Mama soll es richten, könnte sich Luis Rubiales gedacht haben. Der suspendierte Präsident des spanischen Fußballverbands wehrt sich nach wie vor mit allen Mitteln gegen die Konsequenzen, die sein Auftritt beim WM-Finale Mitte August nach sich zieht. In Sydney zeigte er ein Verhalten, das als machohaft und übergriffig gegenüber Frauen interpretiert werden kann. Seine Mutter trat nach anhaltender Kritik in den Hungerstreik, sprach von einer "unmenschlichen und blutigen Jagd". Am Mittwoch wurde sie "müde" und mit gesundheitlichen Problemen in ein Krankenhaus eingeliefert, berichteten spanische Medien. Während die Mutter kaum etwas unversucht lässt, um die Ehre ihres Sohnes zu retten, zeichnet ein anderes Familienmitglied ein desaströses Bild des Fußballfunktionärs.

Rubiales küsst Hermoso auf die Wange.
Bei der WM-Siegerehrung küsste Rubiales Hermoso zunächst auf die Wange, danach zwang er ihr einen Kuss auf den Mund auf.
IMAGO/Richard Callis / SPP

Juan Rubiales ist der Onkel von Luis Rubiales. Er war in Spanien als Journalist tätig, ehe ihn sein Neffe fragte, ob er ihn bei der Bewerbung zum Amt des Fußballpräsidenten unterstützen wolle. Was ursprünglich als kurzfristige Zusammenarbeit angedacht war, wurde zu einer längeren beruflichen Beziehung. Luis Rubiales wurde ins Amt gewählt, sein Onkel arbeitete daraufhin als sein Büroleiter. In einem bemerkenswerten Interview mit der spanischen Onlineplattform "El Confidencial" spricht Juan Rubiales über ein Klima der Angst, das Luis Rubiales im spanischen Verband geschaffen hat.

"Er hat den Verband als Werkzeug für sein eigenes Wohl benutzt", sagt Juan Rubiales über seinen Neffen. "Er ist eine stolze, arrogante Person. Der größte Gegner ist er selbst." Luis Rubiales habe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter respektlos behandelt. Gleichzeitig sei er besessen von Luxus, von Geld und von Frauen. "Er denkt, er sei der Beste; so ist er mit Leuten umgegangen", sagt Juan Rubiales. "In Wahrheit ist er wie ein Junge. Ich glaube, er braucht eine Therapie zur sozialen Umerziehung und zur Umerziehung im Umgang mit Frauen."

Mit Ausnahme der Mutter stünden alle Mitglieder der Rubiales-Familie auf der Seite von Jennifer Hermoso, der Luis Rubiales einen Kuss auf den Mund aufgezwungen hat. "Wir Rubiales stehen für die Idee der Würde ein", sagt Juan Rubiales. "Und das heißt, sich hinter Jenni zu stellen, sie zu verteidigen. Und das beschämende Verhalten dieses Verbandspräsidenten abzulehnen."

Video: Kuss-Skandal: Vorermittlungen gegen Fußball-Boss Rubiales
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Urlaub auf Firmenrechnung, Deals mit Saudi-Arabien

Luis Rubiales habe wahllos Leute gekündigt, wenn sie sich gegen ihn gestellt hätten. Seine Unberechenbarkeit soll Angst in der Belegschaft ausgelöst haben. Die Machtposition nutzte Luis Rubiales laut seinem Onkel mehrmals zum privaten Vergnügen. Einen Flug nach New York verbuchte er als Geschäftsreise, nur um mehrere Tage mit seiner damaligen Lebensgefährtin zu verbringen. Den Onkel forderte er auf, auf Nachfrage von Medienleuten ein Treffen mit Vertretern der Vereinten Nationen als Grund für die Reise anzugeben.

Weiteren Ärger in der spanischen Fußballwelt zog sich Luis Rubiales zu, als der spanische Supercup nach Saudi-Arabien vergeben wurde. Seit 2020 wird der Pokal als Mini-Turnier im Nahen Osten ausgespielt. Rubiales verhandelte über Mittelsmann und Ex-Profi Gerard Pique mit dem saudischen Königshaus. "Er hat sich sicher und wichtig gefühlt", sagt Juan Rubiales. "Er fühlte sich als Führungspersönlichkeit, die er immer sein wollte."

Rubiales hebt Athenea del Castillo Beivide.
Rubiales berührte die spanischen Nationalteamspielerinnen mehrmals. Ein Fehlverhalten will er darin bis heute nicht erkannt haben, obwohl Spielerinnen von einem Übergriff sprechen.
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Luis Rubiales wurde vom Weltverband Fifa vorerst für 90 Tage für alle Funktionen gesperrt. Zudem darf er Jennifer Hermoso nicht mehr kontaktieren. Er will sich mit einem Video, das die Spielerinnen nach dem WM-Triumph im Teambus zeigt und so gut wie keine neuen Erkenntnisse bringt, entlasten.

Am Montag hatten die Regionalpräsidenten des spanischen Verbandes Rubiales eindringlich zum Rücktritt aufgefordert, einen freiwilligen Rückzug verweigerte er aber bislang. In dieser Woche hat die Staatsanwaltschaft des Nationalen Gerichtshofs in Spanien zudem eine Voruntersuchung wegen mutmaßlicher sexueller Nötigung gegen ihn eingeleitet. Auch das spanische Sportgericht beschäftigt sich mit dem Fall.

Uefa will Rubiales nicht doppelt sperren

Beim europäischen Fußballverband Uefa ist Rubiales zudem Vizepräsident. Fast zwei Wochen nach dem Vorfall übte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin erstmals Kritik an Rubiales. "Natürlich ist das, was er getan hat, unangemessen. Das wissen wir alle. Ich hoffe, dass er weiß, dass es unangebracht war", sagte Ceferin der französischen Sportzeitung "L'Equipe". Über mögliche Konsequenzen für Rubiales wollte Ceferin nicht spekulieren, er verwies auf die Fifa-Disziplinarkommission, die ihr Verfahren zu Rubiales noch nicht abgeschlossen hat.

Mit Blick auf Rubiales' Rolle als Uefa-Vizepräsident und Mitglied des Exekutivkomitees erklärte Ceferin: "Er ist von all seinen Funktionen suspendiert, überall. Es gibt keinen Grund, dies zweimal zu tun." Er finde es "traurig, dass ein solches Ereignis den Sieg des spanischen Nationalteams überschattet", sagte der Slowene.

Zur Auslosung der Gruppenphase der Champions League am Donnerstagabend wird Rubiales nicht erwartet. Bei der Gala, bei der die besten Spielerinnen und Spieler der vergangenen Saison geehrt werden, soll aber Jorge Vilda erscheinen. Der Trainer der spanischen Frauen-Nationalmannschaft hielt Rubiales lange die Stange, ehe er vor wenigen Tagen auf Distanz ging. Er ist für die Auszeichnung zum besten Trainer des Jahres im Frauenfußball nominiert. Der Nachrichtenagentur AFP zufolge muss auch Vilda um seinen Job bangen. Laut Interimspräsident Pedro Rocha werden "relevante Neuigkeiten erklärt", sobald sich die Verbandsspitze mit Vilda getroffen habe. Das soll in der kommenden Woche passieren.

Und Rubiales' Mutter konnte das Spital am Donnerstag nach mehrstündiger Behandlung wieder verlassen. In Begleitung ihres Sohnes, wie es aus Spanien heißt. (Lukas Zahrer, 31.8.2023)