Bürgermeister Alfred Riedl macht einen tollen Job: Er schafft es hervorragend, die Schwachstellen in Österreichs Gemeindepolitik aufzuzeigen. Der Ortschef von Grafenwörth in Niederösterreich lässt opulente Siedlungen auf die grüne Wiese bauen und versiegelt damit wertvolle Flächen. Er verdient bei Grundstücksgeschäften dank Gemeinderatsbeschlüssen persönlich viel Geld, kann darin aber keine Unvereinbarkeit erkennen.

Wird heftig kritisiert: Alfred Riedl, Bürgermeister von Grafenwörth und Präsident des Gemeindebundes.
APA/Georg Hochmuth

Riedl tut all das nicht nur als einfacher Bürgermeister einer der 2093 Gemeinden in Österreich: Er ist als Präsident des Gemeindebunds offizieller Vertreter der Kommunen.

Das ist einerseits tragisch, weil der ÖVP-Politiker mit seinen Aktionen ein schlechtes Licht auf jene Amtskolleginnen und Amtskollegen wirft, die sich um Bodenschutz bemühen und keine dubiosen Grundstücksdeals abwickeln. Andererseits demonstriert Riedl eben, was Bürgermeistern in Österreich alles möglich ist, wenn sie gewieft vorgehen.

Denn nicht ohne Grund wird gerne erzählt, dass in Gemeinden immer wieder Grundstücke umgewidmet werden – und durch den hoheitlichen Akt irgendjemand eine Menge Geld verdient, weil sein billiges Grünland über Nacht in teures Bauland verwandelt worden ist. Oft bleibt die Rolle der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister dabei undurchsichtig, und der Gemeinderat beschließt ohne Murren, was der Chef oder die Chefin geplant hat.

Flotte Zersiedelung

Und nicht ohne Grund werden Rufe nach weniger Kompetenzen in der Raumordnung für die Gemeinden lauter: Österreich wird immer weiter zubetoniert, das zerstört Biodiversität und schadet letztlich auch dem Lebensraum von uns Menschen. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben kein unmittelbares Interesse daran, dem Einhalt zu gebieten. Viele Leute wollen Häuser bauen, doch die vernünftige Verdichtung im Ortskern ist kompliziert und teuer, der großzügige Bau am Ortsrand attraktiv. Zur flotten Zersiedelung hat auch Riedl mit der Sonnenweiher-Siedlung beigetragen: Das surreal anmutende "Mini-Dubai" liegt, samt künstlich angelegtem See, am Ortsrand von Grafenwörth. Die neuen, strengen Regeln des Landes Niederösterreich hätten den Bau möglicherweise verhindert – doch sie traten erst in Kraft, als der Sonnenweiher schon beschlossen war.

Die Leidtragenden der desaströsen Optik von Riedls Geschäften sind die zahlreichen Gemeinden, die sich bemühen, den Klischees von Zersiedelungssucht und Umwidmungseskapaden nicht zu entsprechen. Denn es könnte nachhaltig der Eindruck entstehen, dass die Grafenwörther Vorgänge ganz normal seien. Die logische Folge wäre eine Einschränkung der politischen Spielräume für Gemeinden: von oben verordnete Siedlungsgrenzen und aufwendige Verfahren für Umwidmungen.

Gegen solche Reformen kann sich nur glaubhaft wehren, wer mit den eigenen Kompetenzen verantwortungsbewusst umgeht. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sollten Riedl wissen lassen, was sie von seiner Außenwirkung halten. (Sebastian Fellner, 21.7.2023)