Die im Mai des Vorjahres zeitgleich zurückgetretenen Ministerinnen Margarete Schramböck und Elisabeth Köstinger (beide ÖVP) haben mit dem Institut Demox zusammengearbeitet.
APA/ROLAND SCHLAGER

Der ÖVP steht die nächste Umfragenaffäre ins Haus: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt wegen von ÖVP-geführten Ministerien in den Jahren 2021 und 2022 in Auftrag gegebener Umfragen beim Demox-Institut. Laut einer Presseaussendung der WKStA von Mittwochmittag ermittelt die Behörde wegen des Verdachts der Untreue, des Betrugs und der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen.

Konkret sollen die Meinungsumfragen vom Verteidigungs-, Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen worden sein. Ermittelt wird gegen fünf namentlich bekannte Beschuldigte und eine unbekannte Person. Drei weitere Personen werden als Angezeigte geführt. Bestätigt wurde seitens der WKStA außerdem, dass "vor kurzem" Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen an mehreren Standorten durchgeführt wurden. Daneben seien laut WKStA noch weitere Ermittlungsmaßnahmen gesetzt worden. Die "Kronen Zeitung" berichtete Mittwochvormittag von einer Hausdurchsuchung im Demox-Institut. DER STANDARD fragte auch in den betroffenen Ministerien nach, ob es dort zu Razzien gekommen ist. Sprecher des Verteidigungs-, Wirtschafts- und Landwirtschaftsministeriums sagten auf Anfrage, dass es keine Hausdurchsuchungen gegeben habe.

"Es besteht der Verdacht, dass im Namen der Bundesministerien zumindest in den Jahren 2020 und 2021 eine Reihe von Umfragen beauftragt wurde, für die keine oder nur teilweise sachliche Notwendigkeit bestand", heißt es in der Aussendung der Staatsanwaltschaft. "Gleichzeitig hatten die Umfragen auch ministeriumsfremde Fragen zum Inhalt, die zumindest zum Teil anderen Zwecken gedient haben dürften." Damit wäre der "Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der staatlichen Verwaltung verletzt" und "dem Bund mit ihrer Bezahlung ein finanzieller Schaden entstanden, dessen genaue Höhe noch Gegenstand von Ermittlungen ist".

Im Fokus des U-Ausschusses

Das Demox-Institut stand auch mehrfach im Fokus des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses. Die SPÖ witterte bereits im Vorjahr im Zusammenhang mit dem Demox-Institut eine weitere Umfragenaffäre der ÖVP. Schon länger ermittelt die Staatsanwaltschaft bekanntlich in der Causa Beinschab. Mit dem sogenannten Beinschab-Tool sollen vom Finanzministerium bezahlte Umfragen vom Team Kurz für parteipolitische Arbeit verwendet worden sein. Und auch über Demox sollen parteipolitische Inhalte abgefragt und von der ÖVP verwendet worden sein, vermutete die SPÖ damals.

Auch die nunmehrigen Ermittlungen dürfte dem Vernehmen nach die SPÖ ins Rollen gebracht haben. Fraktionsführer Kai Jan Krainer hatte mehrere Sachverhaltsdarstellungen im Zusammenhang mit dem Demox-Institut eingebracht. Unter anderem eine dem STANDARD vorliegende Sachverhaltsdarstellung vom 3. März 2022. Sie richtet sich gegen Demox-Geschäftsführer Paul Unterhuber, Meinungsforscher Franz Sommer, Kurz-Berater Stefan Steiner und den einstigen Kurz-Sprecher Johannes Frischmann wegen des Verdachts des Untreue. Laut STANDARD-Informationen gehören Sommer, Steiner und Frischmann nicht zu den Beschuldigten. Ob Unterhuber als Beschuldigter geführt wird, ist nicht bekannt.

"Wir haben der Justiz auch Akten aus dem U-Ausschuss geschickt, weil wir der Meinung waren, dass diese nicht nur politisch, sondern auch strafrechtlich relevant sein könnten", sagte Krainer zum STANDARD. In seiner Kritik vom Vorjahr sieht sich dieser aufgrund der nun bekanntgewordenen Ermittlungen bestätigt. Krainer ortet einen weiteren "Beweis, dass die ÖVP korrupt ist", die Umfragen hätten nicht der Arbeit in den Ministerien, "sondern ausschließlich der ÖVP" gedient.

