Ganz Wien fährt Rad. Dieser Eindruck entsteht unweigerlich, wenn man auf wichtigen Verbindungen wie Donaukanal, Ring oder Gürtel unterwegs ist. Juli und August seien sehr radfahrstarke Monate, vermeldete kürzlich der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) auf Basis der Erfahrungen aus den vergangenen Jahren.

Das Resultat: Auf Radwegen und Radrouten auf Straßen wird es oft eng. Längst sind dort nicht nur Radfahrerinnen und Radfahrer unterwegs. Leihscooter-Fahrerinnen oder Essenslieferanten mit mopedähnlichen E-Zweirädern nutzen diese Verkehrsflächen genauso wie Inlineskaterinnen oder Segway-Fahrer. All diese Gefährte sind in den heurigen großen Ferien auch wichtige Ersatz-Fortbewegungsmittel, weil mehrere Öffi-Strecken abschnittsweise (etwa U4, U6) oder komplett (46er) gesperrt sind.

Fahhradfahrerinnen und Fahrradfahrer überqueren eine Straße
Eine der berüchtigtsten Engstellen im Wiener Radverkehrsnetz: die Kreuzung bei der Urania.
Christian Fischer

Ob des großen Nutzungsdrucks wird adäquates Verhalten umso relevanter. Ein Schnellkurs in Sachen Verkehrsregeln und allem, was rund ums Radfahren in Wien wichtig und wissenswert ist – von A wie Abstand bis Z wie Zählstelle.

Video: Fahrradfahren in Wien: Nur für mutige Eltern?
DER STANDARD

Abstand halten empfiehlt sich besonders beim Vorbeiradeln an parkenden Autos. So wird die Gefahr, von einer unachtsam geöffneten Autotür getroffen zu werden, zumindest reduziert. Der Bereich, in dem das Risiko hoch ist, wird Dooring-Zone genannt und ist etwa 75 Zentimeter breit. Das Abstandhalten kollidiert allerdings ein wenig mit dem Rechtsfahrgebot, wonach sich Radfahrende so weit rechts zu bewegen haben, wie es ihnen zumutbar ist. Die Interessenvertretung Radlobby empfiehlt einen Abstand von 1,2 bis 1,8 Metern zu parkenden Autos. Das Verwaltungsgericht Wien bestätigte im Jahr 2016, dass dies trotz Rechtsfahrgebots ein vertretbares Maß ist.

Benützungspflicht: Wenn eine Radfahranlage vorhanden ist, muss dieser auch benutzt werden. Ansonsten wird auf der Fahrbahn geradelt, auf dem Gehsteig ist dies verboten. Es gibt aber Ausnahmen von der Benützungspflicht, die wohl wichtigste ist: Ist der Radweg nicht mit einem runden blauen Schild, sondern mit einem eckigen blauen Schild gekennzeichnet, dürfen Radelnde zwischen Radweg und Fahrbahn wählen.

Citybike ist der alte, Wien-Mobil-Rad der neue Name, gemeint ist das Gleiche: Wiens städtisches Fahrradverleihsystem, das mittlerweile über 3.000 Räder mit je sieben Gängen an 185 Stationen in allen 23 Bezirken verfügt. Die Leihe kostet 60 Cent pro halber Stunde. Die Wiener Linien bieten die Leihräder heuer erstmals als Ersatz-Fortbewegungsmittel für (teil-)gesperrte Straßenbahnlinien an. Während der derzeitigen Bauarbeiten auf der 46er-Route können die Räder gratis genutzt werden – konkret bei Fahrten zwischen den Stationen Volksgarten, Volkstheater, Thaliastraße, Richard-Wagner-Platz, Schuhmeierplatz und Ottakring.

Leihräder der Wiener Linien bei einer der Stationen
Als Ersatz für die eingeschränkten Straßenbahnlinien 40, 41, 42 und 46 bieten die Wiener Linien gratis Leihräder an.
IMAGO/SEPA.Media

Drink and Drive wird auf dem Fahrrad in Maßen toleriert: Es gilt ein Alkohollimit von 0,8 Promille. Ab 0,8 Promille beträgt die Mindeststrafe 800 Euro; ab 1,2 Promille 1.200 Euro und ab 1,6 Promille 1.600 Euro. Wer den Alkotest verweigert, zahlt 1.600 bis 5.900 Euro Strafe.

Essenslieferanten: Es ist der Versuch, Irritationen im Keim zu ersticken. "Ich bin ein Fahrrad" ist auf Gefährten zu lesen, die Mopeds zum Verwechseln ähnlich sehen und allen voran von Essenslieferanten auf Wiens Radwegen gefahren werden. Ja, dürfen die das denn? Sie dürfen. Denn für elektrisch betriebene Zweiräder, die über maximal 250 Watt Leistung verfügen und höchstens 25 km/h schnell werden, gelten im Wesentlichen die gleichen Regeln wie für Radfahrer.

