Sam Altman, CEO von OpenAI
Sam Altman ist nicht nur Chef von OpenAI, er ist auch im Bereich Kernenergie tätig und will soziale Ungerechtigkeit bekämpfen sowie das Leben der Menschen verlängern.
AP/Jon Gambrell

Spätestens seit Ende letzten Jahres ist klar: Wer KI sagt, muss auch Sam Altman sagen. Der Launch des Chatbots ChatGPT, aber auch jener des Bildgenerators Dall-E katapultieren den 38-jährigen Amerikaner endgültig an die Spitze der Tech-Branche und ins Licht der breiten Öffentlichkeit. Dabei hat sich Sam Altman längst nicht nur der künstlichen Intelligenz (KI) verschrieben. Sie ist vielmehr Teil einer größeren Vision, mit der er die Zukunft der Menschheit verbessern will. Grund genug, sich die Investitionen des Silicon-Valley-Shootingstars genauer anzusehen.

Im Visier der Behörden

OpenAI hat in den vergangenen acht Monaten die Schlagzeilen derart dominiert, dass es fast müßig ist zu erklären, wofür das Unternehmen steht. OpenAI, das 2015 unter anderem von Sam Altman und Elon Musk gegründet wurde, startete als Non-Profit-Organisation und hat sich der Forschung und Entwicklung sicherer KI verschrieben. 2019 entschied man sich für ein "Capped for Profit"-Modell, eine Mischform aus Non-Profit- und gewinnorientiertem Unternehmen, bei dem begrenzte Gewinne erwirtschaftet und an Investoren ausgeschüttet werden können. An einem Börsengang von OpenAI sei Altman allerdings wegen der "seltsamen" Firmenstruktur nicht interessiert.

Der Höhenflug von OpenAI ist durchaus nicht frei von Pannen: Erst kürzlich ist die FTC, die amerikanische Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde, auf den Chatbot aufmerksam geworden. "Wir haben von Berichten erfahren, denen zufolge persönliche Daten von Leuten in Antworten auf eine Anfrage von jemand anderem aufgetaucht sind", sagte FTC-Chefin Lina Khan kürzlich bei einer Anhörung vor einem Kongressausschuss. Dabei handle es sich um "beleidigende, diffamierende Aussagen" und "unwahre Dinge", die der FTC Sorgen bereiten. Altman versicherte auf Twitter, "natürlich" mit der FTC zusammenarbeiten zu wollen. Es sei sehr wichtig, dass die Technologie von OpenAI sicher sei, betonte der CEO.

KI-Regulierung: Altman wackelt

Derartige Aussagen sollten aber durchaus skeptisch betrachtet werden, denn wie das "Time"-Magazin im Juni berichtete, dürfte OpenAI aktiv für eine Abschwächung der EU-Regulierung von KI eingesetzt haben. Während Altman im ursprünglichen Entwurf noch eine "Überregulierung" sah und sogar den Rückzug von OpenAI aus dem europäischen Markt erwog, fand er nach einer Überarbeitung des Entwurfs des AI-Acts lobende Worte für den Ansatz der EU. Experten äußerten sich "Time" gegenüber irritiert: Es habe den Anschein, dass OpenAI unter dem Vorwand des öffentlichen Nutzens die eigenen finanziellen Interessen an einer Abschwächung der Verordnung verschleiere, sagt Sarah Chander, politische Beraterin bei European Digital Rights.

Altman ist an dem von ihm mitbegründeten und schätzungsweise 27 Milliarden schweren Unternehmen nicht beteiligt. Darauf angesprochen, gibt er sich – mehr oder weniger – bescheiden: Er habe bereits genug Geld. Was durchaus der Wahrheit entsprechen dürfte: Neben der Gründung eines Krypto-Start-ups investiert Altman unter anderem in Unternehmen aus dem Bereich Kernenergie und des Gesundheitswesens.

Worldcoin: die Krypto-Utopie

Neben unzähligen Vorteilen sieht Altman auch erhebliche Risiken im Umgang mit KI. 2019 gründete er daher mit Worldcoin ein Start-up, das gleich zwei Probleme lösen soll: die Verbreitung von Fake-Accounts und die soziale Ungerechtigkeit.

Worldcoin ist Kryptowährung und Identitätsnachweis zugleich. Es basiert auf einem Open-Source-Protokoll und soll langfristig einen "universellen Zugang zur Weltwirtschaft, unabhängig von Land oder Herkunft" ermöglichen. Die Tokens, genannt Worldcoins, sollen "weltweit und kostenlos" ausgegeben werden, einfach "weil man ein einzigartiges Individuum" ist.

Für die Anmeldung muss man sich bei einem lokalen Worldcoin-Betreiber identifizieren lassen. Hierfür wird ein Irisscan verwendet, der – wie ein Fingerabdruck – bei jedem Menschen einzigartig ist. Derzeit befindet sich das Unternehmen noch in der Betaversion, laut Webseite haben sich bisher zwei Millionen Menschen registriert. In Europa läuft das Projekt gerade in Deutschland an, in Berlin werden erste Verifizierungsstandorte aufgebaut, an denen Menschen mithilfe sogenannter Orbs demnächst ihren Augapfel scannen lassen können. Als Belohnung erhält man jede Woche einen Worldcoin.

