Nationalbank und Finanzmarktaufsicht (FMA) haben richtig gehandelt, als sie vor einem Jahr die Standards für die Vergabe von Immobilienkrediten deutlich verschärft haben – womöglich aber zu spät. In den Jahren zuvor haben sich tausende Jungfamilien von den Niedrigzinsen verleiten lassen, für den Erwerb eines Eigenheims Schulden aufzunehmen, die sie mit den nunmehr gestiegenen Zinsen nur noch schwer bedienen können. Das schuf für viele ein persönliches Risiko, für die Kreditinstitute ein geschäftliches und für das österreichische Finanzwesen ein systemisches – nämlich das einer Immobilienblase.

Für diese Haushalte kommt die sogenannte KIM-Verordnung zu spät. Bei den anderen, die erst jetzt an den Kauf einer Wohnung oder den Bau eines Einfamilienhauses denken, zeigt sie dafür umso stärkere Wirkung. Um fast 80 Prozent ist die Nachfrage nach Immobilienkrediten zurückgegangen, melden die Banken.

Eigenheim
Der Traum vom Eigenheim ist legitim, wenn er sich ohne hohes Risiko verwirklichen lässt.
IMAGO/Silas Stein

Das ist sicher dramatischer, als die Bankenaufseher erwartet haben. Selbst Familien, die sich ein Eigenheim auch mit höheren Zinsen leisten könnten, verzichten auf einen Kauf oder werden von den Banken abgewiesen. Das zerstört nicht nur die Zukunftspläne vieler Menschen, sondern trifft auch die Baubranche mit ihren zehntausenden Arbeitsplätzen hart.

Man muss die "Eigenheim ist ein Menschenrecht"-Ideologie der ÖVP nicht schlucken, um darin ein Problem zu erkennen. Der Protest des Raiffeisensektors und anderer Banken gegen die KIM-Verordnung mag von Geschäftsinteressen getrieben sein, das Kesseltreiben der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und mancher Parteifreundinnen gegen die FMA ein Ärgernis sein. Aber es ist richtig, eine solche Maßnahme regelmäßig zu evaluieren – und wenn nötig anzupassen.

Lebensrealitäten

Für jene Fälle, bei denen eine Immobilie verkauft und aus dem Erlös eine andere erworben wird, ist das zum Glück schon geschehen. Doch entscheidend sind die Auflagen für Kreditvergaben: Die Laufzeit darf nicht länger als 35 Jahre sein, der Eigenmittelanteil muss zumindest 20 Prozent betragen, und der Schuldendienst darf 40 Prozent des verfügbaren Einkommens nicht übersteigen. Dieses Regelwerk darf nicht in Stein gemeißelt sein.

Die Eigenmittelanforderung ist sinnvoll: Wer nicht einmal ein Fünftel des Kaufpreises ohne Kredit finanzieren kann, sollte ein billigeres Objekt suchen oder erst ein paar Jahre ansparen. Über verlängerte Laufzeiten für Jungfamilien kann man diskutieren. Jedenfalls gelockert aber werden sollte die Schuldendienstquote von 40 Prozent. Hier werden gewisse Lebensrealitäten ignoriert.

Es gibt Fälle, in denen Eltern oder Großeltern monatlich zuzahlen, was die Bank nicht berücksichtigen darf. Andere haben Berufe, bei denen sie wissen, dass sie in Zukunft viel mehr verdienen werden. Und manche sind bereit, für die eigenen vier Wände auf Urlaube und anderen Luxus zu verzichten. Dann kann auch mehr als die Hälfte eines guten Einkommens an die Bank fließen.

Für die meisten Jungfamilien ist Mieten die sicherere Option als eine hochverschuldete Immobilie. Aber auch der Traum vom Eigenheim ist legitim, wenn er ohne hohes Risiko verwirklicht werden kann. Es ist nicht die Aufgabe der Finanzaufseher, ihn ohne guten Grund platzen zu lassen. (Eric Frey, 19.7.2023)