Lilith
Oberschurkin Lilith macht uns in "Diablo 4" die Hölle heiß.
Blizzard Entertainment

An "Diablo 4" kommt man derzeit fast nicht vorbei, das Action-Rollenspiel aus dem Hause Blizzard hat eine wahre Hysterie entfacht. Millionen von Spielenden stürzen sich mit Schwert, Armbrust und Zauberstab auf die Horden der Hölle, sammeln Erfahrung, machen wertvolle Beute und werden immer mächtiger. In nur fünf Tagen wurde die Marke von 666 Millionen Dollar Umsatz gesprengt. "Diablo 4" ist so erfolgreich, dass selbst das Entwicklerteam schon dazu geraten hat, doch auch zwischendurch einmal etwas anderes zu machen, als immer nur ihr Spiel zu zocken.

Für den Hersteller Blizzard war der Erfolg von "Diablo 4" auch immens wichtig, musste sich die Spieleschmiede nach dem unverfroren-dreisten Geschäftsmodell des Mobile-Ablegers "Diablo Immortal" die Fan-Herzen zurückgewinnen.

Scheinbar ist diese Mission geglückt, und "Diablo 4" ist eines der wenigen Videospiele, über das selbst in den sonst weniger Games-affinen Medien seit Wochen rauf und runter berichtet wird. Doch wird das Spiel dem Hype gerecht, haben wir schon das Spiel des Jahres vor uns, oder wird der höllische Reiz von "Diablo 4" bald wieder verfliegen? Darüber unterhalten sich Gaming-Experte Alexander Amon und "Diablo"-Fanboy Peter Zellinger. Ein Game, zwei Meinungen.

Peter Zellinger: Ich bin ja bewusst ohne Erwartungen an das Game herangegangen, weil ich mir sicher war, Blizzard würde wieder einmal den Launch verpatzen und sich mit frecher Monetarisierung selbst ins Aus schießen. Zu frisch waren noch meine Erinnerungen an den Launch meines geliebten "Diablo 3", den Verbindungsabbrüchen und das Auktionshaus, das jetzt völlig zu Recht in der Hölle schmort. Das war Selbstschutz, hätte ich mich vom Hype mitreißen lassen, hätte mich die Enttäuschung umso schwerer getroffen. Aber jetzt wurde ich positiv überrascht, und "Diablo 4" ist ziemlich genau das geworden, was ich mir gewünscht habe. Wie geht es dir, wie bist du mit der Vorfreude umgegangen?

Alexander Amon: Ich hatte nach Teil drei ehrlich gesagt sehr eingeschränkte Vorfreude, aber ich muss sagen, das Spiel hat mich positiv überrascht. Vor allem die Inszenierung ist wirklich gelungen, und auch die Klassen machen eigentlich alle Spaß zu spielen. Es war schon klar, dass sich Blizzard Mühe geben wird, weil noch einen Fan-Flop zu produzieren hätte wohl weder der Laune der Aktionäre noch der langfristigen Gesundheit des Unternehmens geholfen. Weil wir gerade von Gesundheit sprechen: Wie viele Stunden hast du schon im Spiel, welche Klasse taugt dir am meisten, und was ist deiner Meinung nach die größte Stärke von "Diablo 4"?

Peter Zellinger: Ich bin aktuell bei knapp 100 Stunden, hätte aber gerne mehr Zeit mit meiner Barbarin verbracht, weil ich gerne ein Erdbeben-Build wie im dritten Teil hätte. Die größte Stärke von "Diablo 4" ist der Flow, in den man beim Spielen nach einigen Minuten eintritt. Die Spirale aus Kämpfen, Leveln und Looten kann mich stundenlang in den Bann ziehen und das "Kling", wenn ein legendäres Item droppt, löst bei mir wirklich Glücksgefühle aus. Jeder Verhaltensforscher hätte an mir eine Freude – oder wäre entsetzt. Wie ist das bei dir?

Eine Spielszene aus Diablo 4
Das Gameplay kann, je nach Typ, ermüden oder fordern.
Blizzard Entertainment

Alexander Amon: Ich bin aufgrund eines engen Zeitplans erst bei Level 40 und versuche tatsächlich, fast ausschließlich mit Freunden zu spielen. Allein wird mir das Monsterschlachten tatsächlich schnell langweilig, auch wenn die selten, aber doch erzählte Story doch ein wenig fesseln kann. Für mich ist das Game aber tatsächlich der perfekte Afterwork-Zeitvertreib. Anstatt allein Serien zu schauen, oder noch schlimmer, bei diesen Temperaturen außer Haus zu gehen, spiele ich mit Freunden und Bekannten ein paar Stunden und lasse die von dir angesprochenen Glücksgefühle auf mich einprasseln.

