Der gebürtige Wiener Fritz Indra hält die Elektromobilität für angezählt, und unter dem Gesichtspunkt Klimaschutz sei sie ohnehin eine Mogelpackung.
Andreas Stockinger

Die batterieelektrische Mobilität ist das politische und mediale Aushängeschild der Mobilitätswende in Europa und gilt als ein Eckpfeiler der Klimaziele. Ab 2035 sollen nach dem Willen der EU überhaupt Neuwagen mit Verbrennungsmotoren verboten werden. Trotz etlicher positiver Meldungen – im ersten Halbjahr 2023 haben in der EU E-Mobile erstmals mit Diesel betriebene Pkw bei den Neuzulassungen überholt – läuft längst nicht alles nach Plan: Die Kunden verweigern massenhaft den Umstieg und auch bei Gewerbekunden zeichnet sich ein Umdenken ab. Zudem mehren sich die Mahner, Europa begebe sich speziell bei den Rohstoffen in gefährliche Abhängigkeit von China. Zu diesem Themenkomplex haben wir den renommierten Motorenexperten und E-Auto-Kritiker Fritz Indra befragt.

STANDARD: Manche Kritiker sehen im Verbrennerverbot der EU eine Form der Planwirtschaft. Was halten Sie denn davon?

Indra: Von Planwirtschaft halte ich überhaupt nichts. Weil das viel eher zu einer diktatorischen Staatsführung wie China passt. China ist aber im Gebiet Verkehr total technologieoffen, paradoxerweise, während Europa unter Federführung Frans Timmermans (EU-Kommissar für Klimaschutz, Anm.) reine Planwirtschaft macht – was man eigentlich von einem kommunistischen Staat erwarten würde.

STANDARD: Wenn es nach der letzten Generation geht – und nach etlichen Politikerinnen und Politikern –, soll das Auto überhaupt verschwinden. Retten wir so das Klima?

Indra: Das Klima retten wir natürlich überhaupt nicht, indem wir das Auto verbieten. Außerdem: Der Wunsch des Menschen nach möglichst freier, leistbarer Fortbewegung war schon immer da. Er wird also weiter das Fortbewegungsmittel kaufen, das günstig ist, Tag und Nacht funktioniert und alltagstauglich ist – alles das ist das Elektroauto nicht.

STANDARD: Hat das E-Mobil nicht auch Vorzüge gegenüber dem Verbrenner?

Indra: Die beschränken sich auf einen ganz kleinen Bereich. Sinn macht es im stadtnahen Bereich, bei der Lieferbranche.

STANDARD: Ihnen wird vorgeworfen, bei allem Fachwissen hinsichtlich der Mobilitätswende ein "Ewiggestriger" zu sein. Was ist da dran?

Indra: Da ist überhaupt nichts daran. Ich war immer tätig in der Vorausentwicklung, musste mich also ständig mit neuen Technologien beschäftigen. Auch mit dem Elektroauto, bei GM in den 1990ern war das der EV1. Natürlich gibt es Fortschritte bei der Batterie, aber die reichen nicht aus, um so ein Elektroauto für den normalen Kunden attraktiver zu machen.

Fritz Indra war beteiligt an dem Elektroauto-Projekt EV1 von General Motors, im Bild der Prototyp Impact von 1990.
General Motors

STANDARD: Sie behaupten, das Elektroauto sei eine Mogelpackung und leiste keinen Beitrag zum Klimaschutz. Warum?

Indra: Elektroautos sind ja nur für die Politik sauber. Sehen wir uns die Batterien an. Fast alle werden in China hergestellt, der Produktionsprozess verursacht viel CO2. Wird aber nicht in die Gesamtgleichung eingerechnet. Zweite Lüge: Das E-Auto fährt mit Strom. Da wird immer von der Politik falsch gerechnet, mit dem Durchschnittsstrom. Alle Wissenschaftler sind sich einig: Ziehe ich mit dem E-Auto Strom aus dem Netz, ist das zusätzlicher. Es gibt keinen variablen sauberen Strom. Der saubere, den wir Gott sei Dank haben, Wasserkraft, Windräder, wird ständig verbraucht. Der Strom für E-Autos kann nur aus Kohle-, Gas-, Atomkraftwerken kommen. Insgesamt wird es diesen CO2-Rucksack nicht mehr los.

STANDARD: Hinsichtlich Strom lautet die Langfristperspektive aber, er werde völlig grün sein.

Indra: Das ist doch ein Schmarren. Wie soll das denn funktionieren? Was haben wir hier oft wochenlang? Keinen Wind, keine Sonneneinstrahlung. Wir werden nie verfügbaren überschüssigen sauberen Strom haben.

STANDARD: Deshalb ja die Perspektive des Aufbaus riesiger Solarparks in Wüstenregionen, von Windparks in stürmischen Zonen.

Indra: Dann muss man den Strom aber erst zu uns bringen. Jedenfalls, zusätzlichen sauberen Strom gibt es nicht, denn der ist nicht regelbar. Nur Strom aus einem Kohle- oder Gaskraftwerk kann ich regeln – das Kraftwerk läuft halt dann stärker oder schwächer. Heißt: Der Strom für die E-Mobilität ist dreckig.

STANDARD: Der Wirkungsgrad bei E-Autos ist besonders hoch, die Batterietechnologie hat enorme Fortschritte gemacht, die Energiedichte wächst stetig. Ist es nicht schon deshalb logisch, künftig auf Verbrenner zu verzichten?

Indra: Das ist ja absolut falsch. Als Wissenschaftler hat man die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das gesamtheitlich zu sehen. Ich kann nicht nur sagen, der Elektromotor an sich – den ich ja auch liebe – hat einen hervorragenden Wirkungsgrad. Super. Zählt man aber alles zusammen, ist der Wirkungsgrad im direkten Vergleich praktisch identisch.

