Hofesh Shechter
Die Göteborgs Operans Danskompani in dem Stück "Contemporary Dance" des aus Israel stammenden Choreografen Hofesh Shechter.
Lennart Sjoberg

Ich glaube an das Gefühl schlechthin“, sagt Sharon Eyal. Und sie suche sich Tänzerinnen und Tänzer, "die mit mir fliegen". Beim Pressegespräch in Montpellier spricht Eyal, einen geduldigen Malteser auf den Knien balancierend, von der "extremen Körperlichkeit" des Ensembles ihrer Kompanie L-E-V.

Deren Techniken sind unter anderem Ballett – und Gaga, das ist die Tanzsprache von Ohad Naharin, dem Leiter der berühmten israelischen Batsheva Dance Company, in der Eyal 18 Jahre lang getanzt hat.

Soeben noch in Salzburg

Sie gehört nicht zu den Choreografinnen, die lange mit ihrem Ensemble sprechen: "Stattdessen gebe ich viel körperliche und emotionale Information." Mit L-E-V hat die 1971 in Jerusalem Geborene gerade bei den Salzburger Festspielen das Stück Into the hairy gezeigt. Jetzt kommt ihr Saaba mit der schwedischen Göteborgs Operans Danskompani ins Festspielhaus, an einem Abend mit Hofesh Shechters Stück Contemporary Dance.

Shechter war ebenfalls Mitglied bei Batsheva. Er kam 1975 – auch in Jerusalem – zur Welt und wurde ab 2002 in London zum weltweit bekannten Choreografen. Sein Stil unterscheidet sich von dem Eyals, doch auch er setzt auf Emotionalität, starke Technik und virtuose Körperlichkeit.

Magie der Versäumnisse

All das kann die Göteborgs Operans Danskompani unter der Leitung von Katrín Hall liefern. Die Isländerin hat 2009 Shakiras Musikvideo Did It Again choreografiert. Auch die Batsheva Dance Company selbst kommt ins Festspielhaus: mit Ohad Naharins so wuchtiger wie sensibler Choreografie Momo. Der heute 71-Jährige ist eine Schlüsselfigur des zeitgenössischen israelischen Tanzes, seine Gaga-Technik wird international unterrichtet.

Mit Michael Endes Roman Momo (1973) hat Naharins Titel nichts zu tun. Die Bedeutung kommt vom japanischen "mo – mo", "sowohl – als auch", und von Momo als Akronym für "Magic of missing out", dem Gegenkonzept zu "Fear of missing out" (Fomo), diesem Stress, etwas zu versäumen, dem sich vor allem Jugendliche ausliefern.

Naharin stellt extreme Gegensätze her: Brutalität und Zärtlichkeit erscheinen parallel und separiert voneinander, und das Schreckgespenst des Chaos wird beschworen. Doch das Chaos, sagt Naharin, "macht uns überhaupt keine Angst. Im Gegenteil. Im Tanz können wir es nutzen, um über das zu sprechen, worüber wir sprechen wollen."

Fest am Boden

An einem weiteren Doppelabend zeigt das Ballet du Grand Théâtre de Genève das vielbewunderte Werk Skid des Belgiers Damien Jalet zusammen mit Vïa von Fouad Boussouf. Letzterer wurde 1976 in Marokko geboren und kam als Kind nach Frankreich. Spezialisiert auf Hip-Hop, gründete er 2010 seine Company Massala und leitet heute das Choreografische Zentrum von Le Havre.

Vïa, eine Kooperation mit dem Künstler Ugo Rondinone, thematisiert den Boden als das, was uns alle hält. Und genau diesen Boden kippt Damien Jalet in Skid um 34 Grad. Das ergibt einen packenden Doppelabend des Gegensatzes von ursprünglicher Sicherheit und gegenwärtigem Gleichgewichtsverlust. (Helmut Ploebst, 2.9.2023)