Farbig markiert sind auf Wiener Radverkehrsflächen Stellen, die anfällig für Konflikte oder Unfälle sind. Auf dem Ring-Radweg etwa wird Fußgängerinnen und Fußgängern mit flächiger grüner Bemalung teils signalisiert, dass der eingefärbte Bereich Radelnden vorbehalten ist. Gefahrenstellen, etwa an Kreuzungen, sind rot markiert – entweder flächig oder mit Linien.

Ein rot gefärbter Radweg
Gefahrenstellen sind rot markiert, Flächen mit Konfliktpotenzial grün.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Gegen die Einbahn zu radeln ist nur zulässig, wenn es der Zusatz "Ausgenommen Radfahrer" erlaubt. Das ist in Wien mittlerweile auf 345 Kilometern der Fall. Wohnstraßen sind mit dem Rad immer in beide Richtungen befahrbar.

Highway – oder sogar Mega-Highway – nennt die Stadt Wien Rad-Langstrecken, auf denen vom Zentrum aus auf komfortabler Infrastruktur zügig in die Peripherie geradelt werden kann. Drei derartige Highways soll es bis 2025 geben. Jener vom Karlsplatz in den Süden nach Leopoldsdorf ist bis auf ein noch fehlendes Stück in der Argentinierstraße fertig. Am Highway nach Norden von der Aspernbrücke bis Gerasdorf wird derzeit gebaut: In der Praterstraße entsteht auf der stadtauswärts führenden Seite ein rund vier Meter breiter Zwei-Richtungs-Radweg.

Visualisierung des
Visualisierung des "Mega-Rad-Highways" in der Praterstraße, der derzeit gebaut wird.
2022 ZOOMVP

Infrastruktur: Wien hat rund 173 Kilometer Radwege, 174 Kilometer Geh- und Radwege, 45 Kilometer Radfahrstreifen und 143 Kilometer Mehrzweckstreifen. Erstere beide Infrastrukturtypen sind in der Regel baulich von der Fahrbahn getrennt. Radfahrstreifen befinden sich auf der Fahrbahn, sind meist durch eine Sperrlinie davon abgegrenzt und Radfahrerinnen und Radfahrern vorbehalten. Mehrzweckstreifen befinden sich ebenfalls auf der Fahrbahn, sind allerdings nur durch eine unterbrochene Linie abgegrenzt. Autos und Motorräder dürfen den Streifen auch nutzen, allerdings nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die restliche Fahrbahn aus bestimmten Gründen nicht ausreichen sollte. Auf Radfahrende muss dann aber besonders Rücksicht genommen werden.

Junge Radfahrerinnen und Radfahrer können ihre Fähigkeiten beim Radspielplatz in der Seestadt oder auf dem Radübungsplatz Naschmarkt perfektionieren. Bei den dortigen, regelmäßig stattfindenden Trainings sind Betreuerinnen und Betreuer, die Kinder bis zum Alter von zehn Jahren unterstützen. Was im Vordergrund steht: die Freude am Radfahren. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.

Katzenaugen oder integrierte Reflektoren an den Reifen, weißer Reflektor vorne, roter Reflektor hinten, gelbe Reflektoren an den Pedalen, Klingel oder Hupe und zwei voneinander unabhängige Bremsen sind bei Tageslicht die vorgeschriebene Pflichtausstattung für Fahrräder. Bei Dunkelheit oder schlechter Sicht braucht es zusätzlich ein weißes Vorder- und ein rotes Rücklicht.

Lastenräder können über die Initiative "Grätzelrad" gratis ausgeliehen werden. Mehrere Modelle in unterschiedlichen Bezirken stehen zur Auswahl, es muss lediglich telefonisch oder online reserviert werden. Die maximale Leihdauer beträgt 24 Stunden.

Musikhören beim Radeln ist nicht explizit verboten. Allerdings muss man laut Kuratorium für Verkehrssicherheit "von der geistigen und körperlichen Verfassung her in der Lage sein, das Fahrrad sicher und vorschriftsmäßig zu lenken". Musik zu hören könnte ein Verstoß gegen diese Vorschrift sein. Eindeutig untersagt ist das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung.

Nebeneinanderfahren dürfen Radelnde auf Radwegen (sofern andere nicht behindert werden), in Wohnstraßen und in Begegnungszonen. Auf allen sonstigen Radfahranlagen, also etwa Mehrzweckstreifen, und auf den meisten Straßen ist dies nur erlaubt, wenn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit maximal 30 km/h beträgt. Wenn mit dem Rad ein radelndes Kind begleitet wird, darf nebeneinander gefahren werden.

Zwei Kinder mit Helmen auf Fahrrädern
Für Kinder unter zwölf Jahren gilt beim Radfahren: Helm aufsetzen.
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Optional ist das Tragen von Sturzhelmen für Erwachsene, verpflichtend für Kinder unter zwölf Jahren. Sie benötigen sowohl beim Selber- als auch beim Mitfahren in einem Anhänger oder Kindersitz einen Kopfschutz.