Glaubt man der Webseite, soll mit Worldcoin ein datenschutzfreundliches Identifikationssystem aufgebaut werden, "das allen Menschen auf der Welt Zugang zur globalen digitalen Wirtschaft verschaffen soll". Zumindest fast: Laut FAQs sei nicht geplant, die Tokens in den USA einzuführen. Auch andere Länder seien von der Einführung ausgenommen, wie man hier nachlesen kann.

Betrugsvorwürfe gegen Worldcoin

Ausgerechnet in puncto Datenschutz sah sich das Krypto-Start-up aber bereits erheblicher Kritik ausgesetzt: Im April 2022 veröffentlichte das "MIT Technology Review" einen Artikel, in dem Worldcoin vorgeworfen wird, betrügerische Marketingpraktiken angewandt und mehr personenbezogene Daten gesammelt zu haben, als das Unternehmen zugab. Auch soll es Versäumnisse bei der Einholung von Einverständniserklärungen gegeben haben. Im Mai berichtete "TechCrunch", dass Hacker Anmeldeinformationen von persönlichen Geräten der Worldcoin-Betreiber gestohlen hätten. Nicht nur hätten die Angreifer vollen Zugriff auf das Betreiber-Dashboard gehabt, laut "TechCrunch" sei dafür keinerlei Zwei- oder Mehr-Faktor-Identifizierung erforderlich. Persönliche Benutzerdaten seien laut Worldcoin aber nicht gefährdet, da die Betreiber-App auf diese nicht zugreife.

Altman, der Kernkraft-Fan

In Altmans Vision soll die Welt nicht nur gerechter, sondern auch grüner werden. Dabei setzt er unter anderem auf Oklo, ein Unternehmen, das sich auf fortschrittliche Kernspaltungskraftwerke spezialisiert hat. Durch die Entwicklung und den Einsatz von Schnellreaktortechnologie will er in der nächsten Generation saubere, zuverlässige und erschwingliche Energie auf globaler Ebene bereitstellen. Altman fungiert dort seit 2015 als Vorstandsvorsitzender, durch eine Fusion mit AltCAcquistion – einem von Altman und dem ehemaligen Citigroup-Manager Michael Klein gegründeten Blankoscheck-Unternehmen – soll Oklo nun in den Vereinigten Staaten an die Börse gehen.

Blankoscheck-Unternehmen oder SPACs (Special Purpose Acquisition Company) sind börsennotierte Unternehmen die kein operatives Geschäft haben. Sie nutzen das Kapital, das sie durch den Börsengang erhalten, um mit einem anderen Unternehmen zu fusionieren, das dadurch an die Börse gebracht wird. Der Wert des Nuklear-Start-ups beläuft sich übrigens auf 850 Millionen Dollar, teilen die Unternehmen mit.

Mit Helion Energy zählt noch ein weiteres Unternehmen im Bereich der Fusionsenergie zu Altmans Portfolio. Berichten von "Golem" zufolge plant Helion bis 2028 die Fertigstellung seines ersten Fusionskraftwerks, das eine Leistung von 50 Megawatt erzielen soll. Ein erster Kunde steht ebenfalls schon in den Startlöchern: Microsoft hat sich bereits Strom aus dem zukünftigen Kraftwerk gesichert. Ein nachvollziehbarer Schritt – denn der IT-Riese plant, bis 2030 eine negative CO2-Bilanz zu erzielen. Da Microsoft mehrere Milliarden in OpenAI investiert hat und mithilfe dessen Produkte seine KI-Sparte stärken will – die wiederum eine entsprechende Rechenleistung erfordert –, macht die Entscheidung gleich doppelt Sinn.

Science-Fiction trifft Medizin

Neben Krypto- und Kernenergieunternehmen spielt Altman auch im Gesundheitssektor mit. So hat er bereits 2021 in Elon Musks Neurotechnologie-Unternehmen Neuralink investiert, das vor zwei Monaten von der FDA die notwendige Zulassung für klinische Studien am Menschen erhalten hat. Ziel ist die Entwicklung eines Brain-Computer-Interfaces, also einer Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer mittels eines Chip-Implantats. Ähnlich futuristisch liest sich auch die Vision des 2022 gegründeten Start-ups Retro Biosciences: Man will die gesunde menschliche Lebensspanne um zehn Jahre verlängern, heißt es auf der Webseite. Eine Mission, die Altman offenbar teilt, denn Berichten der "MIT Technology Reviews" zufolge wurde die erste Finanzierung in Höhe von 180 Millionen Dollar komplett von Altman beigesteuert.

Altmans Investitionen sind sicherlich nicht unumstritten und bieten zum Teil zweifellos Stoff für dystopische Erzählungen. Bei der Auswahl der Finanzierungen scheint er aber stets ein größeres Ziel – die Verbesserung des Lebensstandards – vor Augen zu haben. Leer ausgehen wird er dabei allerdings nicht. (Lisa Haberkorn, 24.7.2023)