Hand aufs Herz: Wie viele Menschen kennen Sie, die sich ohne Wenn und Aber als glücklich bezeichnen würden? Eine streng subjektive Umfrage im Freundes- und Bekanntenkreis hat ergeben: Zumindest bei mir sind es derzeit nicht viele. Die einen kiefeln an familiären Konflikten, sind entweder ungewollt Single oder in einer unglücklichen Beziehung.

Die anderen hadern mit Jobs, in denen sie sich nicht selbst verwirklichen können, mit Krieg und Klimakrise, und sie machen sich Sorgen, ob sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten noch ein kleines bisschen Wohlstand ausgeht. Schon klar – ein bisschen Sudern gehört in Österreich zum Smalltalk dazu. Die dahinterliegenden Sorgen sind dennoch greifbar. Warum sind die alle so unglücklich?

Auch der permanente Druck, glücklich zu sein, kann unglücklich machen.
Einfach mal herumhängen: Auch der permanente Druck, glücklich zu sein, kann unglücklich machen.
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Dabei gäbe es doch auch Gründe, glücklich zu sein. Wir haben mehr Möglichkeiten, unser Leben nach unseren Wünschen zu gestalten, als die Generationen unserer Eltern und Großeltern. Viele gesellschaftliche Zwänge, die einst das Leben einschränkten, sind hierzulande passé. Und wir haben die Möglichkeit, gesünder zu leben und länger fit zu sein als frühere Generationen.

In der Theorie sind die Dinge, die uns glücklich machen, bekannt. Ganze Bibliotheken ließen sich damit füllen. Sogar Aristoteles hat sich schon damit befasst und das Glück zum höchsten Lebensziel auserkoren. Zu den Faktoren zählen psychische und körperliche Gesundheit, gute Beziehungen, die Möglichkeit der Selbstbestimmung. Es ist ein großer, bunter Strauß an Einflussfaktoren, die wir nicht alle selbst in der Hand haben – und die obendrein höchst individuell sind.

Das Glück messen

Das Glück lässt sich dennoch messen. Für den "World Happiness Report" wird das Glück jährlich auf der ganzen Welt erhoben – in diese Erhebung fließen allerdings unterschiedliche Bewertungskriterien und nicht nur das subjektive Glücksempfinden der Befragten ein. Finnland führt das Ranking seit Jahren an. Österreich lag heuer auf Platz elf, im letzten Jahr schon ist es aus den Top Ten geplumpst.

Werden Menschen in Österreich immer unglücklicher? Das lässt sich nicht eindeutig beantworten, sagt die Psychologin Melanie Hausler, die zum Glück forscht und das Buch Glückliche Kängurus springen höher geschrieben hat. Es gebe da keinen linearen Verlauf. Klar ist aber: Seit dem ersten Corona-Jahr 2020 ist die Lebenszufriedenheit – das ist eine wichtige Komponente des Glücks – geringfügig gesunken. Dennoch ist die Mehrheit der Menschen laut Studien zufrieden. Wenig bis gar nicht zufrieden seien laut Umfragen hierzulande nur etwa acht Prozent der Menschen. Das ist zwar nicht nichts – aber eben auch nicht die große Masse.

Früher war alles besser

Früher war trotzdem nicht alles besser, auch wenn Großeltern das gern behaupten. Es gebe häufig eine Verzerrung in der Erinnerung, betont Hausler. Was für das Glücklichsein heute aber tatsächlich nicht förderlich ist: Immer öfter würde der Druck verspürt, ständig und maximal glücklich sein zu müssen, was gehörig nach hinten losgehen und sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken kann.

Etwa durch das ständige Vergleichen mit anderen. Auf Instagram und Co wird man mit Fotos aus einer perfekten, sorgenfreien Welt Tag für Tag geflutet. Ein häufiger Effekt: "Viele gewinnen den Eindruck, allen anderen gehe es besser und sie hätten ein spannenderes Leben", sagt Hausler – ein Irrglaube, der nicht gut für die Psyche ist. Eine übermäßige Nutzung von sozialen Medien und häufiges Vergleichen trägt laut Studien zu Stress und psychischen Erkrankungen bei.

Und dann ist die Lage auf der Welt auch noch nicht gerade zuträglich fürs Gemüt. Die Klimakrise macht sich immer deutlicher bemerkbar, und nicht weit von Österreich herrscht Krieg. "Wenn man glaubt, die Welt allein retten zu müssen, führt das zwangsläufig zu Überforderung und Unzufriedenheit", sagt die Expertin.

Es gehe daher darum, sich darauf zu konzentrieren, was im eigenen Einflussbereich liegt, sagt Hausler. Sie empfiehlt, sich Bereiche zu suchen, die man verändern kann, etwa indem man sich ehrenamtlich engagiert, um ein für das Glück wichtiges Bedürfnis zu erfüllen: die Selbstwirksamkeit. Soll heißen: Ich kann etwas verändern.