Vorwürfe zurückgewiesen

Unterhuber war im Juni des Vorjahres auch als Auskunftsperson in den U-Ausschuss geladen. Damals erklärte er, für jeden einzelnen Auftrag seien "zahlreiche Leistungen" erbracht und "branchenübliche Honorare" verrechnet worden. Auch schloss er "vehement" aus, dass über sein Institut von der öffentlichen Hand finanzierte Studien für die ÖVP erbracht wurden. Verrechnungen von ÖVP-Umfragen an Ministerien habe es nicht gegeben, betonte Unterhuber. Darüber hinaus schloss er aus, dass Umfragen von seinem Institut an Dritte weitergegeben worden sein könnten. Unterhuber, einst Direktor des Wiener Bauernbunds, war politisch in Hietzing tätig, wo der jetzige Kanzler und einstige ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer die Bezirkspartei führte. Im Kuratorium von Demox saß bis 2022 Sommer, Haus- und Hof-Demoskop der türkisen ÖVP.

Elisabeth Köstinger war in jenem Zeitraum, den die WKStA untersucht, Landwirtschaftsministerin. Von den Ermittlungen ist sie nicht betroffen, sie wird weder als Beschuldigte noch als Angezeigte geführt. Köstinger will einen "klar parteipolitischen Angriff" des SPÖ-Politikers Krainer erkennen, der ja die Anzeige zu Demox eingebracht hat. Die Ermittlungen würden sie nicht überraschen, sagte Köstinger zum STANDARD: In den vergangenen Jahren habe man immer wieder dasselbe Muster erkennen können, nämlich eine Politik durch Anzeigen und darauffolgende Ermittlungen. Das vernichte die Existenz von Menschen, die jahrelang als Beschuldigte geführt würden, hohe Anwaltskosten zu tragen hätten und sich schlussendlich als unschuldig erwiesen, meint Köstinger.

Sie war schon im U-Ausschuss zu den Demox-Umfragen aus ihrem Ministerium befragt worden und gab damals an, nicht in die Erstellung von Meinungsumfragen involviert gewesen zu sein. Das wiederholt Köstinger im STANDARD-Gespräch: Es habe "aus der Zuständigkeit des Ministeriums heraus" die Notwendigkeit gegeben, und die Umfragen seien "klar begründet" gewesen. Den Demox-Chef Unterhuber kenne sie "lediglich aus Jugendorganisationen", sie habe mit ihm weder eng zusammengearbeitet noch sei man eng befreundet.

Margarte Schramböck, die zeitgleich mit Köstinger zurückgetreten war und im selben Zeitraum Wirtschaftsministerin war, hatte im Vorjahr ihren Auftritt im U-Ausschuss Corona-bedingt abgesagt. Auch Schramböck werde nicht als Beschuldigte geführt, lässt deren Anwältin auf STANDARD-Anfrage wissen.

Zahlreiche Umfragen

Im U-Ausschuss wurden auch mehrere der besagten Umfragen thematisiert. So legte Krainer etwa eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Umfrage vor, in der das Thema Steuer- und Budgetpolitik abgetestet wurde. Auch um "soziale Themen" und "innere Sicherheit" soll es gegangen sein. In einer anderen Umfrage soll für das Wirtschaftsministerium auch die Einstellung zum 1. Mai – Themenpunkt: "1.-Mai-Kampfrhetorik" – abgefragt worden sein. Außerdem wurde erfragt, welche einzelnen Politikerinnen und Politiker, darunter auch Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP), mit welchen Corona-Hilfsmaßnahmen assoziiert wurden. Der Integrationsfonds beauftragte Demox außerdem mit einer Studie zu "Sozialen Brennpunkten im Kontext von Migration und Integration" – kurz vor der Wien-Wahl 2020.

Schon vor den Befragungen im U-Ausschuss war Demox bereits im Herbst 2021 in die Schlagzeilen geraten, weil in einer Studie für das Verteidigungsministerium gefragt wurde, ob man seine Stimme eher dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) oder seinem Vize Werner Kogler (Grüne) geben würde.

Scharfe Kritik

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker weist die Vorwürfe in einer Aussendung zurück und betont, dass "alle Umfragen, die von der ÖVP beauftragt wurden, auch von der ÖVP bezahlt" wurden. Und er unterstellt der SPÖ, schuld an den Ermittlungen zu sein. "Zuerst werden Leute angezeigt, das führt zu Ermittlungen der WKStA, und dann zu Medienberichten und Empörung der SPÖ", sagt Stocker.

Scharfe Kritik kommt außerdem von FPÖ und Neos. "Zwei Dinge in diesem Universum sind grenzenlos: das Universum selbst und die korruptiven Tendenzen in Teilen der ÖVP und deren Umfeld", sagt FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. Die Hausdurchsuchung bei Demox bestätige, dass die bisher bekannten Skandale "nur die Spitze des Eisberges sein dürften".

Auch Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos spricht davon, dass die ÖVP "ein strukturelles Problem mit Korruption" habe. "Wann lernt sie endlich, dass das Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher nicht das persönliche Körberlgeld der Volkspartei ist?", fragte Hoyos und forderte rasche Aufklärung durch die Justiz, "und zwar ohne türkise Querschüsse". (Sandra Schieder, Fabian Schmid, 23.8.2023)