Sebastian Kurz
Ex-Kanzler Kurz in seinem neuen Büro.
Heribert Corn

Sebastian Kurz schreitet mit weiten Schritten von seinem Büro Richtung Eingangstüre. Vorbei an der Couch in hellem Bouclé. Vorbei an dem schmalen Bücherregal, in das Werke sortiert wurden, deren Cover in Schwarz oder Blautönen gehalten sind – eine Biografie über Nelson Mandela, eine über Alois Mock, ein Buch über Digitalisierung: Zukunft verpasst?. Kurz geht vorbei an der silbernen Büroküche und der kleinen Kaffeebar. "Freut mich", sagt er – um kurz darauf anzumerken, was er von STANDARD-Berichten über sich hält: nicht so viel.

Kurz hat sich seit seinem Abgang aus der Politik kaum verändert – mit einem großen Unterschied: Er arbeitet jetzt nur für sich. Das merkt man. Er kann tun und lassen und sagen, was er will – ohne Rücksicht auf eine Partei oder gar das Land. In seiner etwas steifen Art wirkt Kurz annäherungsweise befreit. Dabei wird er im Oktober vor Gericht stehen, dabei wird in der Umfrageaffäre weiterhin gegen ihn ermittelt. Doch die Geschäfte entwickeln sich gut, sagt er – und von seiner Unschuld ist er ohnehin überzeugt.

Wenig Technik, viel Blut

Das Büro, das er am Wiener Schubertring mietet, ist Instagram-tauglich, überall ließen sich schicke Fotos schießen. Räume und Einrichtung sind naturfarben, die Tische aus Stein oder Glas. Es ist die perfekte Kulisse für modernes Unternehmertum. "In Israel sieht das Büro mehr nach Start-up aus", sagt Kurz und knipst sein Lächeln an.

Ein bisschen Farbe gibt es in seinem Büroraum. Dort steht zwar weder ein Schreibtisch, noch liegt ein einziges technisches Gerät herum. Dafür wurden ein paar Lounge-Möbel arrangiert; in der Mitte steht ein Besprechungstisch und an der Wand: ein riesiges blutiges Bild von Hermann Nitsch. Kurz, ein rechter Konservativer, ist bekennender Fan des exzessiven Aktionskünstlers.

Gegenüber von Kurz’ Büro hat Gernot Blümel sein Zimmer – er ist einer von drei Zaungästen des neuen Berufslebens von Sebastian Kurz. Kurz’ erstes Unternehmen – die SK Management GmbH – beschäftigt zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Inzwischen arbeitet sein früherer Kabinettschef wieder für ihn, seine Pressearbeit macht der vormalige Kanzlersprecher Karl Nehammers. Darüber hinaus nutzen Ex-Finanzminister Blümel, Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Kurz’ Ex-Pressesprecher Johannes Frischmann die Räumlichkeiten am Schubertring im Rahmen eines Büro-Sharings. Es ist beinahe wie früher.

Was die Zukunft für ihn bringt, weiß nur Sebastian Kurz selbst.
Heribert Corn

Geschäft mit der Sicherheit

Lange war es ruhig um Kurz. Das ist spätestens vorbei, seit bekannt wurde, dass er Star und Titelgeber eines Kinofilms ist. Oder besser gesagt: seit man weiß, dass neben Kurt Langbeins lang geplanter Dokumentation über ihn auch eine Art Gegenfilm gedreht wurde, an dem er selbst mitwirkte. Langbein hatten Kurz und sämtliche Wegbegleiter Interviews verwehrt.

Zwei Kinofilme, eine aufwendig organisierte Premierenfeier für den freundlichen Kurz-Film – will er "zurück", wie in zahlreichen Medien spekuliert wurde? Also: in die Politik? Wenn nicht: Was hat er vor? Und was macht er überhaupt als Neo-Unternehmer?

Das neue Berufsleben von Kurz lässt sich in drei Bereiche einteilen:

Zuletzt war der Ex-Kanzler mehrfach zu Sportevents gereist, um sich mit aktiven und ehemaligen Staatenlenkern – darunter zahlreiche Autokraten – zu treffen und auszutauschen. Er war bei der Formel 1 im saudischen Jeddah, beim Fußball-WM-Finale im katarischen Doha, bei der Leichtathletik-WM im ungarischen Budapest. Dort nahm er auf der Ehrentribüne von Ministerpräsident Viktor Orbán Platz.

Kritik daran könne Kurz nicht nachvollziehen. Er führe interessante Gespräche. "Außerdem ist das Teil meines Jobs." Seine Beratung beinhalte auch globalpolitische Einschätzungen – dafür informiere er sich eben.

"Bis jetzt war ich damit beschäftigt, mich beruflich neu aufzustellen. Ich habe nach wie vor eine Meinung zu vielen Themen." Sebastian Kurz
Sebastian Kurz
Sebastian Kurz in seinem Büro am Schubertring. In den Räumlichkeiten arbeiten auch mehrere seiner ehemaligen politischen Weggefährten.
Heribert Corn

Aber warum drängt Kurz nun wieder in die Öffentlichkeit? Er sitzt am Besprechungstisch seines Büros, an der Wand neben ihm hängt ein schlichtes Kreuz. "Bis jetzt war ich damit beschäftigt, mich beruflich neu aufzustellen", sagt er. Da habe er wenig Zeit für Medienanfragen gehabt. Künftig wolle er sich immer wieder zu Themen äußern.

Aber: wozu? "Ideologisch" habe er sich "nicht verändert", sagt er, doch er sei heute "freier". Drei von vier Wochen im Monat sei er im Schnitt unterwegs – in "Middle East", Israel, Abu Dhabi, Dubai, anderen Golfstaaten. Das viele Reisen verändere seinen "Blick auf die Welt". Debatten in Österreich würden zum Teil in die falsche Richtung laufen, befindet Kurz. Emotional werde er, "wenn Menschen vorgeschrieben wird, was sie sagen oder gar denken" dürften. "Leistungsfeindlichkeit und Wokeness bringen unsere Gesellschaft nicht voran."

Er habe "nach wie vor eine Meinung", betont Kurz, "zu vielen Themen". Er wolle "für Positionen werben", die er für richtig halte – auch wenn sie "außerhalb des Mainstreams" liegen. Also doch Politik?

Ehre und Litigation-PR

Seine Anhänger in der ÖVP sagen: Kurz will die vielen öffentlichen Anschuldigungen gegen ihn nicht unwidersprochen stehen lassen. Deshalb melde er sich nun wieder zu Wort. Seine Gegner sind überzeugt: Was er gerade macht, ist nicht mehr als Litigation-PR – prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit. Ende Oktober wird er im Straflandesgericht Wien auf der Anklagebank sitzen – wegen des Vorwurfs der Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss. In der Umfrageaffäre, die zu seinem Rücktritt führte, wird weiterhin gegen ihn ermittelt. Ob er auch in dieser Causa angeklagt wird, steht noch nicht fest. Kurz bestreitet alle Vorwürfe vehement.

Er selbst beteuert, die neuen Aufgaben würden ihn erfüllen. Er habe keine Sehnsucht nach seinem alten Leben.

In Medien wurde zuletzt spekuliert, ob er gar mit einer eigenen Liste bei der kommenden Nationalratswahl kandidieren könnte. "Ich darf mitteilen: Die gibt es schon", sagt Kurz dazu und grinst. "Hat 2019 fast 38 Prozent bekommen."

Die ÖVP war bei den vergangenen beiden Wahlen unter dem Namen "Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei" angetreten. (Katharina Mittelstaedt, Fabian Sommavilla, 16.9.2023)