Kurz Film
Wieder zurück, wenn auch nur auf der Leinwand: Sebastian Kurz.
Foto: Martin Putschögl

Der Wahlkampf beginnt, und Karl Nehammer steht mit dem Rücken zur Wand. Nach bald zwei Jahren als Bundeskanzler verweisen ihn Meinungsumfragen auf den dritten Platz nach Freiheitlichen und Sozialdemokraten. Das Letzte, was man in einer solchen Situation brauchen kann, ist die Wiederkehr eines Untoten, dessen politischen Stil vergessen zu machen er leider vergessen hat. Sie findet zwar nur auf der Filmleinwand statt, aber die Erinnerung an einstige Talmi-Größe im Vergleich zur aktuellen Tristesse geht voll zulasten Nehammers.

Kollektiver Kniefall

Es mutet gespenstisch an, wie sich der kollektive Kniefall der Volkspartei vor Sebastian Kurz von einst in dem Familientreffen wiederholte, zudem sich dieselben Funktionäre nun katzbuckelnd um den Leinwandstar scharen. Der Statist Nehammer sparte sich die Vorstellung und kam erst danach zur Party, vielleicht, um sich einen Rest von Würde zu bewahren. Das kann nicht ganz einfach sein, wenn die Fragen, ob Kurz ein Comeback plane, nicht enden wollen und dahingehend beantwortet werden, dass ihm ein solches "im Moment" nicht abgehe. Da schwingt Verachtung für den Nachfolger im Kanzleramt mit.

Man muss Nehammer nicht bedauern. Er hat es als Parteiobmann versäumt, die ÖVP aus der Kollektivschuld namens Kurz zu erlösen. Als einer, der bei dessen Installierung dabei war, hätte er dafür über seinen eigenen Schatten springen müssen, aber damit immerhin ein Beispiel dafür gegeben, dass man aus Fehlern lernen kann. Statt einen Schlussstrich zu ziehen und neu zu beginnen, führte und führt er dessen Kurs halbherzig fort, wofür seine Haltung den Freiheitlichen gegenüber ein typisches Beispiel ist.

Delphisches Orakel

Herbert Kickl für ein außen- und innenpolitisches Sicherheitsrisiko zu halten ist richtig, aber nicht originell, das tun die anderen Parteien auch. Schon Kurz ist gescheitert, als er Kickl als Innenminister loswerden, die Koalition mit den Freiheitlichen aber fortsetzen wollte. Derselben Fehleinschätzung nun wieder zu erliegen zeugt von geringer Lernfähigkeit. Und das erst recht, sollte man aus den Wahlen als schwächerer Partner hervorgehen, womit zu rechnen ist, wie die Dinge derzeit stehen.

Nehammers Satz, es werde mit ihm als Kanzler keine Regierung mit Kickl als Minister geben, hat die Zweideutigkeit eines delphischen Orakels. Dass die Freiheitlichen ihren Volkskanzler fallen lassen, um Nehammer die Kanzlerschaft zu erhalten, ist jedenfalls weit weniger wahrscheinlich, als dass die ÖVP nach einer verlorenen Wahl Nehammer fallen lässt, um eine Koalition mit Kickl zu bilden. Ob dann der besagte Moment eintritt, in dem sich der international vernetzte Geschäftsmann Kurz zu einem Comeback auf den Ballhausplatz entschließt, ist ungewiss, aber in der ÖVP fehlt es sicher nicht an Personen, die darauf hoffen.

Diese Hoffnung steht und fällt allerdings mit dem Prozess, in dem Kurz wegen falscher Zeugenaussage angeklagt ist. Er findet im Oktober statt, auch nicht günstig in einem beginnenden Wahlkampf. Ein Freispruch mangels an Beweisen wird außerhalb der Volkspartei niemand als Triumph der Unschuld interpretieren. Wird Kurz für schuldig erkannt, muss Nehammer zwar kein Comeback fürchten, aber der Schaden für die ÖVP ist da. Von der Justiz Enttäuschte können sich dann bei Kurz – der Film trösten. (Günter Traxler, 7.9.2023)