In ihrem Gastkommentar geht die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner auf die laufende Gender-Diskussion ein. Und sie beklagt, dass Debatten immer mehr "von den Lauten" dominiert würden. Während sich die "normal denkende Mehrheit der Mitte immer weniger gehört fühlt".

In den vergangenen Tagen konnte, wer wollte, wieder einmal Zeuge des Phänomens der Schieflage in der öffentlichen Diskussion werden. Was ist passiert? Das Land Niederösterreich hat in einem bereits vor Jahren aufgelegten Leitfaden festgelegt, dass "Genderstern", "Gender-Gap" oder "Genderdoppelpunkt" keine Verwendung in der niederösterreichischen Landesverwaltung finden. Das war schon bisher verbindlich. Im gemeinsamen Arbeitsübereinkommen der neuen Landesregierung wurde vereinbart, dass das auch in Zukunft so bleibt. Grundlage dafür sind die Empfehlungen des Rats der deutschen Rechtschreibung. Und dieser Rat ist kein willkürlicher privater Kegelklub.

Verteidigt ihre Linie in Sachen Gendern: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Heribert Corn

Vielmehr ist er jenes offizielle Gremium, das von den Staaten des deutschen Sprachraums damit beauftragt ist, "die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren". Er ist "die maßgebende Instanz in Fragen der deutschen Rechtschreibung und gibt mit dem amtlichen Regelwerk das Referenzwerk für die deutsche Rechtschreibung heraus".

Das Land Niederösterreich orientiert sich als Behörde bei der Regelung der Rechtschreibung also an der zuständigen Instanz. Schon bisher und auch in der Zukunft. Daher noch einmal zur Frage "Was ist passiert?" – Nichts. So weit zu den Fakten. Für die normal denkende Mitte der Gesellschaft hat eine derartige Frage keine Priorität. Die Mitte sagt: Findet eine pragmatische, einheitliche Regelung und beschäftigt euch mit den wichtigen Themen. Und diese einheitliche Regelung gibt – wie erwähnt – der Rat der deutschen Rechtschreibung vor. Gendern wir also? Ja, aber richtig. Bei uns gibt es Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Autorinnen und Autoren, Damen und Herren – nur eben ohne: den Stern.

Das Empörungspingpong

Damit könnte man das Thema für beendet erklären und sich mit den wichtigen Fragen der breiten Mehrheit beschäftigen. Wie kann ich mir und meiner Familie ein lebenswertes Leben schaffen? Wie kann ich mir in der heutigen Zeit Eigentum leisten – und es mir und meiner Familie erhalten? Wie können wir als Gesellschaft wieder näher zusammenrücken und weniger ausgrenzen? Wie eröffnen wir unseren Kindern und Jugendlichen erstrebenswerte Perspektiven? Aber da hat der normal denkende Mensch die Rechnung ohne die üblichen Empörungsspezialisten an den politischen Rändern gemacht.

Das Gendersternchen wird von den einen zum Allmächtigen und von den anderen zum Leibhaftigen stilisiert. Seine Abwesenheit gilt den einen als generelles "Gender-Verbot" und den anderen als potenzielles Ende des "Gender-Wahns". Die politischen Ränder klatschen in die Hände – und die breite Mehrheit der Mitte schüttelt nur noch den Kopf.

Dem Empörungspingpong tut das keinen Abbruch. Die einen schreien Zeter und Mordio, weil die gängige Kurzform "LH" für Landeshauptleute und deren Stellvertreter in Niederösterreich nun der letzte untrügerische Beweis für dieses generelle "Gender-Verbot" sei. Die anderen verwechseln kurzerhand das eigene Bundesland und meinen, Stellvertreter eines Mannes zu sein, was – in einem Land, das von einer Frau regiert wird – nur schwerlich möglich ist, wie jeder normal denkende Mensch weiß.

Kante für die Mitte

Ja, der Hausverstand scheint manchmal abgeschafft. Der gesunde Menschenverstand stört wie langweiliger Sand das gut geölte Empörungsgetriebe der politischen Ränder. Und die normal denkende Mehrheit der Mitte fühlt sich immer weniger gehört. Die anderen sind lauter. Und die Debatten werden von den Lauten dominiert – immer mehr. Die Radikalen beherrschen den öffentlichen Diskurs.

Und genau darum ist es wichtig, auch Kante für die normal denkende Mitte unserer Gesellschaft zu zeigen. Für die schweigende Mehrheit. Für ihre berechtigten Anliegen, denen immer weniger Gehör geschenkt wird. Weil sie eben nicht extrem sind.

Nein, wer gegen Klimakleber das Wort ergreift, ist nicht gegen Klimaschutz. Sie (und er) hält nur nichts davon, rücksichtslos tausende Mitmenschen zu behindern, die nichts anderes wollen, als pünktlich in die Arbeit zu kommen, ihre Kinder in die Schule zu bringen oder was auch immer. Es braucht auch gar keine Rechtfertigung, denn Autofahren ist in unserem Land noch nicht verboten – unangemeldete Demonstrationen aber schon. Daher verlange ich nach wie vor, dass man die Rechtslage gegen diese Klimakleber verschärft. Und nein, das heißt nicht, dass ich den Klimawandel für eine Lüge halte, wie man es vom anderen Rand manches Mal hört, wo gerne auch an Chemtrails und Echsenmenschen geglaubt wird. Ich halte es nur für richtig, den Klimaschutz nicht gegen die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und unseres Kontinents auszuspielen.

Denn die Europäische Union wurde nicht als grüne NGO, sondern als Gemeinschaft gegründet, die für Friede, Freiheit und Wohlstand innerhalb unserer Union sorgt – und das auch weiter tun soll. Das erwartet sich zumindest die breite Mitte der Gesellschaft.

Diese vernünftigen, sozial ausgewogenen Positionen stehen zwischen den Extrempositionen der Ränder. Womit klar ist, dass diejenigen, die diese vernünftigen Positionen der normal denkenden Mitte vertreten, von den Rechten als links und von den Linken als rechts beschimpft werden.

Weil sie eben in der Mitte der Gesellschaft stehen. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Mit oder ohne Stern.