Till Lindemann
Der mit Vorwürfen konfrontierte Rammstein-Frontmann Till Lindemann.
APA/dpa/Malte Krudewig

Die von Rammstein-Frontmann Till Lindemann rund um die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sexuellen Missbrauchs betraute Anwaltskanzlei Schertz Bergmann Rechtsanwälte teilte am Dienstag per Aussendung mit, dass die Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen den Sänger einstelle. Es sei nach den Strafanzeigen von drei Privatpersonen eingeleitet worden. Jene seien nicht auf eigene Erfahrungen gestützt gewesen, "sondern ausschließlich auf die Aussagen von Shelby Lynn, Kayla Shyx und die darauffolgenden Medienberichte".

Video: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ihre Ermittlungen gegen den Rammstein-Sänger Till Lindemann eingestellt.
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Die Auswertung der Beweise habe keinen hinreichenden Tatverdacht ergeben, teilte die Behörde selbst am Dienstag mit. Es gebe keine Hinweise darauf, dass Lindemann gegen deren Wille sexuelle Handlungen an Frauen vorgenommen habe. Auch für den Vorwurf, er habe ihnen willensausschaltende Substanzen gegeben oder ein Machtgefälle gegenüber minderjährigen Sexualpartnerinnen ausgenutzt, gebe es keine Beweise.

"Keine konkreten Anhaltspunkte"

Die Irin Shelby Lynn hatte Ende Mai nach einem Konzertbesuch in Vilnius zuerst Vorwürfe gegen Lindemann erhoben, Shyx sich in weiterer Folge zu Wort gemeldet. Dieses Ermittlungsverfahren sei nun "mangels hinreichenden Tatverdachts" eingestellt worden. "Da die Anzeigenerstatter nicht zu angeblichen Opfern von Till Lindemann zählen, steht ihnen ein Rechtsmittel gegen die Verfahrenseinstellung nicht zu", so die Aussendung der Anwälte.

Wie der "Spiegel" zudem berichtet, hätten sich laut der Behörde mutmaßliche Geschädigte bislang nicht an die Strafverfolgungsbehörden gewandt. Shyx Angaben wären in den Vernehmungen zu "unkonkret" geblieben. Die von ihr geschilderten Umstände stellten entweder Rückschlüsse aus Beobachtungen dar oder sind ihr von anderen geschildert worden. Andere von ihr genannte mögliche Zeugen hätten entweder ebenfalls nichts Strafrechtliches beobachtet oder hätten nicht identifiziert werden können. Auch das Ermittlungsverfahren gegen Lindemann wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde demnach eingestellt.

Lindemann bedankt sich auf Instagram

Bezüglich Lynns Vorwürfen lägen der Staatsanwaltschaft Berlin die Unterlagen der litauischen Behörden vor, nach Auswertung hätten sich aber auch hier "keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte für Sexualstraftaten durch den Beschuldigten" ergeben. Zuletzt hatte der "Spiegel" vom Fall einer Frau berichtet, mit der Lindemann 2011 ein Verhältnis eingegangen sein soll als jene 15 Jahre alt war.

Hier konnte der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs "nach Angaben der Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht erhärtet werden, da die Zeugin anonym blieb und nicht vernommen werden konnte", schreibt der "Spiegel". Auch im Fall der "Casting Direktorin", die laut Medienberichten für die Rekrutierung junger Frauen zuständig gewesen sein soll, hätten sich keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben. Lindemann reagierte am Dienstagnachmittag auf Instagram mit einem Posting, er "danke allen, die unvoreingenommen das Ende der Ermittlungen abgewartet haben".

Parallel teilte Lindemanns Anwalt mit, die schnelle Einstellung zeige, "dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Beweise bzw. Indizien zutage gefördert haben, um meinen Mandanten wegen der Begehung von Sexualstraftaten anklagen zu können. An den Anschuldigungen war schlichtweg nichts dran." Die Kanzlei kritisierte, im Internet und in den Medien sei es ohne Grundlage zu "schwerwiegenden Vorverurteilungen" gekommen. Man werde weiter juristisch gegen unzulässige Darstellungen vorgehen.

Proteste bei Konzerten

Lindemann ließ am 8. Juni über eine Anwaltskanzlei Beschuldigungen zurückweisen. Wiederholt sei behauptet worden, so die Anwälte, "Frauen seien bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr".

In der Debatte um Till Lindemann ging es nicht nur um mutmaßlich strafbares Verhalten, sondern auch moralische Fragen. Lindemanns Verlag, der Bände mit teils umstrittenen Gedichten herausgebracht hatte, beendete die Zusammenarbeit. Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) verurteilte "patriarchales Mackertum und sexuelle Übergriffe". Auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) verfolgte nach Angaben seines Sprechers die Berichte. Bei Konzerten in München wurde die vorderste Reihe für ausgewählte junge Frauen ebenso abgeschafft wie die Aftershow-Partys.

Auch die Band Rammstein selbst verurteilte in einer Stellungnahme jede Übergriffigkeit und bat die Fans, sich nicht an Vorverurteilungen zu beteiligen. Bei Konzerten in München und Wien gab es kleinere Proteste, gut besucht waren sie trotzdem. (red, APA, 29.8.2023)