Touristen in der Getreidegasse
Dichtes Gedränge von Touristen in der Getreidegasse – ein gewohntes Bild mitten im Sommertourismus in Salzburg. Der Overtourism wird den Wahlkampf bestimmen und zwingt die ÖVP zum Handeln.
APA/BARBARA GINDL

Die Touristenmassen schieben sich durch die Getreidegasse, Busse spucken in der Paris-Lodron-Straße beim Mirabellplatz und am Unipark Nonntal ganze Reisegruppen aus, und Tagestouristen sitzen in ihren Autos im Stau Richtung Innenstadt. Es ist Hochsaison in der Stadt Salzburg, und die Zahl der Touristen reicht fast wieder an das Vor-Corona-Jahr 2019 heran – das Jahr, in dem den Salzburgerinnen und Salzburgern bereits der Kragen platzte und Touristen und Fremdenführer auf offener Straße beschimpft wurden.

Das Land Salzburg feiert den besten Juli aller Zeiten und verkündet landesweit 3,68 Millionen Nächtigungen. Auch die bisherige Sommersaison zwischen Mai und Juli bricht mit 530.000 Nächtigungen mehr als im Vorjahr (6,58 Millionen) alle Rekorde. Was Touristiker freut, sorgt bei Einheimischen zunehmend für Unbehagen und Ärger.

Keine Strategie für Qualität

Die Tourismuschefin der Stadt, Christine Schönhuber, fand im Interview mit den Salzburger Nachrichten klare Worte und benannte das Problem: "Es gibt noch keine Strategie für Qualitätstourismus." Diese müsse erst erarbeitet werden, um den Massentourismus unter Kontrolle zu bekommen.

Die Aussage kam bei der Stadt-ÖVP, die im Frühling die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl zu schlagen hat, nicht gut an und hat gleichzeitig ungewohnte Betriebsamkeit ausgelöst. Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP), der auch für den Tourismus zuständig ist, hat eilig eine Pressekonferenz einberufen. Angekündigt wurde am Donnerstag die Fortführung des Tourismusleitbilds 2025 mit Anpassungen. Es brauche Klarstellungen nach den "Meldungen, die zu Irritationen in der Bevölkerung und unter Touristikern führen könnten", umschrieb Preuner seinen Unmut.

Mit aufs Podium hatte Preuner, der bei der kommenden Wahl nicht mehr antritt, auch seinen Nachfolger als Stadtparteichef und ÖVP-Bürgermeisterkandidat, Florian Kreibich, gesetzt. Er soll als Branchenkenner eine Schnittstelle zwischen Tourismus und Politik sein und an dem neuen Leitbild mitarbeiten. Für Preuner ist das nur logisch, da die ÖVP nach der Wahl das Tourismusressort wieder einfordern werde.

Neutorsperre und Messebahn

Kreibich ließ dann auch mit Vorschlägen aufhorchen, die für die ÖVP bis dato ein No-Go waren. So kann sich der Jurist und Betreiber des Romantikhotels Gersbergalm am Gaisberg vorstellen, das Neutor für den Autoverkehr zu sperren – auch wenn er dabei nichts von Schnellschüssen hält und eine Sperre erst nach Abschluss der Baustelle zur Erweiterung des Festspielhauses andenkt, bei der die Durchfahrt ohnehin nicht möglich sein wird. Für die Altstadt kann sich Kreibich zudem Beschränkungen von Souvenirläden wie in Amsterdam oder Dubrovnik vorstellen.

Als weitere Lösung präsentierte Kreibich eine Forderung der SPÖ aus dem letzten Wahlkampf: die Messebahn oder den "S-Link-Express", wie der schwarze Neo-Spitzenkandidat sie nennt. Die Idee stammt von SPÖ-Bürgermeisterkandidat Bernhard Auinger und ist nun offensichtlich auch bei der ÖVP beliebt. Kreibich will, dass die Messebahn gleichzeitig mit dem Bau des S-Links in Angriff genommen wird, und möchte dazu Gespräche mit Verkehrslandesrat Stefan Schnöll (ÖVP) führen. Bei den 3000 Parkplätzen beim Messezentrum könnten Tagestouristen ihr Auto parken und wären mit der Bahn schnell in der Stadt. Denn zwei Drittel der Tagesgäste reisen mit dem privaten Pkw an. "Wenn die Gäste schnell in die Stadt kommen, bin ich zuversichtlich, den Stautourismus und die Reisebusse unterbinden zu können", sagt Kreibich.

