Es riecht nach warmer Butter und kräftigem Herrenparfum. Artis International, Saal 1. Es ist jener der sieben Kinosäle des Wiener Lichtspieltheaters der Cineplexx-Gruppe, in dem die Prominenz des Abends ihre Sitzplätze hat. Ein Regierungsmitglied greift tief in eine Packung Popcorn, schiebt sich eine Handvoll in den Mund und kaut, lächelnd. Es ist ein Abend unter Freunden. Es liegt angenehme Anspannung in der Luft. Angeblich hat noch nicht einmal Sebastian Kurz selbst den Film gesehen.

Video: "Kurz - Der Film" - Zahlreiche türkise Prominenz bei Kino-Premiere
APA/kha

Der ehemalige Kanzler und aktuelle Filmstar nimmt in der besten Reihe (nicht ganz hinten, aber fast) auf einem samtig roten Klappsitz Platz. Links neben ihm seine Lebensgefährtin, rechts neben ihm der Grandseigneur der Volkspartei: Wolfgang Schüssel, Kanzler von 2000 bis 2007. Auf der Leinwand steht in Großbuchstaben "KURZ". Und: "Herzlich Willkommen zur Weltpremiere".

Sebastian Kurz mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Lebensgefährtin Susanne Thier und Altkanzler Wolfgang Schüssel.
Sebastian Kurz mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Lebensgefährtin Susanne Thier, Altkanzler Wolfgang Schüssel und ÖVP-Großspender Klaus Ortner.
Regine Hendrich

Zur Premierenfeier von "Kurz – der Film" ist das gesamte Who's who der alten, neuen und aktuellen Volkspartei in den ersten Bezirk gepilgert. In der Reihe von Kurz und Schüssel sitzen auch Gernot Blümel, Andreas Khol, Wolfgang Sobotka, Ingrid Korosec und Ministerin Susanne Raab, die an diesem Mittwochabend eigentlich ein Sommerfest für Journalisten angesetzt hatte, es kurzfristig aber aufgrund eines "wichtigen Termins" verschieben musste.

Nur der aktuelle ÖVP-Chef fehlt

In der Reihe hinter Kurz haben Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Wirtschaftsminister Martin Kocher Platz genommen. Als Einziger fehlt der Kanzler und aktuelle ÖVP-Chef, Karl Nehammer. Der soll sich aber immerhin zur Aftershowparty angekündigt haben.

Sebastian Kurz mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Ex-Ministerin Elisabeth Köstinger.
Sebastian Kurz mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (links) und Ex-Ministerin Elisabeth Köstinger (rechts).
Regine Hendrich

Dann treten der Produzent und der Regisseur der Dokumentation auf das Podium vor der Leinwand und halten eine überraschend kurze Ansprache. Der Produzent bedankt sich für das rege Medieninteresse mit den Worten: "Danke für die Werbung." Er meint das nicht freundlich, sondern ist sichtlich genervt von schlechter Presse. Der Film war im Vorfeld wenig euphorisch besprochen und teils heftig kritisiert worden. Der Vorwurf: "Kurz – der Film" sei einseitig. Und eine Art "Gegenfilm" zur Dokumentation "Projekt Ballhausplatz". Eine Rezension von "Projekt Ballhausplatz" können Sie hier lesen.

Der ehemalige Finanzminister Gernot Blümel und TV-Moderatorin Clivia Treidl.
Der ehemalige Finanzminister Gernot Blümel und TV-Moderatorin Clivia Treidl.
Regine Hendrich

Dann geht das Licht aus, 89 Minuten Spielzeit. Kurz selbst kommt (wie erwartet) ausführlich zu Wort. Er blickt zurück, erklärt sich, beschreibt seine Sicht der Dinge. Für den Film wurden auch die meisten seiner engsten Vertrauten befragt. Kritikerinnen und politische Gegner treten ebenfalls auf, wenn auch in geringeren Dosen. Eine ausführliche Filmkritik können Sie hier lesen.

Leises Gelächter, Mutige klatschen

An mehreren Stellen wird im Saal leise gelacht. Einmal, als Andreas Khol in der Doku seinen Leitspruch preisgibt: "Jedes Schrifterl ein Gifterl", klärt er auf. Es ist selbstredend eine Anspielung auf die türkisen Chataffären. Stimmung kommt auch auf, als Kurz erklärt, dass es zwar nicht die feine Art war, als er Reinhold Mitterlehner in einem Chat "Oasch" genannt hatte. Der habe allerdings davor ein unfreundliches Buch über ihn geschrieben, rechtfertigt sich Kurz. "Ich gebe zu, es war, was ich damals empfunden habe", sagt er. Ein paar Mutige klatschen.

Sebastian Kurz auf dem roten Teppich der Premierenfeier vor dem Artis International.
Sebastian Kurz auf dem roten Teppich vor dem Kino.
Regine Hendrich

Nach der Vorstellung sind fast ausnahmslos alle Befragten begeistert. Laura Sachslehner meint, sie könne sich nicht erklären, warum dieser Film als "Lobhudelei" abgetan werde. Die frühere ÖVP-Generalsekretärin fand ihn durchaus kritisch, aber gut. Auch Seniorenbundpräsidentin Korosec ist recht angetan. Sie habe das ja alles selbst hautnah miterlebt. "Der Film gibt ein realistisches Bild aus seiner Sicht", sagt die Politikberaterin Heidi Glück. Mit "seiner Sicht" meint sie jene von Kurz.

Wissenschafter wurde rausgeschnitten

Überhaupt nicht begeistert war als einer von wenigen Gästen des Abends der Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell. Er wurde eingeladen, weil er eigentlich Teil des Films sein sollte: Hausjell wurde für die Produktion ausführlich interviewt. Sein Thema: die türkise Message-Control. Kurz vor der Premiere wurde Hausjell jedoch informiert, dass er im Film leider doch nicht vorkomme. An der Feier könne er dennoch teilnehmen. Auch im Abspann kann man Hausjells Namen lesen, obwohl er gar nicht zu Wort kam.

Auch Astrologin Gerda Rogers war unter den Gästen.
Auch Astrologin Gerda Rogers war unter den Gästen.
Regine Hendrich

Der Publizistikprofessor hält die Dokumentation für einen "Werbefilm" über "das Produkt Kurz". Er hat dem Stargast auf dem roten Teppich eine Einladung in die Hand gedrückt: Wenn das Thema schon nicht im Film vorkomme, möge Kurz doch mit ihm im Audimax der Universität Wien auf offener Bühne über Message-Control diskutieren, schlägt Hausjell vor. Kurz habe zugesagt. Jemand aus seinem Team werde sich demnächst bei Hausjell melden. (Katharina Mittelstaedt, 7.9.2023)