Seit 2017 lebt der Grafiker und Astrologe Christoph Luger als Nomade und fährt mit dem VW-Bus durch ganz Europa. Mit der Reduktion auf das Minimum, sagt er, habe er sich erstmals im Leben gefunden.

"Vor ein paar Tagen bin ich aus Ungarn losgefahren, bin grad auf Durchreise nach irgendwo, habe das nächste Ziel noch nicht so ganz vor Augen, die nächste weitere Etappe jedenfalls wird mich zur Olivenernte nach Süditalien führen, nach Apulien, um genau zu sein, doch im Augenblick mache ich hier am Neusiedler See, in der Nähe von Weiden am See, einen Stopover und besuche meine Freundin Karin.

Sein Wohnzimmer ist die Pampa: Christoph Luger in seinem VW-Bus in der Nähe des Neusiedler Sees.
Wohngespräch mit Christoph Luger
Sein Wohnzimmer ist die Pampa: Christoph Luger in seinem VW-Bus in der Nähe des Neusiedler Sees.
Florian Albert

Meist kenne ich die Leute, Landwirte und Waldbesitzer, weil ich da schon öfter war oder weil man sich auf der Durchfahrt zufällig über den Weg läuft, dann habe ich eine offizielle Erlaubnis, zu parken und zu übernachten. Doch manchmal passiert es, dass ich auf einer Forststraße stehen bleibe, wo es grad schön und lauschig ist, wo ich niemanden störe, auch nicht Fauna und Flora. Mein oberstes Prinzip ist, dass ich mich mit dem Bus immer in Gebieten aufhalte, die durch den Menschen bereits in irgendeiner Art und Weise kultiviert oder in Anspruch genommen sind. So wie hier, am Rande der Weinberge.

"Mein oberstes Prinzip ist, dass ich mich mit dem Bus immer in Gebieten aufhalte, die durch den Menschen bereits in irgendeiner Art und Weise kultiviert oder in Anspruch genommen sind", sagt Christoph Luger.
Florian Albert

Ich bin weitestgehend autark und bemühe mich, keine Spuren zu hinterlassen. Ich nehme meinen Müll mit, ich mache kein Feuer im Wald, und wenn es sich ergibt, dass ich meine Notdurft verrichten muss, dann habe ich immer eine Schaufel mit, damit niemand in mein Trümmerl steigen muss. Alles wird vergraben, ein Dünger für Mutter Natur, und die Würmer haben auch ihre Freude. Meistens ist es aber ohnehin so, dass ich alle zwei Tage irgendeine Zivilisation anfahre, eine Raststätte oder einen Campingplatz – sei es, um zu duschen, sei es, um sich für ein paar Stunden anzustecken und Handy und Laptop wieder aufzuladen.

Wohngespräch mit Christoph Luger
"Mein VW-Bus ist kein Luxus", sagt Christoph Luger.
Florian Albert

Ich komme eigentlich ganz gut ohne Strom aus. Aber nur eigentlich. Ich arbeite ja unter anderem als Grafiker im Print- und Onlinebereich für diverse Auftraggeber. Das Arbeiten hier im Bus, mit dem Laptop auf dem Schoß, funktioniert wunderbar, alles sehr bequem, aber nach zwei, drei Tagen sind Akku und Notakku leer, und dann brauche ich wieder energetischen Nachschub. Irgendwie, so scheint es, haben der Bedarf nach Körperhygiene und der Bedarf nach Energieversorgung einen sehr ähnlichen Rhythmus.

Begonnen hat alles 2017, als ich in einer privaten Krise gelandet bin und das Bedürfnis hatte, aus allen Systemen und Verbindlichkeiten auszubrechen. Ich habe mein Haus in St. Pölten verkauft und mir diesen gebrauchten VW-Bus mit Hochdach zugelegt, einen T5, Baujahr 2014, 60.000 Kilometer. Sieben Wochen war ich unterwegs, habe an die 15.000 Kilometer zurückgelegt, hauptsächlich in Süditalien, und irgendwie hat sich in dieser Zeit herausgestellt, dass das nicht nur ein vorübergehender Ausbruch ist, sondern ein Modell, das mein Leben von nun an bestimmen wird.

Der gebrauchte Bus ist Wohnraum und Homeoffice in einem, Luger arbeitet hier am Laptop für diverse Auftraggeber. Alle paar Tage müssen Akku und Notakku aufgeladen werden.
Wohngespräch mit Christoph Luger
Der gebrauchte Bus ist Wohnraum und Homeoffice in einem, Luger arbeitet hier am Laptop für diverse Auftraggeber. Alle paar Tage müssen Akku und Notakku aufgeladen werden.
Florian Albert

Manche sagen, ich sei auf der Flucht, andere denken an das Sprücherl mit dem Weg, der das Ziel ist, aber ich denke, ich habe mich in dieser Reduktion auf das Minimum erstmals im Leben so richtig gefunden. Ich bin angekommen. Rund 50 Prozent meiner Zeit bin ich unterwegs, dazwischen bin ich immer wieder in St. Pölten, um Julian zu besuchen, meinen Sohn aus einer früheren Beziehung, und mit ihm etwas Zeit zu verbringen. Dann nehme ich ihn mit auf die Reise, er liebt das enge Hochbett oben unter dem Dach, wo ich selbst Platzangst und Beklemmungen kriege, aber für ihn ist das eine abenteuerliche Höhle.

Demnächt geht es zur Olivenernte nach Süditalien.
Wohngespräch mit Christoph Luger
Demnächt geht es mit dem VW-Bus zur Olivenernte nach Süditalien.
Florian Albert

Mein VW-Bus ist kein Luxus. Ich habe kein Klo und keine Dusche, nur ein Bett, ein Hochbett, ein aufklappbares Tischerl, einen Kühlschrank und eine Kochstelle mit zwei Feldern, das war's. Mein Luxus ist nicht die Wohnhülle, sondern die Entscheidung zur Freiheit. Ich muss kein Dach mehr abdichten und keine Fassaden dämmen, sondern ab und zu Reifen aufpumpen. Ich wohne mit Blick auf Seen, Wälder, Berge, Meer und Olivenhaine. Meine Wohnnutzfläche beträgt drei, vier Quadratmeter. Oder auch ein paar Tausend Hektar, wie man's nimmt." (28.8.2023)

Christoph Luger, geboren 1970 in St. Pölten, studierte Psychologie und machte Ausbildungen zum NLP-Master, psychologischen Astrologen (nach Hermann Meyer) und Vesseling-Practitioner (nach Martin Brune). Nebenbei arbeitete er früher in diversen Druckereien und Werbeagenturen und eignete sich in dieser Zeit Erfahrungen im Grafikbereich an. Seit 2008 ist er selbstständig und arbeitet sowohl als Grafiker als auch als Astrologe und schamanischer Berater.

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christophluger.com

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