Maestro Cooper Mulligan
Man weiß noch nicht viel über den im Winter anlaufenden "Maestro", aber es soll vor allem um die Beziehung von Felicia Montealegre (Carey Mulligan) zu Leonard Bernstein (Bradley Cooper mit kontrovers diskutierter Nasenprothese) gehen.
AP/Jason McDonald

Große, lange oder schiefe Nasen gelten bekanntlich nicht erst seit gestern als unschön. Deshalb sind sie in der Bildmaschine Hollywoods, vor allem bei Frauen, eine Seltenheit. Wenn man etwa die zartbenaste Kristen Stewart als Lady Di sieht oder die Knollennase, die Nicole Kidman als Virginia Woolf aufgepickt wurde, dann darf man sich auch mal über die Optik ärgern.

Sind die Porträtierten jüdisch, geht es nicht länger nur um Optik. Im kommende Woche in Venedig Premiere feiernden Maestro spielt der irisch-italo-stämmige US-Schauspieler Bradley Cooper den US-amerikanischen, jüdischen Komponisten Leonard Bernstein. Mit Nasenprothese. Seit der Teaser im Netz aufgetaucht ist, ist die noch junge Debatte über "Jewfacing" aus den USA auch bei uns angekommen. Ähnlich wie bei "Blackfacing" geht es darum, die Darstellung von Juden und Jüdinnen durch Nichtjuden vor allem dann zu hinterfragen, wenn jüdische Identität optisch hervorgehoben wird.

"Und die Juden?"

Diese Debatte werde allerdings verharmlost, so der britische Komiker David Baddiel, der 2021 mit seinem Buch Und die Juden? (im Original: Jews Don't Count) die These vorlegte, dass eine sensible Besetzungspraxis mittlerweile bei allen Minoritäten berücksichtigt werde, nur nicht bei Juden. Auch die US-Komikerin Sarah Silverman kreidete der Unterhaltungsindustrie an, dass viele jüdische Rollen mit Nichtjuden besetzt würden. Das sei nicht per se irritierend, sondern nur dann, wenn die jüdische Identität der Person im Mittelpunkt stehe. Etwa bei der Komikerin Joan Rivers.

Sarah Silverman kritisiert "Jewfacing" in Hollywood.
The Sarah Silverman Podcast

Bedenken wie diese werden gerne als "woke" und mit dem Argument disqualifiziert, dass so in Zukunft Schauspieler und Schauspielerinnen nur Rollen annehmen dürften, die mit der eigenen ethnischen, religiösen oder sexuellen Orientierung übereinstimmen. Das Ende vom Schauspiel, heißt es dann oft, wobei gern übersehen wird, dass es sich um kein Regelwerk (nicht mal bei Amazon), sondern vor allem um den Versuch handelt, historisch diskriminierte Minoritäten in Hollywood einzubeziehen und damit für viele die Rollenvielfalt gerade zu fördern.

Antisemitische Körperbilder

Einbezogen werden sollte in die Debatte über "Jewfacing" auch die antisemitische Geschichte der Darstellungen von Juden. Laut der Theaterhistorikerin Theresa Eisele, die zur jüdischen Bild- und Theatergeschichte der Moderne forscht, ist die Diskussion über Coopers Prothese zulässig, "vor allem, wenn sie von jüdischer Seite vorgebracht wird, weil eine maskenbildnerisch verlängerte Nase Assoziationen zu antisemitischen Darstellungen wecken kann". Nasen dienten seit der frühen Neuzeit der Markierung der jüdischen Minorität, im 19. Jahrhundert seien sie gar rassifizierend-biologisch argumentiert und in Karikaturen und auf der Theaterbühne hetzerisch ausgestaltet worden.

"Eine Nasenprothese kann antisemitische Assoziationen wecken." Theaterhistorikerin Theresa Eisele

Dabei war laut Eisele der "Druck, einer bürgerlichen Gesellschaft zu genügen", bei der jüdischen Minderheit hoch. Optische Angleichungen an ein europäisches Schönheitsideal wie Nasenoperationen waren bereits um 1900 gängige Praxis unter Juden und Jüdinnen, an die auch der Historiker Sander L. Gilman erinnert. Die Nasenoperation des Dirty Dancing-Stars Jennifer Grey ist nur eines von vielen Beispielen für die Kontinuität dieses Drucks, den die Comiczeichnerin Aline Kominsky-Crumb 1989 in ihrem Comic Nose Job festhielt.

Ab den 1870er-Jahren eigneten sich jüdische Schauspieler laut Eisele Stereotype eines vermeintlich "jüdischen Körpers" an und parodierten sie, deuteten sie positiv um, während andere diese Darstellungen harsch ablehnten: "Fragen jüdischer Repräsentation, also wer mit welchen Mitteln Juden darstellen darf, prägen auch die aktuelle Debatte." Während sich etwa David Baddiel kritisch äußerte, stehen die Kinder Bernsteins hinter Cooper.

Der Freund Barbra Streisands

Man darf sich dennoch wundern, dass gerade Cooper in dieses Fettnäpfchen getreten ist. Eigentlich hatte er schon in seinem Regiedebüt A Star is Born gezeigt, dass er nasensensibel ist. Darin verweigerte die von Lady Gaga dargestellte Sängerin eine Nasen-OP, wohl in Anlehnung an Barbra Streisand, die in der 1976er-Filmversion Gagas Rolle spielte.

Streisand wurde gerade wegen ihrer Nase als jüdische Schauspielerin und Sängerin rezipiert. Sie habe es laut Eisele geschafft, diese "zum Symbol für eine souverän vorgebrachte jüdische Differenz zu machen". Ähnliches sah man zuletzt 2021 bei Alana Haim in Licorice Pizza – in dem Bradley Cooper ironischerweise den Freund Barbra Streisands spielt.

LICORICE PIZZA | Official Trailer
MGM

Möglicherweise wollte Bradley Cooper, der sich bisher nicht zum Thema geäußert hat, mit der Prothese nicht nur die Ähnlichkeit mit Bernstein steigern, sondern auch visuell eine jüdische Differenz einziehen. Bernsteins Konflikt als jüdischer US-Amerikaner interessierte auch den jüdischen US-Schauspieler Jake Gyllenhaal, der den Stoff aber gegen Cooper verlor. Neben ihm wäre die Rolle von Bernsteins Frau, die chilenische Schauspielerin Felicia Montealegre, für Ana de Armas vorgesehen gewesen. Nun fragen manche: Hätte das besser gepasst?

Jüdische Perspektiven

Letztlich geht es aber nicht nur um Fragen der Besetzung und der Nasenattrappe. Es kommt auch darauf an, welche Rolle Bernsteins jüdische Identität in Maestro einnimmt und ob Cooper hierfür auch jüdische Perspektiven einbringt.

Laut den Bernstein-Kindern habe Cooper sich gemeinsam mit Drehbuchautor Josh Singer des Stoffs mit größtmöglicher Sensibilität angenommen, Steven Spielberg (der in seiner Familiengeschichte The Fabelmans wohl auch nicht daran dachte, seine Eltern von jüdischen Darstellern spielen zu lassen) ist ausführender Produzent. Und die Rolle von Bernsteins Schwester gibt "Jewface"-Kritikerin Sarah Silverman.

Man darf also gespannt sein, wie und ob Silverman sich in die Diskussion einbringen wird, wenn der Film diesen Winter in den Kinos anläuft. (Valerie Dirk, 25.8.2023)