Die drei Geschwister Veronika, Emmanuel und Christina Schmölz haben ihr Elternhaus in Hall in Tirol zum Mehrfamilienhaus ausgebaut – mit Strohballen, selbstgemischtem Lehmputz, Holz und Kalk.

"Wir sind hier aufgewachsen. Veronika ist die Älteste. Sie hatte die Idee eines Mehrgenerationenhauses mit vier Wohneinheiten schon länger im Hinterkopf. Emmanuel, eigentlich Sozialarbeiter, brachte Erfahrung im Strohausbau mit. Er war in Spanien an einem solchen Bauprojekt beteiligt. Christina, die Jüngste, war – wie wir alle – immer viel unterwegs. Irgendwann haben wir uns alle nach einem fixen Lebensmittelpunkt gesehnt. Wohnen ist für uns Ankommen, viel mehr als ein Dach über dem Kopf.

Emmanuel (links), Veronika (Mitte) und Christina Schmölz (vorn sitzend) sind in ihr Elternhaus zurückgekehrt, Kinder und Großeltern freut's.
Emmanuel mit seiner Partnerin Tine (links), Veronika (Mitte) und Christina Schmölz (vorn sitzend) sind in ihr Elternhaus zurückgekehrt, Kinder und Großeltern freut's.
Günter Richard Wett

Im Oktober 2014 fiel schließlich der Startschuss zur "Lendwirtschaft". Gemeinsam mit Tine, Emmanuels Partnerin, haben wir den Ausbau unseres Elternhauses, der sich bis ins Jahr 2021 zog, gemeinsam gestemmt, haben Wohnung für Wohnung zusammen errichtet. Es war eine intensive und fordernde Zeit, die uns sehr zusammengeschweißt hat.

Die Idee zum Mehrgenerationenhaus hatte Veronika Schmölz schon länger im Hinterkopf.
Die Idee zum Mehrgenerationenhaus hatte Veronika Schmölz schon länger im Hinterkopf.
Günter Richard Wett

Wir haben größten Wert auf die Beziehungsarbeit gelegt – und auf einen möglichst schonenden Umgang mit Ressourcen. Ressourcen, das sind für uns sowohl die Bau­materialien als auch unsere eigenen Kräfte. Wir haben viel darüber gesprochen, wie es uns geht. Es gab Phasen, da verging kein Tag ohne Hiobsbotschaft. Da ist uns der Putz von der Decke auf den Kopf gefallen, aus der Toilette sprudelte heißes Wasser, die Putzmaschine war kaputt, und es hat zwei Wochen gedauert, bis wir den Fehler fanden. Es war wichtig, dass wir Arbeit und Sorgen auf so viele Schultern verteilen konnten. Über die Jahre haben uns außerdem viele Menschen unterstützt. Darunter auch Reisende aus der ganzen Welt. Das war unglaublich bereichernd.

Jede Wohnung ist anders gestaltet: Emmanuel Schmölz mit seiner Partnerin Tine und den beiden Kindern.
Günter Richard Wett

Wenn immer möglich, haben wir zu ökologischen Materialien wie Holz, Stroh, Lehm und Kalk gegriffen. Das war nicht immer einfach. Den Lehm haben wir selbst aufbereitet und zu Lehmputz verarbeitet. Wir haben ihn von einer rund zehn Kilometer entfernten Schottergrube umsonst bezogen. Dort fällt er als Abfallprodukt an. Der Geschäftsführer war anfangs irritiert, bald aber ganz angetan von unserem Vorhaben.

Das Arbeiten mit Lehm ist dankbar – man kann es einfach probieren. Wenn man nicht zufrieden ist, lässt sich der Putz in Wasser auflösen und neu aufbringen. Er lässt sich leicht ausbessern, notfalls auch mit bloßen Händen. An den unterschiedlichen Wohnräumen lässt sich unsere Lernkurve ablesen: Bei Veronika sind die Wände teils noch etwas uneben, als wir Christinas Wohnung gebaut haben, ging alles schon leichter von der Hand. Christina ist im August 2021 eingezogen, Veronika schon 2018. Anfangs wollten wir alle Wohnungen gleichzeitig errichten, doch Veronikas Kinder waren noch klein, sie hat die Wohnung am dringendsten gebraucht.

Veronika Schmölz bezog ihre Wohnung mit ihren beiden Söhnen als Erste.
Veronika Schmölz bezog ihre Wohnung mit ihren beiden Söhnen als Erste.
Günter Richard Wett

Für den Nassbereich ist Lehm allerdings nicht geeignet, er ist wasserlöslich. Dort haben wir Kalk verwendet. Das war aufwendig, hat sich aber gelohnt. Regionalität ist uns wichtig. Die Strohballen mussten wir allerdings aus dem Burgenland beziehen, in Tirol wird Stroh meist zu großen, runden Ballen gepresst, die sich nicht verbauen lassen. Sieben Tonnen Stroh stecken in unseren vier Wänden, ein ganzer Sattelschlepper.

Wir haben viel recherchiert, gelesen und uns von einem Selbstbauexperten beraten ­lassen. Dass wir keinen professionellen Hintergrund haben, ist uns aber durchaus auch zugutegekommen. Ein frischer Blick, unkonventionelle Herangehensweisen und ja, auch eine gewisse Naivität haben uns geholfen. Hätten wir zu Beginn gewusst, was alles auf uns zukommt, hätten wir uns möglicherweise einschüchtern lassen.

Oft sind die Türen offen, manchmal bleiben sie zu: Christine in ihrem Zuhause.
Günter Richard Wett

Obwohl wir das Gemeinsame schätzen, ­legen wir auch viel Wert auf Privatsphäre. Alle Wohneinheiten funktionieren eigenständig. Hin und wieder sind die Eingangstüren zu. Unsere Eltern leben im Erdgeschoss, daneben liegt ein Gemeinschaftsraum. Oft treffen wir uns bei Christina, sie hat den größten Esstisch. Ein Glücksfund, secondhand, wie vieles in unseren Wohnungen." (Maria Retter, 24.7.2023)