Schild von einer Lehrer-Demonstration mit der Aufschrift:
Mehr als 90 Prozent der Lehrer sehen Verbesserungspotenzial in ihrem Berufsalltag.
IMAGO/Eckhard Stengel

Der Lehrermangel belastet das österreichische Schulsystem – und er dürfte sich noch verschlimmern. Aus einer parlamentarischen Anfrage der Neos geht hervor, dass 2023 insgesamt über 4.000 Pensionierungen erwartet werden. Der Diskurs der vergangenen Wochen stellte vor allem das Beschaffen von neuem Lehrpersonal ins Zentrum. Doch wie steht es um die Lehrerinnen und Lehrer, die bereits an den Schulen unterrichten?

Die pinke Parteiakademie Neos Lab hat eine Umfrage bei Meinungsforscher Peter Hajek in Auftrag gegeben, die das herausfinden soll. Rund 700 Lehrerende wurden zwischen April und Mai 2023 zu großen Themenbereichen wie Arbeitsbedingungen, Verbesserungspotenzialen und Gestaltungsspielräumen befragt. Verglichen wurden die Ergebnisse mit Zahlen aus einer Umfrage von 2015. Der Altersschnitt in der aktuellen Erhebung sei repräsentativ für den österreichischen Lehrkörper, hieß es bei der Präsentation.

Hohe Unzufriedenheit im städtischen Klassenzimmer

Im Vergleich zur ersten Umfrage fällt auf: Die Lehrerschaft wird unzufriedener. Während 2015 noch insgesamt 45 Prozent "sehr zufrieden" bzw. "zufrieden" mit ihren Arbeitsbedingungen waren, sind es aktuell nur noch 33 Prozent. Am unzufriedensten sind Unterrichtende im mittleren Alter, die im städtischen Raum in Schulen mit über 500 Kindern arbeiten.

Laut Umfrage finden 93 Prozent aller Lehrer und Lehrerinnen, dass es in ihrem Arbeitsalltag Verbesserungspotenziale gäbe. In Mittelschulen gaben dies 98 Prozent an. In berufsbildenden Mittel- und Hochschulen sehen das hingegen lediglich 83 Prozent so.

Lehrerin beim unterrichten
Die Lehrerschaft wird von zu viel Bürokratie und zu wenig Gestaltungsspielraum bei ihrer Arbeit gestört.
WDR/Alamode Film

Was sich ändern müsste? Jeder zweiten Lehrerkraft nimmt die Bürokratie die Freude an der Arbeit. Zurückzuführen sei das auf den nicht ersichtlichen Mehrwert der Verwaltungsaufgaben, sagt Neos-Lab-Direktor Lukas Sustala. "Heutzutage braucht es schon fünf ausgefüllte Formulare nur für einen Schulausflug", kritisiert er. Deshalb wünschen sich 18 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer mehr Unterstützungspersonal – für genau diese bürokratischen Aufgaben.

Ab 1. September ist das Verwaltungspersonal für Schulen gesetzlich geregelt: So sollen mit Finanzierungsanteilen aus Bund und Ländern rund 700 Vollzeitstellen an allen Schulen geschaffen werden. Clemens Ableidinger, Forscher im Neos Lab, begrüßt das Vorhaben grundsätzlich, doch er glaubt nicht an eine erfolgreiche Umsetzung: Er wisse angesichts des Mangels an Arbeitskräften nicht, woher das Personal für diese Stellen kommen sollte.

Grafik zu gewünschten Veränderungen der Lehrerinnen und Lehrer
Die Änderungsvorschläge der Lehrerinnen und Lehrer.
Peter Hajek Public Opinion Strategie/ derStandard

Neben zu viel Bürokratie sind für Lehrer und Lehrerinnen fehlende Gestaltungsspielräume an den Schulen ein weiteres Erschwernis. Es gebe – spätestens seit der Corona-Krise – zu viele Erlässe und Verordnungen aus dem Ministerium und den Bildungsdirektionen, sagen zwei Drittel der Unterrichtenden. 72 Prozent wünschen sich ein Budget, über das die Schulen dann frei verfügen könnten. Im Vergleich zu 2015 ist diese Zahl allerdings rückläufig: Damals wollten sogar 82 Prozent einen solchen Geldtopf.

Ein weiteres Problemfeld, das die Pandemie sichtbar gemacht hat: mangelnde Digitalisierung sowie fehlende Schulungen für digitales Unterrichten. Nur 30 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich gut auf die Digitalisierung vorbereitet. Der gängigste Grund sei fehlender IT-Support. Lehrende in der Volksschule sehen am meisten Handlungsbedarf. Nur jeder fünfte fühlt sich vorbereitet. In der untersten Schulstufe würde es bereits an den Endgeräten scheitern.

Werden Quereinsteiger zu "Queraussteigern"?

Die Umfrage gibt auch Aufschluss über das Arbeitsausmaß der Lehrerschaft. "Volle Lehrverpflichtung oder Teilzeit?", wurde gefragt. Insgesamt 81 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer gaben an, Vollzeit zu arbeiten. Bei den unter 30-Jährigen befinden sich rund 40 Prozent in Teilzeit oder in der Eingangsphase, in der ebenfalls keine Vollzeitbeschäftigung üblich ist.

42 Prozent der Teilzeitkräfte gaben an, auf eigenen Wunsch nicht voll zu arbeiten. Den Rest der Teilzeitlehrenden würden Lösungen für die erwähnten Problemfelder zu mehr Arbeitsstunden motivieren. Verringerung der Bürokratie nannte jeder fünfte, 14 Prozent würde mehr Supportpersonal zu einer Vollzeitstelle bewegen.

Kritik gab es von den Neos an der "Klasse Job"-Initiative des Bildungsministeriums. Sie soll den Lehrermangel mit Quereinsteigern aus anderen Berufsbereichen ohne spezifische Lehrerausbildung abfedern. Das Neos Lab sieht – bestätigt durch die Umfrage – darin keine nachhaltige Lösung. Denn bereits die im System arbeitenden Lehrer fühlen sich in ihrem Berufsalltag nicht wohl. Neos-Lab-Direktor Sustala fragt sich, wie sich dann die Quereinsteiger zurechtfinden sollen. Er rechnet mit einem Bumerangeffekt, der zu "Queraussteigern" führen werde. (Luca Arztmann, 29.8.2023)