Deutschförderklassen
Kinder mit schlechtem Deutsch werden laut Befragung auch oft in die Vorschulklasse gesteckt – obwohl sie gar nicht dort hingehören.
Christian Fischer Fotografie

Viele Schulleitungen und Lehrkräfte sind mit dem derzeitigen Modell der Deutschförderung unzufrieden – und verweigern folglich deren Umsetzung. Das geht häufig aus Erzählungen hervor, wie auch DER STANDARD bereits berichtete. Laut einer neuen Befragung unter der Leitung von Susanne Schwab vom Zentrum für Lehrer*innenbildung der Universität Wien dürften es allerdings mehr als gedacht sein: Demnach hält sich ein Drittel aller Schulleiterinnen und Schulleiter nicht oder eher nicht an die ministeriellen Vorgaben zur Umsetzung der Deutschförderung, auch weil Lehrkräfte und die räumliche Ausstattung fehlten. 

Separater Unterricht

Bei den 2018/19 unter Schwarz-Blau eingeführten Deutschförderklassen werden Schülerinnen und Schüler, die die Unterrichtssprache nicht gut genug beherrschen und deshalb als außerordentliche Schüler eingestuft werden, maximal zwei Jahre lang bis zu 20 Stunden pro Woche in eigenen Klassen in Deutsch gefördert. Nur Fächer wie Werken, Musik oder Turnen absolvieren sie zusammen mit ihrer Stammklasse. Separate Klassen werden aber erst ab acht Schülern pro Standort eingerichtet. Idee der separaten Förderklassen ist eine umfassende Deutschförderung, damit die Schüler schnell in den Regelunterricht wechseln können. Eine Idee, die aber laut zahlreichen Studien am Ziel vorbeigeht (siehe hier oder hier).

In der Praxis werden diese Vorgaben aber ohnehin nicht durchgehend umgesetzt. Für die (nicht repräsentative) österreichweite Studie wurden 268 Schulleiterinnen und Schulleiter bzw. 622 Lehrkräfte befragt.

Motiviert, aber separiert: Die Schwächen der Deutschförderklassen
Wer nicht ausreichend Deutsch spricht, muss seit dem Schuljahr 2018/2019 eine Deutschförderklasse besuchen.
DER STANDARD

Dabei zeigte sich auch in anderen Punkten, dass die Direktoren die Vorgaben nicht immer anwenden: Mehr als ein Fünftel gab an, Schüler mit sogenanntem "außerordentlichen Status" gleich in einer Vorschulklasse einzuschreiben. Dafür sind sie aber eigentlich nicht unbedingt da. Außerordentliche Schüler sind solche, die dem Unterricht noch nicht folgen können – vor allem weil sie noch nicht gut genug Deutsch sprechen. Sie sollten eigentlich in eine Deutschklasse. Vorschulklassen sind dagegen für Kinder gedacht, die noch nicht schulreif sind.

Auch anderweitig wird getrickst: Ebenfalls ein Fünftel der Schulleiterinnen und Schulleiter meinte, dass manche Kinder trotz ausreichender Deutschkenntnisse bewusst nicht den Status eines ordentlichen Schülers bekommen, um die für sie notwendigen Sprachförderressourcen zu erhalten.

Inklusive Modelle gefordert

Das Modell der Deutschklassen wird von den befragten Lehrkräften überwiegend abgelehnt: Sie bevorzugen mehrheitlich unterschiedlich ausgeformte inklusive Modelle, also gemeinsamen Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler. Nur 37,5 Prozent sprachen sich für eine Variante aus, bei der Kinder in einem Großteil der Unterrichtsstunden außerhalb der Klasse in einer Kleingruppe gefördert werden. Mehr als die Hälfte der in Deutschförderklassen oder in Deutschförderkursen tätigen Lehrkräfte zweifelt ganz beziehungsweise eher an der ethischen Unbedenklichkeit von Deutschklassen.

Ein weiteres großes Problem: Deutschförderklassen haben auch Schuljahrverluste zur Folge, weil die Schüler und Schülerinnen selbst beim Wechsel in den Ordentlichen-Status die Klasse wiederholen müssen. Bildungsaktivist Daniel Landau verwies im Ö1 Mittagsjournal dabei auf Fälle von ukrainischen Schulkindern, die trotz positiver Tests die letzte Volksschulklasse wiederholen müssen – teils schon zum dritten Mal. "Oft stehen Schülerinnen und Schüler nach der Pflichtschule ohne Abschluss da, weil sie Jahre verloren haben", sagte Bildungswissenschafterin Susanne Schwab vergangene Woche im STANDARD-Gespräch dazu.

Wenig Zuspruch für Zuweisungstest

Gerade der Einstufungstest Mika-D, der über die Zuweisung bzw. das Verlassen einer Deutschfördermaßnahme entscheidet, stößt bei den Lehrkräften auf Ablehnung. Knapp 60 Prozent hielten ihn für keinen guten Indikator für die Frage, ob ein Kind dem Unterricht folgen kann. Noch skeptischer sind die Lehrerinnen und Lehrer bezüglich der Regelung, dass ein Nichtbestehen des Mika-D zum Wiederholen der Klasse führt – 72 Prozent lehnen dies ab bzw. eher ab.

Kritik an der Deutschförderung kommt auch von der Opposition und der Arbeiterkammer (AK). Die SPÖ will die Deutschklassen abschaffen, die Neos und die AK verlangen eine Verlagerung der Entscheidung über die Sprachförderung an den jeweiligen Schulstandort. (etom, APA, 26.6.2023)