Pop-up-Radwege waren während der Corona-Zeit der verkehrspolitische Aufreger Wiens. Mittels Pollern und Leitplanken wurden in vier Straßen temporär eigene Bereiche für Radfahrerinnen und Radfahrer von der Fahrbahn abgetrennt. Der VCÖ fordert eine Art Rückkehr des Konzepts: Weil der Autoverkehr im Sommer in Wien zurückgehe und so weniger Platz zum Fahren und Parken benötigt werde, sollten, wo möglich, zeitlich befristet Flächen für den Radverkehr freigegeben werden.

Querungen für Radfahrende heißen Radüberfahrt und sind mit Blockmarkierung gekennzeichnet. Radelnde haben hier Vortritt. Ist eine Radüberfahrt nicht durch eine Ampel geregelt, darf man sich ihr auf dem Rad grundsätzlich mit maximal 10 km/h nähern. Auf einem Zebrastreifen dürfen Radfahrerinnen und Radfahrer die Straße in der Regel nicht queren, er ist Fußgängerinnen und Fußgängern vorbehalten.

Rotes Ampellicht bedeutet für Radelnde nicht mehr zwangsweise warten. An mittlerweile 160 Ampeln ist in Wien für sie Abbiegen oder Geradeausfahren bei Rot möglich.

Eine Person auf einem Fahrrad wartet bei einer Ampel, die mit einem Zusatzschild ausgestattet ist die das Abbiegen bei Rot erlaubt
Nach einem Halt darf an 160 Ampeln in Wien mit dem Rad bei Rot abgebogen werden.
APA/FLORIAN WIESER

Straßen, die eigens Radlerinnen und Radlern vorbehalten sind, gibt es auch: sogenannte Fahrradstraßen. Es handelt sich um ein eher junges Konzept, Wien hat erst knapp zehn Kilometer davon. Sie kommen laut Stadt dann zum Einsatz, wenn eine eigene Radfahranlage "nicht sinnvoll" oder "aus Platzgründen nicht möglich ist". Autos und Motorräder dürfen in Fahrradstraßen nur zufahren oder diese queren, aber nicht durchfahren. Das Tempolimit beträgt 30 km/h. Radelnde dürfen nebeneinander fahren.

Treten zum Filmschauen: Das ist das Prinzip beim Cycle Cinema Club. Das mobile Freiluftkino wird "pedalstrombetrieben", wie es die Organisatoren formulieren. Soll heißen: Der Strom für die Filmvorführung wird mit Stromgeneratorrädern, auf denen die Besucherinnen und Besuchern selbst strampeln, erzeugt. Nächste Termine in und um Wien: 20. Juli in Illmitz, 29. Juli in Wien (noch keine Details bekannt) und 2. September in St. Andrä-Wördern.

Unfälle: Im Vorjahr ereigneten sich in Österreich erstmals mehr als 10.000 Radunfälle. Das ist ein Anstieg von rund 70 Prozent binnen zehn Jahren. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf die wachsende Zahl an Radlerinnen und Radlern sowie den Umstand, dass immer mehr von ihnen mit E-Bikes unterwegs sind.

Vorfahren an der Warteschlange bei Kreuzungen ist Radfahrenden gestattet. Eine fahrende Kolonne darf nur links überholt werden, eine stehende zusätzlich rechts. An einigen Kreuzungen befindet sich die Haltelinie für Autos ein Stück hinter jener für Räder. Im Raum dazwischen, der sogenannten Bikebox, haben vorgefahrene Radlerinnen und Radler Platz zum Warten.

Wiener Bügel heißen die metallenen Abstellgelegenheiten, die seit den 1980er-Jahren in ganz Wien zu finden sind. Räder können an das umgedrehte U gelehnt und mit Schloss befestigt werden – eine Konstruktion, die sich laut Rathaus als derart beliebt erweist, dass sie Städte wie München kopierten. Zuletzt gab es in Wien rund 56.700 Radabstellplätze, die MA 28 nimmt Anregungen für neue Standorte entgegen.

Zählstellen: Die Zahl der Radelnden wird in Wien automatisch erfasst. Das geschieht mittels Drahtschleifen, die etwa zwei Zentimeter tief im Asphalt eingelassen sind. Sie erzeugen ein schwaches magnetisches Feld, das von darüberfahrenden Rädern verändert wird – und diese Veränderung zahlt auf die Statistik ein. Mittlerweile gibt es 18 solche Zählstellen, bis 2022 waren es 13. Im ersten Halbjahr 2023 wurden laut VCÖ auf diese Weise in Summe 5,62 Millionen Radelnde erfasst. Das waren so viel wie noch nie: Der Wert aus dem ersten Halbjahr 2022 wurde um 49.000 übertroffen. Der Bestwert bleibt selbst dann, wenn nur jene 13 Stationen betrachtet werden, die schon länger in Betrieb sind. (Stefanie Rachbauer, 4.8.2023)