Sebastian Kurz, Interview
21 Gesprächspartner kann der Film von Regisseur Sascha Köllnreiter vorweisen – neben Sebastian Kurz auch zahlreiche Wegbegleiter aus dem ÖVP-Universum.
Pongo Film

Ein kurzer Filmtrailer mit dem leibhaftigen Sebastian Kurz in Wort und Bild. Ein riesiges Plakat an Österreichs meistbefahrener Autobahn – mit dem Wort Kurz in großen Lettern über einem Foto des Ex-Kanzlers. Und Interviewte wie Altkanzler Christian Kern von der SPÖ, die sich von den Filmschaffenden nachträglich gelegt fühlten.

Dass ein zweiter Film mit Sebastian Kurz bereits am 8. September in die heimischen Kinos kommt, wurde überraschend erst am Freitag vergangener Woche öffentlich bekannt. "Kurz – der Film" sticht damit auch den Start der Dokumentation "Projekt Ballhausplatz" von Kurt Langbein aus, die knapp zwei Wochen später ab 21. September ebenfalls im Großformat gezeigt wird. Langbeins Werk setzt sich äußerst kritisch mit der türkisen Ära auseinander – ohne Kurz im Interview. Kritikerinnen und Kritiker erwarteten in "Kurz – der Film" die Kurz-freundliche Antithese dazu, die möglicherweise sogar das politische Comeback vorbereiten könnte.

Der Beginn gab schon einmal die Stoßrichtung vor, was im 87-minütigen Werk zu erwarten ist: Kurz, Kurz, Kurz. Begonnen wird aber mit Bildern abseits der Politik: mit Chauffeur im Auto. Am Flughafen. Beim Telefonieren. Im Flugzeug. Beim Start einer US-Reise auf dem Highway unterwegs. Er habe nach dem Rückzug zunächst nicht gewusst, "was ich als Nächstes mache", sagt der Protagonist im Interview. Klar sei nur gewesen: "Es gibt ein Leben nach der Politik." Dieses führt er als Unternehmer – und großteils international: "Drei von vier Wochen", erzählt er, sei er nicht in Wien.

Mit Schwarzenegger

Ins Detail geht Unternehmer Kurz aber nicht. US-Milliardär und Investor Peter Thiel, bei dem er als "Global Strategist" angeheuert hat, habe Kurz bei der Münchner Sicherheitskonferenz kennengelernt. Und mit dem von ihm mitgegründeten israelischen Start-up Dream Security habe er Cybersicherheitslösungen mit künstlicher Intelligenz für kritische Infrastruktur im Sinn.

Dann erst beginnt der Rückblick auf Kurz' politische Karriere. Bis dahin war Kurz schon ziemlich lange im Interview zu hören. Und trotz flotter Schnitte, musikalischer Hip-Hop-Einstreusel und Arnold Schwarzenegger, der aus dem Blauen heraus "I think the profession really sucks" (Ich glaube, der Beruf nervt gewaltig) in den Film einwirft, wird es das erste Mal langatmig.

Es folgen Interviews auf Interviews, die den politischen Aufstieg und jähen Fall in rund zehn Jahren in verschiedenen Episoden – vom Chef der Jungen ÖVP Wien und Integrationsstaatssekretär bis zum Kanzler – nachzeichnen. 21 Gesprächspartner werden im Nachspann des Films genannt.

Der Großteil stammt aus seinem einst engsten türkisen Team: von Finanzminister Gernot Blümel über Kommunikationsprofi Gerald Fleischmann und Pressesprecher Johannes Frischmann bis zu Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und Wahlkampagnenleiter Philipp Maderthaner. Oder sie sind ihm wohlgesinnt – wie Wolfgang Schüssel, Andreas Khol, Michael Spindelegger. Regisseur Köllnreitner muss sich hier die Kritik einer Schlagseite gefallen lassen.

Nur in homöopathischen Dosen gibt es eine Gegenrede zum Wirken Kurz': etwa dann, wenn Migrationsforscherin Judith Kohlenberger darüber spricht, dass ohne Migration der Arbeitsmarkt in Österreich zusammenbrechen würde. Oder wenn Ex-Kanzler Christian Kern den Wahlkampf 2017 samt der Silberstein-Affäre Revue passieren lässt. "Die waren nicht Opfer. Sie waren im selben Ausmaß Täter", erzählt Kern.

Kurz und eine "Allianz der Opfer der Migrationspolitik"

Der Wechsel in der Flüchtlingspolitik von Kurz in Richtung Hardliner wird breitflächig thematisiert. Der einstige "Krone"-Journalist Thomas Schrems attestiert Kurz ein "Chamäleon-Wesen" für den Wahlerfolg. Der Ex-Kanzler selbst bleibt bei seinen zuletzt bekannten Positionen: Die Entscheidungen, dass Menschen nach Österreich kommen, dürften "nicht von Schleppern getroffen werden". Und Khol springt bei: Kurz habe eine "Allianz der Opfer der Migrationspolitik geschmiedet".

Zuvor war auch das Ibiza-Video, das am Anfang der Implosion von Türkis-Blau 2019 stand, Thema. Und hier ließ ein Interviewter aus dem türkisen Team um Kurz aufhorchen. Man habe nicht gewusst, ob da noch mehr Material von Heinz-Christian Strache komme, heißt es im Film. Im Rückblick – und mit dem Wort "vermutlich" als Einschränkung – hätte man die Koalition mit den Freiheitlichen fortsetzen sollen. Das wäre - "vermutlich" - die richtigere Entscheidung gewesen. Die Aussagen sind insofern spannend, als Teile des einstigen Teams weiter für die ÖVP arbeiten. Stefan Steiner, das Mastermind hinter der türkisen Kanzlerschaft, war zuletzt als externer Berater für den Wiener Landesparteichef Karl Mahrer tätig.

Die Chat-Affäre rund um die publik gewordenen Nachrichten von und an Thomas Schmid ließ Kurz nicht an sich herankommen. Schmid habe nie für ihn gearbeitet, sagte Kurz. Und: Es gebe keine Nachricht von Kurz, die problematisch gewesen sei. Das in einem Chat an Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gerichtete Schimpfwort nahm er nicht zurück – es hätte nur nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken sollen. Mitterlehner wurde übrigens als Gesprächspartner von den Filmschaffenden angefragt. Er lehnte ab.

Zur Politik sagte Unternehmer Kurz abschließend, dass ihm "das im Moment nicht abgeht". Ein Dementi zu einem etwaigen zukünftigen Comeback hört sich anders an.

Vorfinanzierung durch Produktionsfirma

Nach der Vorführung des Films nahm Holger Fuchs von der deutschen Firma Opus R Stellung: Fuchs bestätigte, dass die Produktionsfirma den Kurz-Film vorfinanziert habe. "Wir wagen dieses Risiko." Genannt wurde ein Budget von rund 500.000 Euro, geschielt werde auch auf den internationalen Markt. Laut Regisseur Sascha Köllnreiter habe man mit Kurz 2,5 Interview-Tage verbracht, das erste Interview sei im März 2023 geführt worden. Eine Schieflage des Films in Richtung ÖVP-Positionen wurde in Abrede gestellt: Es sei wichtig gewesen, bei der Polarisierung um Kurz beide Seiten zu zeigen. Strache sei für den Film angefragt worden, er habe aber wie Mitterlehner abgesagt. Schmid sei nicht angefragt worden. (David Krutzler, 5.9.2023)