Bauarbeiter arbeiten trotz extremer Hitze
Das Arbeitsrecht muss sich an den Klimawandel anpassen, fordert die Arbeiterkammer.
Heribert Corn

40 Grad in Krankabinen, Tropenhitze bei Asphaltarbeiten, der Sommer hatte schon viele Hitzetage. Mit steigenden Temperaturen steigt auch das Risiko von Arbeitsunfällen. Angesichts der immer größeren Hitze hat die Arbeiterkammer (AK) eine Anpassung des Arbeitsrechts gefordert. In der aus den 1990er-Jahren stammenden Arbeitsstättenverordnung seien etwa nur Mindesttemperaturen geregelt, die vorgesehenen Höchsttemperaturen seien hingegen nur Soll-Bestimmungen, sagt AK-Direktorin Silvia Hruška-Frank. Nicht klar sei derzeit unter anderem, ab welcher Temperatur die Arbeit abgebrochen werden kann, um die Gesundheit zu schützen.

"Der Klimawandel ist gekommen, um zu bleiben. Das, was war wir jetzt haben, ist die Basis, es wird nicht mehr besser", sagte der Meteorologe Andreas Jäger am Mittwoch bei einem Pressegespräch der Arbeiterkammer. Global ist der Juli 2023 sogar der heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen. Je nachdem, wie schnell und in welchem Ausmaß Klimaschutz umgesetzt werde, stelle sich nun die Frage: "Wird es ein bisschen ärger oder richtig arg?" Die Zahl der Hitzetage mit mehr als 30 Grad hat sich laut Geosphere Austria in den vergangen Jahrzehnten bereits verdoppelt bis verdreifacht. Ohne globale Klimaschutzmaßnahmen sei in Österreich bis zum Ende des Jahrhunderts eine weitere Verdoppelung bis Verdreifachung zu erwarten.

Neue klimatische Bedingungen

"Der Sommer wie damals, in den 70er-, 80er-Jahren, den gibt es nicht mehr", sagte Jäger. Die heißeren Temperaturen führen auch zu stärkeren und häufigeren Stürmen, weil warme Luft viel mehr Wasserdampf aufnehme. "Wenn diese Wasserdampfmoleküle wieder kondensieren zu Wassertröpfchen, also Wolken und Regen, dann ist irrsinnig viel Energie für Stürme und für Starkregen da", erklärt der Meteorologe. Auch hier sei bereits statistisch bewiesen, dass solche Tage mit Starkregen heute wesentlich häufiger vorkommen als früher. Angesichts der neuen klimatischen Bedingungen sei es deshalb wichtig, sich als Gesellschaft an den Klimawandel anzupassen.

Die AK hat eine Broschüre veröffentlicht, in der 41 häufige Fragen zu den Auswirkungen der Klimakrise auf die Arbeitswelt beantwortet werden. An einer Anpassung des Arbeitsrechts, sodass es die Folgen des Klimawandels abbildet und Rechtssicherheit gibt, führe aber kein Weg vorbei. Dem Vorschlag, eine "Siesta" einzuführen, also eine längere Arbeitspause über die Mittagsstunden, erteilt AK-Direktorin Hruška-Frank jedoch eine Absage: Die Siesta sei in Form von geteilten Diensten etwa aus dem Handel, der Pflege und dem Tourismus bekannt.

Rechtsanspruch auf Hitzefrei am Bau

"Wir wissen, wie belastend das ist, weil viel mehr vom Tag von der Arbeitszeit besetzt wird." Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wüssten oft etwa nicht, wo sie diese Zeit verbringen sollen, "es ist genauso belastend, wenn man sich unbezahlt drei Stunden in Wien die Zeit vertreiben muss, ungeschützt vor der Hitze, und dafür noch später nach Hause kommt". Über einen früheren Dienstbeginn, und entsprechend ein früheres Dienstende, könne je nach Branche und individuellen Bedürfnissen der Beschäftigten hingegen durchaus nachgedacht werden.

Relativ schnell könnten laut Hruška-Frank die Regelungen zur Leistungsverweigerung bei Überstunden angepasst werden, auch ein Rechtsanspruch auf Hitzefrei am Bau bei 32,5 Grad könnte rasch umgesetzt werden. Weiters notwendig sei eine konzise Regelung für freiwillige Helferinnen und Helfer, etwa bei der Feuerwehr, oder ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der Kindergarten nicht erreichbar oder zugesperrt ist, etwa aufgrund eines Murenabgangs. "Es gibt ein paar Dinge, wo man als Gesetzgeber rasch eingreifen könnte", sagte die AK-Direktorin. Komplexere Sachverhalte will Hruška-Frank mit der Wirtschaftskammer (WKÖ) in sozialpartnerschaftlichen Gesprächen in den kommenden Wochen behandeln. Auch Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) solle sich diesem Thema annehmen, so die AK-Direktorin.

Unterstützung für italienische Arbeitende

Italien hat indes am Mittwochabend Maßnahmen zur Unterstützung von Beschäftigten und Unternehmen angekündigt, die von extremen Klimaereignissen betroffen sind. Die rechtsgerichtete Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni verabschiedete ein Dekret, das Bau- und Landwirtschaftsunternehmen erlaubt, ihre Mitarbeitenden in Gebieten mit hohen Temperaturen vorübergehend auf Kurzarbeit Null zu setzen.

Für dieses Dekret, das für dieses Jahr gilt, macht die Regierung zehn Millionen Euro locker. Über diese Maßnahme hatte sich davor Arbeitsministerin Marina Calderone mit den Gewerkschaften geeinigt. Italien ist seit Tagen mit hohen Temperaturen konfrontiert. (APA, red, 28.7.2023)