Peter Zellinger: Das ist ja das Schöne: "Diablo 4" ist das perfekte Spiel für jeden Typ Gamer. Geht es mir mehr um den sozialen Aspekt, dann mache ich mit ein paar Freunden einen Dungeon auf niedrigerem Schwierigkeitsgrad, weil ich mehr plaudern als zocken will. Will ich als Gamer gefordert sein, dann rauf mit der Weltstufe und rein in die Schlacht. Langeweile kommt da bestimmt nicht auf. "Diablo 4" ist auch ein Spiel, das sich langsam aufbaut und über den Verlauf von etlichen Stunden immer komplexer wird. Damit kommen selbst Nicht-Gamer super zurecht. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass ich noch nicht alle Mechaniken verstanden habe und es noch für hunderte Stunden Neues zu entdecken gibt. Bei dir klingt es eher so, als wäre bald die Luft draußen.

Alexander Amon: Also mir wird schlecht, wenn ich den Vielspielern, den Besserwissern auf Tiktok und den Berufs-Youtubern zuhöre, wenn sie mir erklären, welche Items oder Spots ich noch farmen "muss" oder welche Steine ich wo einsetzen muss, um in irgendeinem verrückten Schwierigkeitsgrad überleben zu können. Da würde ich am liebsten das Joypad sofort wieder weglegen. Das fühlt sich so an, wie in einen aktuellen Marvel-Film zu gehen und im Hinterkopf zu spüren, dass man jetzt 25 Filme und 43 Serien nachholen müsste, um eh jedes Easter-Egg zu verstehen. Ich will ja "Diablo" nicht studieren, sondern genießen. Aber wie du sagst, wer die Zeit und die Energie mitbringt, kann genauso ins Spiel versinken wie der Gelegenheitsspieler. So gesehen eigentlich der perfekte Mittelweg, um es jedem recht zu machen, oder?

Paragon Board aus Diablo 4
Am Paragon-Board schalten wir nach und nach weitere passive Fähigkeiten frei.
Blizzard Entertainment

Peter Zellinger: Für mich macht das schon einen Teil des Reizes aus zu wissen, dass ich noch dieses und jenes Item benötige, damit mein Barbar nach dem Sprung ein Erdbeben hinterlässt, seine Wut auflädt und dann die Bösewichte mit dem Hammer der Urahnen zergatscht. Darauf kann ich mich wochenlang freuen, und darauf spiele – oder arbeite – ich auch gerne hin. Das hat für mich fast einen ähnlichen Reiz wie "Elden Ring" oder "Dark Souls", wenn du einen besonders harten Boss legst, ist das eine ähnlicher Rush, wie wenn der perfekte Gegenstand droppt. Aber du hast schon recht: Kippe ich in diese Suchtspirale nicht so rein, dann bleibt mir immer noch die Kampagne, die ist nämlich bis auf einen Durchhänger super gelungen, und da haben auch Einzelspieler Spaß, denn die Inszenierung allein mit den Cutscenes und die Präsentation, die Liebe zum Detail setzen meiner Meinung nach Maßstäbe, oder?

Alexander Amon: Maßstäbe weiß ich nicht, aber es gehört sicher zu den größten Blockbuster-Titeln dieses Jahres. Es profitiert sehr von den Learnings aus den vergangenen Teilen, kommt mir vor. Vielleicht wähle ich es am Ende des Jahres sogar in meine Top drei, wenn ich noch die Kraft habe, einen zweiten Charakter hochzuspielen und mich in einen möglichen DLC hineinzuwerfen. Ach, wenn ich das wirklich alles mache, wird es sogar mein Spiel des Jahres!

Peter Zellinger: Hoffentlich erhört Blizzard mein Sudern und liefert als nächste Klasse die Kreuzritterin nach. Dann haben sie auf die perfekte Spielspaß-Torte auch noch die Kirsche obendrauf gesetzt. Vereinsamen werde ich bestimmt nicht, weil alle meine Freunde sind eh auch ständig in "Diablo". Wenn jetzt noch "Remnant 2" und "Alone in the Dark" gut werden, dann ist mein Gaming-Glück für dieses Jahr perfekt. (Alexander Amon, Peter Zellinger, 13.7.2023)