"Aufpassen, wenn jemand von Elite spricht", pflegte der Vater der Autorin einst zu sagen. "Meistens ist damit gemeint: ich und meine Freunde." Im heutigen Diskurs scheint das umgekehrte Prinzip an Bedeutung zu gewinnen: Die Eliten sind die Feinde. Die Feinde der "normalen" Leute. Zu den Vertretern der Letzteren bekennen sich die populistischen Parteien.

Die FPÖ hat das Ziel, bei der nächsten Wahl die Mehrheit zu erreichen und mit Herbert Kickl einen "Volkskanzler" zu stellen. Dieser hat im heurigen Sommergespräch sein Politikverständnis in einem Satz konzise zusammengefasst: "für das Volk, Abkehr von den selbsternannten Eliten". Das ist ziemlich genau das, was der deutsche Politikwissenschafter Jan-Werner Müller als das Wesen des Populismus und als tödliche Gefahr für die Demokratie bezeichnet: die These vom "moralisch reinen, homogenen Volk gegen unmoralische, korrupte und parasitäre Eliten".

Donald Trump ist reich, mächtig und wettert gegen die "Eliten in Washington".
REUTERS/MARCO BELLO

Kickl und die Seinen sind nicht die Einzigen, die es auf die Eliten abgesehen haben, neben den "Ausländern". Auch die Anhänger von Donald Trump in den USA, die Wähler von Marine Le Pen in Frankreich und die zahlreichen populistischen Tribunen in anderen Ländern Europas teilen diese Sichtweise.

Aber wer sind diese vielgescholtenen Eliten? Nicht, wie einst, die Reichen und Mächtigen. Trump ist steinreich und unbestritten mächtig. Aber er ist für seine Anhänger trotzdem "einer von uns", ein Mann, der sich ungeniert als der ungebildete Rüpel präsentiert, der er ist, und gerade dadurch Sympathien hervorruft. Er wettert gegen "the Washington elites", die Professoren und Journalisten und Experten, die Besserwisser und – wie Kickl sie nennt – die "Oberg'scheiten", die den Leuten vorschreiben wollen, was für sie gut ist.

Grund zur Unzufriedenheit

Es sind vor allem die Abgehängten und sozial Schwachen, die populistische Parteien wählen. Sie haben jeden Grund zur Unzufriedenheit, und sie fühlen sich zu Recht benachteiligt. Was Politiker wie Kickl ihnen bieten, ist zwar keine Lösung für ihre Probleme, aber eine Zielscheibe für ihre Wut, einen Schuldigen.

Bei den Nazis, die einst ebenfalls mit demokratischer Mehrheit an die Macht kamen, waren es die Juden. Die verjudete Wissenschaft, die Judenpresse, das jüdische Finanzkapital – sie waren schuld an der Wirtschaftskrise und der deutschen und österreichischen Misere. Millionen waren empfänglich für dieses Narrativ. Angesichts der begeisterten Massen, die einst auf dem Wiener Heldenplatz Adolf Hitler zujubelten, meinte ein etwas zynischer Gentleman damals resigniert: vox populi, vox Rindviech.

Der Anspruch, das "wahre Volk" zu repräsentieren, ist allen populistischen Bewegungen und Parteien gemeinsam. Sie lehnen alles ab, was "die Eliten" an schmerzhaften Diagnosen abgeben und an komplizierten Lösungen für die Herausforderungen der Gegenwart vorschlagen: Maßnahmen gegen die Klimakrise, Maßnahmen gegen die Pandemie, eine gemeinsame europäische Politik in Sachen Migration. Ob diese Sichtweise mehrheitsfähig ist, werden wir spätestens bei den nächsten Nationalrats- und Europawahlen erleben. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 31.8.2023)