Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Olaf Scholz am Freitag in Salzburg.
Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Olaf Scholz am Freitag in Salzburg.
IMAGO/Frank Ossenbrink

Der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz muss sich wegen des Verdachts der Falschaussage vor Gericht verantworten. Gegen Kurz sei ein Strafantrag gestellt worden, teilte die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption am Freitag mit. Ihm und zwei weiteren Angeklagten wird vorgeworfen, vor dem Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre falsch ausgesagt zu haben. Das Verfahren soll nach Angaben des Landesgerichts für Strafsachen Wien am 18. Oktober beginnen. Falschaussage kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.

Video: Sebastian Kurz wegen Falschaussage angeklagt.
APA

Kurz selbst teilte auf X, vormals Twitter, mit, von Journalisten über einen bevorstehenden Strafantrag informiert worden zu sein. Er betonte, die Vorwürfe seien falsch, er und sein Team freuten sich, "wenn nun endlich die Wahrheit ans Licht kommt und sich die Anschuldigungen auch vor Gericht als haltlos herausstellen". Die Reaktionen von Personen außerhalb des engsten Kreises des Ex-Kanzlers fallen freilich anders aus.

SPÖ: Nehammer setzt System Kurz fort

Der SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer, der die Fraktion der Sozialdemokraten im Untersuchungsausschuss geleitet hatte, sagte in einer Aussendung: "Sebastian Kurz hat sich moralisch in vielfältiger Weise disqualifiziert. Jetzt geht es um die strafrechtliche Relevanz. Er hat die Unwahrheit gesagt. Ein Richter wird nun klären, ob er absichtlich oder unabsichtlich die Unwahrheit gesagt hat."

Den gestellten Strafantrag gegen Kurz nutzte Krainer auch für Kritik am aktuellen Bundeskanzler Karl Nehammer. "Jeder, der geglaubt hat, dass Bundeskanzler Nehammer mit dem System Kurz bricht, wurde eines Besseren belehrt. Nehammer ist selbst Teil des Systems Kurz. Wenn er aufräumen würde, dann müsste er bei sich selbst anfangen." Laut Krainer würde Nehammer seit einem halben Jahr die Herausgabe von Daten an die WKStA verhindern – und damit auch die Aufklärung.

FPÖ sieht "Spitze des Eisbergs"

Die Anklage gegen Kurz werde wohl nur "die Spitze des Eisberges sein, wofür sich dieser nun vor dem Richter verantworten muss", sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. "Die Freiheitliche Partei setzt ihr Vertrauen ganz in die Justiz und deren Ermittlungsarbeit. Nun sind die Gerichte am Zug. Es gilt auch hier die Unschuldsvermutung."

Hafenecker fordert die Beibehaltung der Wahrheitspflicht in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. "Nicht umsonst hatte ÖVP-Parlamentspräsident Sobotka die Wahrheitspflicht ernsthaft hinterfragt", sagte er. "Wenn sie wirklich fällt, sind parlamentarische Untersuchungsausschüsse zahn- und wirkungslos."

ÖVP: Vorwürfe stehen offenbar auf schwachen Beinen

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker wies in einer Aussendung darauf hin, dass es sich um einen Strafantrag und kein Urteil und keinen Schuldspruch handle. "Nach Jahren der Anschuldigungen soll Sebastian Kurz nun endlich die Gelegenheit bekommen, sich vor einem unabhängigen Gericht zu verteidigen. Es ist wichtig, dass es endlich zur Klärung der Vorwürfe kommt", sagte Stocker.

Und weiter: "Dass das Verfahren so lange in Schwebe war, zeigt, dass die Vorwürfe offenbar auf sehr schwachen Beinen stehen. Bemerkenswert ist, dass die Ermittlungen derart lange gedauert haben und die Medien wieder einmal lange vor den Betroffenen über die weiteren Verfahrensschritte informiert waren. Das beweist einmal mehr, dass es in diesem Bereich dringenden Reformbedarf gibt. Es braucht kürzere Verfahren und einen angemessenen Anspruch auf Schadenersatz bei Freisprüchen."

Kanzler Nehammer klang bei einer Pressekonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen Olaf Scholz am Freitag in Salzburg ähnlich. "Wenn es so weit ist, besteht jetzt endlich die Möglichkeit der Aufklärung für alle betroffenen Personen und die Gelegenheit, tatsächlich diese Aufklärung anzustreben", sagte er.

Grüne vertrauen auf Justiz

"An Tagen wie heute zeigt sich einmal mehr: Die Justiz arbeitet ohne Ansehen der Person und ermittelt unabhängig", reagierte der Koalitionspartner der ÖVP, die Grünen, in einer schriftlichen Stellungnahme. "Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz, die wird in Ruhe und mit der gebotenen Seriosität arbeiten."

Aufklärung und Transparenz seien jetzt die entscheidenden Punkte. "Angriffe und Unterstellungen gegen die Justiz und den Rechtsstaat sind jetzt – wie auch sonst – nicht sinnvoll und unpassend", hieß es weiter in der Aussendung.

Neos hoffen auf neues Vertrauen in Institutionen

Douglas Hoyos von den Neos sagte auf X, vormals Twitter: "Jetzt gilt es, die Justiz in Ruhe arbeiten zu lassen – ohne Versuche, die Justiz und dieses Verfahren durch türkise Querschüsse behindern zu wollen. In der Kanzlerschaft von Kurz ist zu viel Vertrauen in die Politik und die Institutionen verloren gegangen. Dieses Verfahren kann dazu beitragen, jenes Vertrauen wiederherzustellen. Dieses Verfahren kann dazu erst der Anfang sein. Denn mit Sebastian Kurz ist das Glaubwürdigkeits- und Vertrauensproblem, insbesondere der ÖVP, nicht verschwunden." (luza, red, 18.8.2023)