Im Garten ihres 99 Jahre alten Dornröschenhauses im 16. Bezirk vergisst Elisabeth Oberzaucher Raum und Zeit.

"Gefunden haben wir die Wohnung im Herbst 2014. Beim Besichtigungstermin war mein Mann Bernhard allerdings gerade verreist. Es war eine Massenbesichtigung, es waren sicherlich an die 30 Leute da. Ich habe mich in der Sekunde in den Garten verliebt, sofort meinen Mann angerufen und gefragt: 'Vertraust du mir? Wenn ja, dann haben wir jetzt eine neue, 130 Quadratmeter große Mietwohnung!' Ich bin gleich zur Maklerin, und während die anderen noch geschaut und gegrübelt haben, habe ich zugeschlagen. Ich hasse Massenbesichtigungstermine, das hat etwas zutiefst Unmenschliches. Aber wir sind mehr als happy, dass ich in dieser Stresssituation so und nicht anders gehandelt habe.

Elisabeth Oberzaucher im Garten ihres Wohnhauses in Wien-Ottakring.
Die Eternitfassade liebt Elisabeth Oberzaucher, denn sie wirkt auf sie wie ein "urzeitliches Reptil".
Lisi Specht

Wir sind hier im 16. Bezirk, in einem wunderschönen, von Patina gezeichneten Haus am Stadtrand. Tatsächlich wurde es erst 1924 errichtet, feiert also gerade sein 99-jähriges Bestehen, aber es hat etwas Jahrhundertwendemäßiges, etwas Gründerzeitliches, die meisten Menschen schätzen es viel älter. Hier hinten, auf der Gartenseite, wirkt es wie ein verträumtes Dornröschenschloss, das man aus dem Schlaf reißen und wachrütteln möchte. Und dennoch freut man sich, dass es so ungestört vor sich hin schlummert.

Ich mag diese Eternitfassade. An sich ist Eternit ja nichts Außergewöhnliches, sieht man auf dem Land alle paar Meter, aber in dieser Konstellation, in dieser Schuppigkeit und dreidimensionalen Überlagerung haben die Faserzementplatten echt was von einem urzeitlichen Reptil. Und so wie die Fassade hat auch der Garten auf der Rückseite des Hauses etwas Steiniges, etwas Jurassic-Park-Haftes. Wenn ich mich mit einem Kaffee hinaussetze, vergesse ich Raum und Zeit und falle in eine unglaubliche Entspannung und Entschleunigung hinein.

Pflanzen und das Haus von der Rückansicht.
Für die Wohnung selbst hat Oberzaucher sich entschieden, noch bevor die Massenbesichtigung zu Ende war.
Lisi Specht

Ich habe Biologie studiert und in meiner Diplomarbeit untersucht, welche Auswirkungen Grünpflanzen auf die kognitive Leistungsfähigkeit von uns Menschen haben. Wie untersucht man so etwas? Am besten anhand einer Stresssituation! Also habe ich mich entschieden, die Studie in drei Fahrschulen zu machen – und zwar mit insgesamt 400 Probanden und Probandinnen, die ihre Theorieprüfung mal mit und mal ohne Pflanzen im Raum absolvieren mussten. Sie können sich das Ergebnis vorstellen! Pflanzen machen uns zwar nicht zum Einstein, aber sie sorgen dafür, dass man sich besser konzentrieren und die Antworten schneller und effizienter erarbeiten kann.

Das Wohnzimmer und die Möbel von Elisabeth Oberzaucher
Die meisten Möbelstücke in Elisabeth Oberzauchers Mietwohnung stammen von der Familie, waren Geschenke oder Erbstücke.
Lisi Specht

Was ich besonders schön finde: Das ist ein Gemeinschaftsgarten, nicht nur für die Leute, die hier im Haus wohnen, sondern auch für die angrenzenden Nachbarn. Wir treffen uns regelmäßig, und wenn wir zu mehrt sind, weichen wir in einen anderen, größeren Garten im Nachbarhaus aus. Irgendwann einmal hat uns der Umweg über die Straße genervt – und so haben wir in Absprache mit den Grundstückseigentümern beschlossen, den Zaun zu öffnen und eine Tür einzubauen. Eigentlich steht sie eh die ganze Zeit offen.

Was das Innere betrifft, die Einrichtung, so stammen die meisten Möbel aus der Familie, sind Geschenke und Erbstücke, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Es ist ein gewachsenes System, meine Urgroßmutter ist verantwortlich dafür, dass wir ein Bett haben. Alte Dinge sind etwas Schönes. Sie dürfen so lange sein, bis sie zusammenbrechen. So wie wir Menschen.

Eine Leiter für die Katze und ein mit einem Ast verzierter Luster.
Eine Leiter für die Katze und ein mit einem Ast verzierter Luster.
Lisi Specht

Neben all den selbstverständlichen Funktionen, die ein Zuhause übernimmt, ist dieser Ort für mich auch ein Regenerationsraum. Ich gebe zu: Ich liebe die Öffentlichkeit, ich bin wohl dazu geboren, ich mag die Bühne, das Rampenlicht, das Publikum, die Zusammenarbeit mit Medien, sonst würden wir jetzt auch nicht hier sitzen und ein Wohngespräch führen. Aber irgendwann muss man die Tür zumachen und sich in seine eigene Bubble zurückziehen, um die Batterien wieder aufzuladen. Und dieser Garten hier, der ist eine wirklich wunderbare Bubble." (Wojciech Czaja, 14.8.2023)