Tagesgästestau und Busslots

Besonders an regnerischen Tagen stauen sich Urlauber aus den Umlandgemeinden in die Innenstadt. Auf der Maxglaner Hauptstraße, der Zufahrt zur Mönchsberggarage, kommt es deshalb regelmäßig zum Verkehrskollaps. Die bereits vorhandenen Park-and-ride-Anlagen auf dem Messegelände könnten zwar die Autofahrer am Stadtrand abfangen, werden aber wenig genutzt. Denn der Stellplatz an der Messe, inklusive O-Bus-Ticket in die Stadt, ist teurer als ein Parkticket für die Mönchsberggarage. Und so fahren die Tagesgäste so weit wie möglich in die Innenstadt, auch wenn dort an manchen Regentagen die Stellplätze bereits voll ausgelastet sind.

Stau in der Neutorstraße
Der Stau in der Neutorstraße Richtung Mönchsberggarage ist ebenso schon ein gewohntes Bild im Salzburger Sommer.
Stefanie Ruep

Der scheidende Bürgermeister Preuner hob freilich hervor, was bisher schon gelungen sei: "Die Zimmerobergrenze bei Hotelneubauten von 60 Zimmern ist eine Form der Begrenzung." Auch wenn beim Beschluss der Obergrenze 2021 noch einige Hotelbauten mit 120 Zimmern in der Pipeline waren, die aktuell realisiert werden. Preuners fiktive Obergrenze lag bisher bei 15.000 Hotelbetten. 14.550 hat die Stadt derzeit.

Aktuell liegt Salzburg bei den Reisebussen zwar erst bei 50 Prozent der Zahlen vor Corona, trotzdem sollen auch hier Verschärfungen kommen. "Wir überlegen, den Busterminal beim Mirabellplatz nur mehr für Übernachtungsgäste zur Verfügung zu stellen", sagte Preuner. Zudem soll die Gebühr für die Busse von 70 auf 80 Euro angehoben werden. Die grüne Bürgerliste verlangt die Auflösung des Busterminals in der Paris-Lodron-Straße.

Leitbild aus der Corona-Krise

"Es macht wenig Sinn, neue Gästegruppen anzusprechen", betonte der Stadtchef. Und auch Tourismuschefin Schönhuber will weg vom Marketing und hin zum Tourismusmanagement. Sehr deutlich formulierte Preuner, welche Touristen er bevorzugt: "Wir wollen nur die herinnen haben, die hier übernachten." Die Zahl der Tagesreisenden, die nur für wenige Stunden in der Stadt sind und nichts konsumieren, soll reduziert werden, sagt auch Kreibich. Zahlen, wie viele das sind, gibt es aber nach wie vor nicht. Bei einer aktuellen Bettenauslastung von 50 bis 60 Prozent sieht Kreibich aber noch nicht den geringsten "Overtourismus". Salzburg brauche bei den Übernachtungen jedes Prozent mehr Auslastung. Durchschnittlich bleibt ein Gast in Salzburg 1,77 Tage – ein leichtes Plus im Vergleich zum Jahr 2019 mit 1,71 Tagen.

Wie TSG-Geschäftsführerin Schönhuber sagte, soll die Strategieentwicklung mit Workshops im Oktober und November starten. Das aktuelle "Tourismusleitbild 2025" war im Mai 2020 mitten in der Corona-Krise nach heftigen Debatten im Gemeinderat beschlossen worden. ÖVP, SPÖ und Liste Salz stimmten dafür, die Bürgerliste, FPÖ, Neos und KPÖ dagegen. Damals war kritisiert worden, dass schärfere Instrumente gegen den Massentourismus fehlten und das Leitbild von Wachstumsstreben geprägt sei. Bürgerliste, Neos und SPÖ kritisieren, dass Bürgermeister Preuner und die TSG die Chance gehabt hätten, während Corona etwas zu verändern. Seit Jahren fordere man Maßnahmen für einen nachhaltigen Tourismus. (Stefanie Ruep, 29.8.2023)