Herbert Kickl Alice Weidel
Berlin, 2020. Herbert Kickl zu Besuch bei der AfD im deutschen Bundestag. Nun folgt der Gegenbesuch der Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel in Österreich.
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FPÖ-Chef Herbert Kickl macht Ernst mit seiner Ankündigung, die freundschaftlichen Bande zur Alternative für Deutschland (AfD) stärken zu wollen. 2020 hatte er die Bundestagsfraktion der deutschen Rechtspartei besucht. Kommende Woche soll der Gegenbesuch der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel erfolgen – ebenfalls auf parlamentarischem Boden. Weidel soll in den Parlamentsräumen des Palais Epstein einen Vortrag zum Thema "Die deutsche ,Ampel‘ als abschreckendes Beispiel für Österreich" halten.

Kickl selbst hat den "Schulterschluss" mit der AfD als "geradezu eine Verpflichtung" bezeichnet. Die AfD und die FPÖ verfolgen dieselben Ziele. Beiden geht es nicht um Lösungen für Probleme. Es geht um Destabilisierung und Delegitimierung der Demokratie, des "Systems", wie beide abfällig sagen. Das ist in beiden Parteien, von den Parteivorsitzenden abwärts und auch unabhängig von ihnen, tief verankert.

Polarisierung

Das oberste politische Gebot von FPÖ- wie AfD-Politikern ist die Polarisierung. Reihenweise wurden und werden Tabus gebrochen: Migration, Corona, Ukrainekrieg. Beide Parteien verhöhnen "die Eliten", sind wissenschaftsfeindlich und Russland-freundlich. Man schmiegt sich gerne an noch extremere, rechtsradikale Elemente an und verschiebt bewusst die Grenzen des Sagbaren. Ziel ist, Menschen zu verunsichern und Wut gegen "die da oben" zu schüren. Am Ende soll illiberale, autoritäre Politik über eine liberale, konsensorientierte siegen.

Für die AfD taugen die österreichischen Blauen durchaus als Vorbild. Deutschlandweit laut ZDF-Politikbarometer derzeit bei 21 Prozent auf Platz zwei hinter der CDU/CSU, kann sie noch nicht ganz mit den Umfragehöhenflügen der FPÖ mithalten. Weidel hofft auf eine Regierungsbeteiligung in drei ostdeutschen Bundesländern, Kickl strebt die Kanzlerschaft an. In Deutschland wollen die anderen Parteien die Brandmauer gegenüber der AfD zwar aufrechterhalten. Aber es gelingt nicht immer, auch dort beginnt sie zu bröckeln.

In Thüringen ist sie seit soeben, wie Weidel triumphierend auf Social Media schrieb, "Geschichte". Gemeinsam haben CDU und AfD im Thüringer Landtag die Senkung der Grunderwerbssteuer durchgesetzt – gegen den Willen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung. Diese Art inhaltlicher Zusammenarbeit mit der sonst so geschmähten Rechten ist in Österreich längst gelebte Praxis. Selbst die SPÖ, die eine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene strikt ablehnt, verlangte erst kürzlich mit dieser gemeinsam eine Sondersitzung des Nationalrats zur Teuerung.

Durchlässigkeit des politischen Systems

Die ÖVP hat die Frage, ob die Freiheitlichen regierungsfähig sind, bereits vor 23 Jahren mit Ja beantwortet. Wolfgang Schüssel ließ sich von Jörg Haider zum Kanzler machen – das war der Tabubruch. Sebastian Kurz zog im Dezember 2017 lediglich nach. Dass man in beiden Fällen letztlich auf die Nase gefallen ist, hat die Lernkurve in der ÖVP nicht gesteigert. Der jetzige ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer tut sich mit einer Abgrenzung von der FPÖ sichtbar schwer. Er denkt, es sei genug, Kickl als Partner abzulehnen. Die rechtsnationale Logik dahinter blendet er aus.

Diese Durchlässigkeit des politischen Systems in Österreich gegenüber einer aggressiven Rechten interessiert Weidel und die AfD. Eine zweifelhafte politische Liaison bahnt sich an. Man mag sich die Konsequenzen nicht ausmalen. (Petra Stuiber, 15.9.2023)