Was kann ich tun?

Es helfe auch, über unangenehme Gefühle zu sprechen, um ihnen Raum zu geben und sie zu bewältigen. Aber eben nicht nur: "Es ist auch wichtig, den Fokus auf das Positive zu lenken", sagt Hausler, Positives zu priorisieren und damit die Resilienz, also die innere Widerstandsfähigkeit, zu stärken. Hierfür sei wichtig, aktiv positiven Aktivitäten und Menschen Raum zu geben, um den Effekten der negativen Einflüsse im Leben entgegenzuwirken.

Ein Blick in den Freundes- und Bekanntenkreis zeigt oft, dass es Menschen gibt, die sich mit dem Glücklichsein ein bisschen leichter zu tun scheinen als andere. Ja, auch die Persönlichkeitsstruktur spiele eine Rolle, bestätigt Hausler. Hauptsächlich gehe es aber um angelernte Verhaltens- und Denkmuster, die mehr oder weniger glücklich machen. Die gute Nachricht ist: Glück lässt sich lernen. Die schlechte: Glück ist viel Arbeit – und hartes Training, fast wie im Fitnessstudio.

Viel Schlaf, gute Ernährung und ausreichend Bewegung gehören ohnehin zum Standardprogramm fürs Glücklichsein. Für das Training empfiehlt Hausler aber zum Beispiel auch positive Tagesrückblicke, also dass man abends jene Dinge Revue passieren lässt, die gut gelaufen sind, und sich außerdem fragt, was man selbst dazu beigetragen hat, dass es ein positives Erlebnis war. "Damit werden die Glücksgefühle noch einmal reaktiviert."

Urlaub im Alltag

Hilfreich seien auch "Mini-Urlaube". Darunter versteht die Expertin positive Aktivitäten im Alltag – eine nette Mittagspause, ein Sprung in den See am Abend nach der Arbeit, ein Treffen mit einer Freundin. Damit diese kleinen Termine im Alltagsstress nicht auf der Strecke bleiben, kann es helfen, sie vorab genau zu planen – und dann wie einen Arbeitstermin in den Kalender zu schreiben.

Und auch das Fühlen lässt sich trainieren. Denn oft ist man gerade in den schönen Momenten, die einen glücklich machen könnten, abgelenkt – vom Blick aufs Handy, vom Gedanken an die wichtige Abgabe am nächsten Tag.

Achtsamkeitsübungen können helfen, den Fokus auf das Hier und Jetzt zu legen. Eine solche Übung: sich im Park auf eine Bank setzen, die Bäume und die Vögel beobachten – und nur wahrnehmen, ganz ohne zu bewerten. Das klingt leicht? Probieren Sie es aus. Anfangs, weiß Hausler, schaffen viele das nur einige Sekunden lang, ohne dass die Gedanken wieder abschweifen. Mit ausreichend Training wird das aber leichter.

Wohlgemerkt: Das Ziel dieses Trainings ist nicht das Erreichen eines permanenten Glücksgefühls. "Das Glück ist dynamisch", betont Hausler – und das sei gut so: "Wenn jemand zu mir in die Praxis kommt und sagt 'Ich fühl mich nie schlecht', mache ich mir Sorgen, denn da fällt eine wichtige Schutzfunktion der unangenehmen Gefühle weg."

Gutes Bauchgefühl

Wichtig ist: Der Übergang zwischen temporärer Unzufriedenheit und einer psychischen Erkrankung ist ein fließender. Wichtig sei der Vergleich mit sich selber, sagt Hausler – und die Frage: Ging es mir schon immer so, wie es mir gerade geht? Oftmals falle der Verlust von Zufriedenheit mit einem kritischen Lebenseinschnitt zusammen.

Normal sei ein durchschnittliches Verhältnis von positiven zu unangenehmen Gefühlen im Verhältnis 3:1. "Ein Verhältnis von 1:1 reicht nicht", betont die Psychologin, die aus Erfahrung weiß: Viele suchen erst sehr spät Hilfe in Form einer Therapie, wenn sich aus einer Unzufriedenheit bereits eine psychische Erkrankung entwickelt hat.

Das Glück, es ist ein lebenslanger Prozess. Und auch das, was uns konkret glücklich macht, wandelt sich im Laufe eines Lebens immer wieder. "Die meisten werden zustimmen, dass sie am Ende ihres Lebens mit einem guten Bauchgefühl darauf zurückschauen wollen", sagt Hausler. Und dafür, etwas für dieses Bauchgefühl zu tun, ist es nie zu spät. (Franziska Zoidl, 19.8.2023)