Ingeborg Hödl wohnt an zwei Orten. Als sie das Zimmer in Spitz an der Donau das erste Mal betrat, sagt sie, war es um sie geschehen.

"Ich liebe ja Landkarten! Die Schullandkarte hinter mir stammt aus dem Jahr 1924 und zeigt den gesamten Donauverlauf, vom Ursprung des Flusses im Schwarzwald bis hinunter ins Donaudelta in Rumänien und der Ukraine. Wie es der Zufall will: Die hing schon hier an der Wand, als ich das Zimmer zum allerersten Mal betreten habe. Wenn das keine Fügung des Schicksals ist! Ich bin ja Site-Managerin des Weltkulturerbes Wachau, die Donau ist also auch eine berufliche Leidenschaft, da musste ich zuschlagen.

Wohngespräch mit Ingeborg Hödl, Credits: Lisi Specht
Die Donau hat für Ingeborg Hödl eine besondere Bedeutung, das zeigt sich auch bei ihr daheim. Dort hängt eine Karte, die den gesamten Donauverlauf zeigt.
Lisi Specht

Seitdem wohne ich also an zwei Orten, in Wien-Währing und hier draußen in Spitz an der Donau, wo ich zu Fuß in die Arbeit gehen kann. Zunächst habe ich mich nach einer kleinen, klassischen Mietwohnung in der Region umgesehen, damit ich nicht täglich pendeln muss, aber was ich am Markt vorgefunden habe, hat mich irgendwie nicht glücklich gemacht – zu teuer, zu groß oder zu weit weg. Über eine Empfehlung bin ich dann auf diese kleine Zimmervermietung in Spitz gestoßen: Haus zum Prater. Ich habe mir zwei Zimmer angeschaut, musste nicht lange überlegen, es war Liebe auf den ersten Blick.

Wohngespräch Ingeborg Hödl
Ingeborg Hödl empfindet den wilden Mix in ihrem Zuhause als Inspiration und Bereicherung, wie sie sagt.
Lisi Specht

Das Haus ist über 170 Jahre alt und wurde angeblich auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Mühle errichtet. Vor den Fenstern fließt der Mieslingbach vorbei, es rauscht Tag und Nacht und ist im Sommer herrlich kühl. Früher war das ein Gasthaus mit ein paar Fremdenzimmern im ersten Stock. Ich bin selbst im Gastgewerbe aufgewachsen, meine Eltern hatten ein Hotel und Restaurant in Amstetten, und so hatte das Haus zum Prater auf Anhieb etwas Vertrautes.

Zu Beginn habe ich hier tage- und wochenweise gewohnt, bin immer wieder hin- und hergependelt, habe jedes Mal aufs Neue ein- und wieder ausgecheckt. Eines Tages hat mich der Vermieter gefragt, ob wir uns nicht auf eine Dauerpauschale einigen möchten. So kam es dann auch. Ich nutze dieses Zimmer mit eigenem Bad, manchmal setze ich mich zum Lesen oder Arbeiten aber auch in den Hof, runter in die Bibliothek oder auch in die ehemalige Gaststube, überall hängen ausgefallene zeitgenössische Kunstwerke an den Wänden. Und dann kommt man ins Gespräch mit anderen Gästen und plaudert über Gott und die Welt. Ich mag das sehr.

Wohngespräch Ingeborg Hödl
Die Einrichtung im Zimmer von Ingeborg Hödl hat sich über die Jahre angesammelt.
Lisi Specht

Die Einrichtung ist eine schöne Mischung, was sich im Laufe des Lebens halt so ergibt. Die Stehlampe, das Tischerl und die beiden Fauteuils stammen von der Tante Frieda aus Waidhofen an der Ybbs, die eigentlich meine Großtante war. Das schwarze Bakelit-Telefon war ein Geschenk meines Vaters, und der Plastikhummer war in unserem Restaurant in Amstetten öfter als Buffetdeko im Einsatz. Ein Freund von mir hat das Telefon und den Hummer gesehen, musste sofort an das berühmte Lobster Telephone von Salvador Dalí denken, und schon war das Arrangement fertig. Dieses Zimmer ist eine Collage aus Zeitschichten und Zufällen. Ich empfinde den wilden Mix als Inspiration und Bereicherung.

Wohngespräch Ingeborg Hödl
Der Plastikhummer war früher einmal Buffetdeko, jetzt erinnert er in Kombination mit einem Telefon an das "Lobster Telephone" von Salvador Dalí.
Lisi Specht

So wie auch die Wachau eine Landschaft aus vielen unterschiedlichen Zeitschichten ist. Die Wachau, seit 2000 Unesco-Weltkulturerbe, ist eine einzigartige Kulturlandschaft mit Weinterrassen und Trockensteinmauern, die sich über viele Jahrhunderte entwickelt hat. Diese Symbiose aus Mensch und Natur, aus kultivierter und natürlicher Landschaft hat eine unglaubliche Kraft. Besonders reizvoll empfinde ich hier auch den Winter, wenn über der Donau der Nebel aufsteigt. Ich wünsche mir, dass dieser einzigartige Charakter und Zauber auch künftig erhalten bleiben kann. Mein Job ist es, genau das zu sichern.

Jetzt werden Sie mich sicher fragen, ob ich einen persönlichen Wunsch für die Zukunft habe. Natürlich! Eines Tages möchte ich die Donau mit einem kleinen Boot entlangfahren – von der Quelle bis ins Delta. Außerdem hätte ich gerne mehr Platz für die schönen Dinge, die sich im Leben so ansammeln – und für den weißen Flügel meiner Eltern, der heute noch in Amstetten steht." (PROTOKOLL: Wojciech Czaja, 7.8.2023)