"Arschknapp" sei die Sache mit dem Kredit gewesen, sagt Elvira S. Mit ihrer Familie hat sie sich vor einem halben Jahr auf die Suche nach einer größeren Wohnung in Wien gemacht – und ihre Traumwohnung entdeckt. Fehlte nur noch die Finanzierung – doch daran scheitern derzeit viele Menschen.

Familie mit Baby vor Computer schaut besorgt auf ein Stück Papier
Geht sich das aus? Bei vielen nicht. Eine Familie müsste im laufenden Jahr für ein Einfamilienhaus mit einem variablen Kredit und 30 Jahren Laufzeit rund 48 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens als monatliche Rate bezahlen.
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Denn die Richtlinien für die Vergabe von Immobilienkrediten wurden vor genau einem Jahr verschärft, um die Bildung einer Blase zu verhindern. Seither darf die monatliche Tilgungsrate 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht mehr überschreiten, die maximale Laufzeit liegt bei 35 Jahren, und der Eigenmittelanteil muss mindestens 20 Prozent betragen.

Glück gehabt

Wie schwierig das angesichts der gestiegenen Zinsen ist, rechnet Raiffeisen-Analyst Matthias Reith vor: Eine Familie müsste im laufenden Jahr für ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit einem variablen Kredit und 30 Jahren Laufzeit rund 48 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens als monatliche Rate bezahlen – und würde damit die vorgeschriebenen 40 Prozent klar verfehlen.

Elvira S., die eigentlich anders heißt, hat den Kredit für ihre noch in Bau befindliche Wohnung nur bekommen, weil sie und ihr Mann ihre zu klein gewordene Wohnung verkaufen wollen und die Eltern ihnen jeweils Geld geborgt haben, das sie zinsfrei zurückzahlen können.

Für viele andere ist der Traum vom Eigenheim aber seit einem Jahr noch einmal weiter in die Ferne gerückt. Die Änderung bei den Kreditvergaberichtlinien in Kombination mit gestiegenen Zinsen hat den Immobilienmarkt gehörig durcheinandergewirbelt.

Transaktionen eingebrochen

Das Volumen neu vergebener Kredite ist laut Reith seit August 2022 um 58 Prozent eingebrochen, die Transaktionen sind im ersten Quartal 2023 um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Alles sehr zum Missfallen der Banken, die seit einem Jahr für Lockerungen trommeln.

Eine solche gab es im Frühjahr dann tatsächlich – und zwar, was Zwischenfinanzierungen betrifft. Diese sind dann nötig, wenn sich jemand beispielsweise ein Haus kaufen und dafür eine Wohnung wieder verkaufen möchte. Bis das Geld dafür auf dem Konto ist, braucht es eine Überbrückung eben in Form einer Zwischenfinanzierung, die ursprünglich unter die gleichen strengen Regeln wie Immobilienkredite gefallen ist.

Weitere Hürde

Seit April werden Zwischenfinanzierungen aber bis zu einem Wert von 80 Prozent der bestehenden Immobilie und für die Dauer von zwei Jahren als Eigenkapital berücksichtigt. So war es auch bei der eingangs erwähnten Elvira S., die froh ist über die Lockerung: "Vor April hätte unsere alte Wohnung nicht als Kapital gegolten", erzählt sie. Der Kredit wäre so nicht möglich gewesen.

Für Banken ging die leichte Lockerung aber nicht weit genug. Die wirklich heißen Eisen – Schuldendienstquote, Kreditlaufzeit und Eigenmittelanteil – blieben unberührt. Und seither, so heißt es bei Banken, sei das Kreditgeschäft auch nicht wirklich wieder angesprungen.

Weitere Lockerungen sind bei Immobilienkrediten nicht in Sicht. Im Gegenteil, wie Bernhard Freudenthaler vom Bankenverband betont: Vor wenigen Tagen erst hat die Finanzmarktaufsicht auf eine Leitlinie des Finanzmarktstabilitätsgremiums aus dem März verwiesen. Damit kommt eine weitere Hürde hinzu, weil die monatliche Tilgungsrate für variabel verzinste Kredite angesichts der Zinsentwicklung von den derzeit geltenden 40 Prozent auf 30 Prozent des Haushaltseinkommens reduziert wird.

In den meisten Fällen werden von Banken aktuell Mischformen vergeben, die mit einem Fixzins starten und später variabel sind, weil eine reine Fixzinsvereinbarung bei in der Zukunft möglicherweise sinkenden Zinsen sehr teuer wäre. Wenn die fixe Zinsbindung aber kürzer als die Hälfte der Laufzeit ist, sollte laut FMA nun also die 30-Prozent-Regelung gelten. "Da werden die Schrauben also noch einmal angezogen", sagt Freudenthaler. Man werde hier aber das Gespräch mit der FMA suchen.

Sinken der Preise

Auch wenn sich der Immobilienmarkt derzeit also im Umbruch befindet – auf die Preise hat sich das bisher noch nicht im großen Ausmaß ausgewirkt. Noch spricht man in der Branche eher von einer Stabilisation als von einem Sinken. "Aber wir sehen einen deutlichen Angebotsüberhang", sagt Freudenthaler, und das werde sich mittelfristig – er rechnet mit Herbst – auch auf die Preise auswirken.

Mit einem Sturzflug rechnet Reith von Raiffeisen nicht, eher mit einem langsamen Sinken. Wohneigentum werde deutlich teurer bleiben als vor der Pandemie, prognostiziert er, geht jedoch insgesamt von einem Preisverfall von rund zehn Prozent in diesem und nächsten Jahr aus. Da durch die hohe Inflation allerdings Immobilien auch an Wert verlieren, obwohl sich an ihrem Verkaufspreis nichts ändert, hält Reith reale Wertverluste von bis zu 20 Prozent für realistisch.

Die Kreditvergaberichtlinien wurden entwickelt, als die Zinsen noch weit niedriger waren: "Hätte man gewusst, wo die Reise hingeht, hätte man wohl anders reagiert", sagt Reith und spricht von Gegenwind aus allen Richtungen, dem sich Kreditnehmerinnen durch die hohen Zinsen und die erschwerten Richtlinien nun gegenübersehen.

Und derzeit ist nicht absehbar, dass sich dieser Wind bald legt. (Franziska Zoidl, Bernadette Redl, 22.7.2023)