Andreas Babler
Seine Partei stagniert laut jüngster Umfrage: SPÖ-Chef Andreas Babler.
APA/GEORG HOCHMUTH

Andreas Babler hat die Gabe, Menschen zu begeistern. Das beweist allein schon ein Blick in Onlineforen wie jenes des STANDARD. Gegen jeden Hauch von Kritik wird der SPÖ-Chef da mit einem Fanatismus verteidigt, wie es sonst nur bei Sebastian Kurz zu erleben war.

Doch am Wahltag zählt für eine Partei nicht die Qualität, sondern die Masse – und da hängt Babler fest. Laut der jüngsten Profil-Umfrage grundeln die Sozialdemokraten bei jenen 21 Prozent herum, die es schon bei der Nationalratswahl 2019 unter Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner zu beklagen gab.

Natürlich leidet der Neue an der Spitze darunter, dass Streitereien und die Posse der Parteitagswahl Vertrauen zerstört haben. Aber Babler sollte die Stagnation auch zum Anlass nehmen, die eigene Linie in der zentralen Debatte der jüngeren Vergangenheit – dem Streit über die Rekordinflation – zu hinterfragen. Denn gezündet hat der gnadenlose Populismus in Rot offenbar nicht.

Ungehemmte Übertreibung

Zweifellos bergen die Vorschläge der SPÖ im Kampf gegen die Teuerung manch klugen Ansatz, der Ruf nach Markteingriffen ertönte zu Recht. Doch garniert hat die stärkste Oppositionskraft ihr Menü mit ungehemmter Übertreibung. Tatenlos schaue die Regierung zu, wie die Leute an ihren Rechnungen verzweifelten, war und ist da seit mehr als einem Jahr im Dauermodus zu hören. Was immer an Antiteuerungshilfen fließt, sieht die einstige Kanzlerpartei wirkungslos verpuffen.

All das läuft auf eine grobe Verzerrung der Realität hinaus. Natürlich hat die Preislawine Menschen – je nach konkreter Lebenssituation – in finanzielle Nöte gestürzt. Doch dass der massenhafte soziale Absturz eingesetzt hat, wie die SPÖ ständig suggeriert, ist aus den ökonomischen Analysen bis dato nicht herauszulesen. 45,7 Milliarden an Einmalzahlungen, Steuerentlastungen und anderen staatlichen Maßnahmen lösen sich eben nicht einfach in Luft auf – ebenso wenig die von den Sozialpartnern ausgehandelten Lohnsteigerungen.

Die Stimmungsmache scheint durchaus gewirkt zu haben. Dass die real verfügbaren Einkommen – wie vom regierungsunabhängigen Budgetdienst festgestellt – im Vergleich zur Vorkrisenzeit grosso modo stabil bleiben dürften, können viele Menschen schlicht nicht glauben. Wer journalistisch über derartige Erkenntnisse berichtet, darf sich des Vorwurfs der Weltfremdheit und Propaganda sicher sein.

Erfolg der FPÖ

Das Problem der SPÖ ist nur: Wenn Bürgerinnen und Bürger einer Partei eine Erzählung abnehmen, heißt das noch nicht, dass sie diese auch wählen. Wie die Umfragen zeigen, strömen die Massen eher zur erklärten Hauptfeindin der Sozialdemokratie – der FPÖ.

Woran das liegt? Da drängt sich eine These auf: Wer mutwillig Proteststimmung schürt, zahlt auf das Konto der Blauen ein. Kocht die Wut auf die angeblich abgehobene Kaste der etablierten Politik hoch, freuen sich jene Kräfte, für die Radauschlagen zur Identität gehört. Das ist hierzulande die in der Fundamentalopposition stark gewordene FPÖ – und keine Partei, der aufgrund ihrer Geschichte immer noch eine staatstragende Aura anhaftet. Volkstümlich ausgedrückt: Warum zum Schmiedl gehen, wenn man auch zum Schmied kann?

Will Babler die SPÖ reformieren, sollte die eigene Rhetorik folglich kein Tabu sein. Sonst müssen sich die Sozialdemokraten am Ende fragen, ob nicht auch sie Herbert Kickl den Weg bereitet haben. (Gerald John, 18.9.2023)