Baldur's Gate 3
Allein die Möglichkeiten bei der Charakterwahl machen jedes Abenteuer im Spiel individuell.
Larian Studios/Screenshot

Ich muss zugeben, ganz oben auf meiner Liste für dieses Jahr stand das Rollenspiel "Baldur's Gate 3" nicht. Ich bin kein Dungeons-&-Dragons-Nerd, andere Spiele des Entwicklers Larian Studios waren mir zu langatmig, und parallel zu der Elfengeschichte stand ja auch das mir thematisch nähere Sci-Fi-Abenteuer "Starfield" auf dem Release-Kalender. Lange Rede, kurzer Sinn: "Baldur's Gate 3" ist das beste Spiel, das ich in diesem Jahr gespielt habe – mit Abstand.

Dabei wollte ich gar nicht in die Lobhudelei von Fachmedien und Community einstimmen, war der initiale Grund für die frühe Online-Heiligsprechung doch, dass das Spiel ohne Mikrotransaktionen und sonstige versteckte Hürden der gegenwärtigen Games-Landschaft daherkommt. Aber es steckt noch viel mehr hinter dem Spiel, speziell wenn man es mit Game-of-the-Year-Anwärtern wie "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" oder dem aktuellen "Starfield" vergleicht.

Große Konkurrenz

Was im Jänner mit "Hi-Fi Rush" und "Fire Emblem Engage" losgegangen ist, sich danach mit Titeln wie "Hogwarts Legacy", "Resident Evil 4: Remake", "Star Wars Jedi: Survivor", "Diablo 4", "Dave the Diver" oder "Final Fantasy 16" fortgesetzt hat, geht schließlich mit Titeln wie "Cyberpunk 2077: Phantom Liberty", "Armored Core 6", "Marvel's Spider-Man 2", "Alan Wake 2" und "Super Mario Bros. Wonder" in die Zielgerade.

Diese Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber nach einem Jahr, in dem ich viel gespielt habe, muss ich sagen, dass "Baldur's Gate 3" nach vielen sehr guten Titeln der erste ist, der mich völlig überzeugt hat. Das fängt an bei dem wunderschönen Soundtrack, geht über liebevoll designte Figuren und endet bei starken Dialogen und einem durchdachten und fordernden Kampfsystem. Es passt einfach alles, sogar was die Spielzeit betrifft, sofern man ausreichend Zeitressourcen sein Eigen nennt.

Das Rollenspiel hat tatsächlich diese Gabe, die nur wenige Spiele haben. Es weckt den Entdeckerdrang, belohnt für bewusstes Abzweigen und lässt trotz einer spannenden Welt nie den roten Faden los, der den Spieler oder die Spielerin an die Hauptstory fesselt. Das ist bei einem Spiel dieser Größe nicht einfach, wie andere Vertreter des Genres in diesem Jahr bewiesen haben.

"The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" war sicher ein wundervolles Spiel und wird in so mancher Top-Liste in diesem Jahr aufscheinen. Retrospektiv muss man sagen, sofern man nicht den interessanten Baumodus des Spiels liebgewonnen hat, war es vereinfacht gesagt eine aufgeblähte Version des Vorgängers, und das satte sechs Jahre nach ebendiesem Vorgänger mit Namen "Breath of the Wild". Auch ein "Starfield" hat in sieben Jahren Entwicklungszeit zwar eine wunderbare Welt geschaffen, aber nach rund 30 Stunden überlege ich tatsächlich, ob ich es wirklich bis zum Ende schaffen möchte oder es aufgrund von einigen sehr nervigen Dingen einfach sein lasse, wie zuvor eben "Tears of the Kingdom".

Zelda
"Tears of the Kingdom" lädt ebenfalls zum Entdecken ein, die Welt selbst bietet allerdings nicht den Reichtum eines "Baldur's Gate 3". Bei diesem "Zelda"-Teil ist viel mehr beeindruckend, dass es in dieser Qualität auf einem "Toaster" läuft, wie ein bekannter Youtuber die Switch kürzlich liebevoll nannte.
Screenshot, aam / Nintendo

Geheimrezept

Und dann ist da ja noch der Punkt, dass "Baldur's Gate 3", wie eingangs angesprochen, auf unnötigen Firlefanz wie teurere Versionen für einen früheren Zugang oder einen Ingame-Shop verzichtet. Für 30 Euro konnte man sich vor drei Jahren zum Early Access anmelden, womit die Community sicher ihren Teil dazu beigetragen hat, dass das Spiel am Ende so gut geworden ist. Zum offiziellen Release wurde dann ein regulärer Preis verlangt, ohne teure Nebenversionen, die von anderen Herstellern in den letzten Jahren eingeführt wurden.

Umso mehr muss dieser Mut hervorgehoben werden, nachdem der Druck auf Spielestudios über die Jahre durch immer teurer werdende Produktionen und wachsende Konkurrenz merklich gestiegen ist. Flops zu produzieren geht nicht mehr. Das Studio hinter "Forspoken" wurde kurz nach den katastrophalen Wertungen von Eigentümer Square Enix Anfang des Jahres aufgelöst. Daedalic Entertainment ließ im Juli wissen, dass man nach dem Flop-Spiel "Gollum" selbst keine Spiele mehr entwickeln möchte und die dazugehörige Abteilung geschlossen hat. Fast parallel dazu lässt die Embracer Group wissen, dass Volition, das bekannte Studio hinter dem aktuellsten und ebenfalls sehr erfolglosen "Saints Row"-Titel, die Schotten dichtmacht.

Da verwundert es nicht, wenn millionenschwere Spiele wie "Diablo 4" von Entwickler Blizzard den Ingame-Shop prominent in das Action-Rollenspiel einbauen und Season-Passes medienwirksam ankündigen. Auf der Streaming-Plattform Twitch, die schon ein guter Indikator dafür ist, welche Spiele gerade populär sind, findet sich "Diablo 4" dennoch nicht mehr. Elf Jahre nach dem dritten Teil lagen die Erwartungen anscheinend höher, als das Endergebnis liefern konnte.

Super Mario Bros Wonder
Das Jahr ist noch nicht vorbei, und mit Titeln wie "Super Mario Bros. Wonder" stehen noch einige Hochkaräter in den Startlöchern.
Nintendo

Nicht für alle

Natürlich steht in diesem mittlerweile so breiten Medium Computerspiel und der damit so heterogenen Community keine Meinung stellvertretend für alle. Für viele wird "Baldur's Gate 3" nicht auf der Spiel-des-Jahres-Liste stehen, weil sie vielleicht zu wenig Zeit dafür haben, zu wenig Geduld oder einfach das Genre nicht mögen. An anderen großartigen Titeln fehlt es in diesem Jahr tatsächlich nicht, und ich bin gespannt, wie sich die verbleibenden Spiele 2023 noch schlagen werden. Erste Titel wie etwa "Alone in the Dark" flüchten schon ins Jahr 2024. Über andere wie "Assassin's Creed Mirage" weiß man wenige Wochen vor Release noch überraschend wenig.

Was mich an dieser Stelle noch interessieren würde: Welches Spiel hat Sie in diesem Jahr verzaubert? Gab es einen Überraschungstitel oder ein Spiel, auf das Sie schon ewig gewartet haben und das dann die hohen Erwartungen auch erfüllt hat? Lassen Sie uns an diesen Erfahrungen teilhaben, und feiern wir gemeinsam ein verrückt gutes Spielejahr 2023! (Alexander Amon, 9.9.2023)