Elektromotoren haben einen enorm hohen Wirkungsgrad. Das ist für Indra aber nur ein Teil der Gesamtrechnung.
Mercedes-Benz

STANDARD: Zu den E-Fuels. Ist der energetische Aufwand zu deren Erzeugung nicht viel zu hoch?

Indra: Das Argument wird immer benutzt von E-Auto-Fanatikern. Ist natürlich Unsinn. Man darf gar nicht daran denken, E-Fuels in Europa herzustellen, sondern in geeigneten Regionen, dann wird es preiswert. Sie haben ei­ne große Zukunft, ich kann sie verwenden für den ganzen verbrennermotorisierten Bestand global, mit der vorhandenen Infrastruktur. Noch wichtiger: Es ist ein Energiespeicher.

STANDARD: Einerseits legt in der EU Elektro bei Neuzulassungen heuer bisher auf 15 Prozent zu, erstmals vor Diesel, andererseits prognostizieren Experten, nach Wegfall der Förderungen werde sich der Marktanteil zwischen zehn und 15 Prozent einpendeln. Er wächst jedenfalls bei Weitem nicht so rasch, wie die Politik das gerne hätte.

Indra: Der Marktanteil im Gesamtbestand ist ja lächerlich, liegt in Deutschland bei 1,5 Prozent, in Österreich bei zwei. Hätte man die E-Mobilität nicht gefördert, gäbe es sie gar nicht. Erst nachdem die Förderungen eine unglaubliche Höhe erreicht haben, kam Bewegung in die Szene. Die Deutsche Bank hat ausgerechnet, dass dem Staat jedes Elektroauto 20.000 Euro kostet. In Österreich ein Plug-in-Hybrid 30.000, weil da noch die NoVA wegfällt.

Pilotanlage Haru Oni in Punta Arenas, Chilenisch-Patagonien: E-Fuels dort herstellen, wo die Rahmenbedingungen günstig sind.
Porsche

STANDARD: In Österreich wurden bis Ende Juni 23.372 E-Autos neu zugelassen, 18,4 Prozent des Gesamtmarktes – nach 12,9 Prozent Jahresanteil 2022. Die einen sagen, der Trend bestätige die Mobilitätswende, andere meinen, die Nachwirkungen der Lieferproblematik verzerre das Bild.

Indra: Natürlich Letzteres. Vom Fahrzeughandel höre ich: Entfallen die Förderungen, ist tote Hose. Meine Schätzung: Der Marktanteil pendelt sich auf 15 zu 85 Elektro/Verbrenner ein. Schon jetzt stehen Abertausende E-Autos auf Halde. Und nun ein ganz entscheidender Punkt. Wie viele E-Autos will die EU 2030 auf der Straße haben? 15 Millionen? Rechne ich 15 Prozent pro Jahr zusammen, komme ich bestenfalls auf vier bis fünf Millionen. Spätestens dann fällt der große Hammer, muss die Politik bekennen: Wir haben uns fürchterlich verspekuliert, denn wir haben nicht mit dem Kunden gerechnet, der diese Autos nicht will.

Frans Timmermans, EU-Kommissar für Klimaschutz, ist sozusagen das Gesicht zum Verbrenner-Verbot ab 2035.
AP/Julien Warnand

STANDARD: Firmenkunden machen etwa 80 Prozent der E-Auto-Kundschaft aus. Angesichts der Strompreise an Schnelladern schnellen die Kosten in die Höhe und fressen die restlichen Begünstigungen auf. Orten Sie eine Tendenz zum Ausstieg aus dem Einstieg?

Indra: Natürlich. Warum soll wer mehr bezahlen, wenn er was anderes kriegen kann, das für ihn praktischer ist, mit dem er in fünf Minuten getankt hat, zumal Diesel langsam wieder billiger wird, Strom aber nicht? Macht ein Geschäftskunde diese Rechnung auf, lautet der Schluss: Der Diesel wird nur von der Politik schlechtgemacht, die modernen Motoren sind sauber, sparsam. Deshalb: Ohne einen Plan B – weiter am Verbrenner entwickeln – bricht die Autoindustrie in wenigen Jahren zusammen, weil keiner mehr ein Auto kauft.

Lithium, Kobalt etc.: China hat die Hand auf den Rohstoffen, das Land verschafft sich dadurch schon eine strategisch günstige Position.
Volkswagen

STANDARD: Stichwort Rohstoffe und Technologie: Begeben wir uns gerade von einer Abhängigkeit – Ölproduzenten – zur nächsten – China?

Indra: Noch viel schlimmer, weil es keine Alternative gibt. China hat die Hand auf den Rohstoffen, vergibt sie billig im Inland, verkauft sie teuer ins Ausland. Auch deshalb hat Europa in der Zellfertigung keine Chance. Ein Schwachpunkt, den nie einer gesehen hat.

STANDARD: China ist erstmals der größte Autoexporteur der Welt. Macht Ihnen das Sorgen?

Indra: Unglaublich, wie schnell die gelernt haben. Der Overkill ist aber die Verlautbarung von Geely, Aramco und Renault, in Europa 17 Motorenwerke zu errichten und die Motoren allen möglichen Hersteller zu verkaufen. Man stelle sich vor: Die bauen in einem Kontinent, wo der Verbrenner verboten wird, 17 Werke hin mit ganz neuen Motoren. Auch deshalb bin ich überzeugt: Das Verbrennerverbot wird bald kippen, der Rückzieher kommt. (Andreas Stockinger, 4.8.2023)