können). Spätere Entscheidungszeitpunkte und mehr institutionelle Beratungsmöglichkeiten können helfen, schulische und berufliche Wege zu finden.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es durchaus positive Erfahrungen mit Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung Jugendlicher gibt. So erwiesen sich insbesondere Maßnahmen wie das "Jugendcoaching" als hilfreich. Am Jugendcoaching etwa schätzen die jungen Menschen die individuelle Beratung, die an ihren Wünschen und Vorstellungen anknüpft.

Die Schwierigkeiten vieler Jugendlicher in den Schulen, der hohe Bedarf an Nachhilfe, aber auch die Probleme an den Übergängen insbesondere nach der Mittelschule zeigen, dass vom Bildungssystem zu viel an die Familien ausgelagert wird. Und die Unterstützung durch die Familien ist sehr unterschiedlich, was nicht nur mit Migration zu tun hat. Dadurch entstehen Benachteiligungen, die jungen Menschen Steine in den Weg legen. Die Gesellschaft insgesamt verliert Talente. Unterstützungsmaßnahmen können die Benachteiligungen teilweise kompensieren, was für ihren Ausbau spricht. (Susanne Vogl, Veronika Wöhrer, 30.6.2023)