Wie viele Lehrkräfte im Herbst fehlen, konnte Bildungsminister Martin Polaschek im STANDARD-Interview vergangene Woche nicht sagen.
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Wien – Mit einem großen Aktionstag an einem Juninachmittag war der Protest der Lehrkräfte und Gewerkschaften bislang überschaubar. Doch das dürfte sich bald, konkret im Herbst, ändern: Denn die Pflichtschullehrergewerkschaft sieht zu wenig Engagement der verantwortlichen Bildungspolitiker bei der Bekämpfung des Lehrkräftemangels und der damit einhergehenden Mehrbelastung der Lehrerinnen und Lehrer. Mittels Resolution fordert sie nun rasche Maßnahmen – auch Streiks stehen im Raum.

"Bezug zur Realität verloren"

"Viele Politikerinnen und Politiker haben leider den Bezug zu den Menschen und den interessierten Blick auf die Realität verloren", hieß es von der Gewerkschaft in einer Mitteilung. Ein typisches Beispiel sei der Umgang der Politik mit dem "von uns schon lange vorhergesagten" Mangel an gut ausgebildeten Lehrkräften und den dramatischen Folgen für alle Betroffenen.

Auch Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) ging vergangene Woche im STANDARD-Interview auf den Mangel ein – allerdings mit an sich gerichtetem Lob: Er habe das Quereinstiegsprogramm "Klasse Job" bereits auf Schiene gebracht, 800 Quereinsteiger seien damit im Herbst einsatzbereit. Eine Entlastung für viele Schulstandorte. Doch davon haben die stark von der Personalnot betroffenen Volksschulen und Sonderschulen nichts: Ein Quereinstieg in diese Schulformen ist laut Ministeriumsseite weiterhin nicht möglich.

Mehr Unterstützungspersonal gefordert

Was die Gewerkschaft nun in ihrer Resolution fordert: "wirksame und nachhaltige Maßnahmen" im Kampf gegen die Personalnot. Zudem wird verlangt, die "Flut an praxisuntauglichen Reformen und nicht evaluierten pädagogischen Innovationen" zu stoppen. Für alle Pflichtschulen soll es professionelles Unterstützungspersonal geben. Gewünscht werden hier nicht nur pädagogisch ausgebildete Kräfte, sondern auch Unterstützung aus den Bereichen Administration, Sozialarbeit und Gesundheit. Gewünscht wird auch der Ausbau der Ressourcen bei Technik und Räumlichkeiten.

Der sonderpädagogische Förderbedarf solle "mit all seinen Facetten" an die realen schulischen Notwendigkeiten angepasst werden. Ausdrücklich wird auch eine bessere Bezahlung von Lehrerinnen und Lehrern gefordert. Weiters sollen die Verwaltung und die Bürokratie auf das "unbedingt Notwendige" reduziert werden. Die Bildungsbehörden sollten zu Serviceeinrichtungen für die Schulen umgebaut werden, befindet man.

Kampfbereit für den Herbst

"Die Gewerkschaft Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer fordert daher alle (bildungs)politisch Verantwortlichen in unserem Land mit Nachdruck auf, endlich den enormen schulischen Herausforderungen weitsichtig und nachhaltig zu begegnen", heißt es in der laut Aussendung von allen Fraktionen beschlossenen Resolution. Weitere Schritte werden dabei nicht ausgeschlossen: "Zur raschen Umsetzung unserer Forderungen behalten wir uns entsprechende gewerkschaftliche Maßnahmen in der gesamten Bandbreite vor."

Fürsprecher für die Vorbereitung solcher Maßnahmen ist die Minderheitsfraktion der Unabhängigen LehrergewerkschafterInnen (ÖLI-UG). Man trete für einen geschlossenen gewerkschaftlichen Arbeitskampf ein, erklärte sie am Mittwoch in einer Aussendung. Allerdings wurde auch darauf verwiesen, dass es für einen Streik nicht die Zustimmung der Gewerkschaft oder der Personalvertretung brauche – wie es laut der Fraktion die Wiener Ärztinnen und Ärzte gerade vorgezeigt hätten. Diese hatten am Freitag in der Notaufnahme der Klinik Ottakring eine Stunde lang die Arbeit niedergelegt. (etom, APA, 5.7.2023)