Ein spanisches Mannschaftsfoto.
Das spanische Team vor der WM-Partie gegen Sambia.
IMAGO/NurPhoto/Jose Breton

Der spanische Fußballverband (RFEF) versinkt immer mehr im Chaos. Am Montagnachmittag berief die neue Nationaltrainerin Montse Tome 15 Weltmeisterinnen von Sydney in den Kader für die kommenden Nations-League-Spiele. Doch mehrere Nominierte verbreiteten am Abend in den sozialen Medien ein Statement, wonach sie sich weiterhin im Streik befinden.

Von Rubiales bis zum Streik

Wie kam es dazu? Bei der WM-Siegerehrung hatte der damalige spanische Verbandspräsident Luis Rubiales die Spielerin Jenni Hermoso ohne deren Zustimmung auf den Mund geküsst. Der Vorfall löste international eine Welle der Entrüstung aus. Rubiales ist mittlerweile zurückgetreten, der seit Monaten in der Kritik stehende Weltmeister-Trainer Jorge Vilda entlassen worden.

Doch die Aufräumarbeiten im spanischen Fußballverband gingen den Spielerinnen nicht weit genug. Die bisherigen Veränderungen seien "nicht ausreichend", "um sich sicher und respektiert zu fühlen", erklärten die Akteurinnen am vergangenen Freitag. Unter den derzeitigen Bedingungen würden sie nicht weiter für Spanien spielen. Sie forderten weitere personelle Konsequenzen im RFEF, unter anderem in der Presseabteilung. Grund sei, dass diese kurz nach der Siegerehrung eine Erklärung des Verbandes verbreitet hätte, in der Hermoso Worte in den Mund gelegt worden seien, die sie nicht gesagt habe.

"Diese Erklärung behält ihre volle Gültigkeit", hieß es in der montägigen Mitteilung der Kickerinnen um die zweimalige Weltfußballerin Alexia Putellas und Aitana Bonmatí. Seitdem sei keinem Mitglied des RFEF etwas anderes mitgeteilt worden, hieß es in dem Statement weiter.

Teamchefin kryptisch

Das lässt die Stunden zuvor getätigten Aussagen der Teamchefin verwunderlich wirken. Tome wurde auf der Pressekonferenz anlässlich der Kaderbekanntgabe gefragt, ob sie vor der Nominierung den Dialog mit den betroffenen Spielerinnen gesucht habe. "Ich habe mit ihnen gesprochen", antwortete Vildas frühere langjährige Co-Trainerin. Der Gesprächsinhalt bleibe aber "unter uns".

Montse Tome vor dem spanischen Logo.
Teamchefin Montse Tome steht schon im Fokus.
REUTERS/SUSANA VERA

Hermoso wurde nicht nominiert. "Wir dachten, dass es die beste Art und Weise ist, um sie zu schützen", sagte Tome. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass die nominierten Spielerinnen beim Lehrgang am Dienstag erscheinen würden.

Der spanische Verband betonte: "Wir garantieren den Spielerinnen ein sicheres Umfeld und setzen uns für ein Klima des gegenseitigen Vertrauens ein, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass sich der Frauenfußball in Zukunft noch stärker entwickelt."

Hermoso: "Nichts hat sich geändert"

Hermoso reagierte am Montagabend erbost auf die RFAF-Aussagen. Man habe wochen-, sogar monatelang, den Schutz des Verbandes gesucht. "Dieser ist aber nie gekommen." Bereits im September 2022 waren 15 Spielerinnen gegen Vilda in den Streik getreten, um gegen die Methoden des Trainers zu protestieren. Der Verband hielt dennoch bis inklusive WM an ihm fest.

"Die Leute, die nun wollen, dass wir ihnen vertrauen, sind dieselben Leute, die heute Spielerinnen nominiert haben, die nicht nominiert werden wollten", schreibt Hermoso. Die Spielerinnen seien sich nach der überraschenden Nominierung sicher, dass der Verband sie einschüchtern und auseinanderdividieren wolle - auch indem er mit rechtlichen Konsequenzen drohe. Dies sei der unanfechtbare Beweis für Hermoso: "Nichts hat sich geändert."

Auf X warf Hermoso am Dienstag dem nationalen Verband RFEF vor, "um uns einzuschüchtern und uns mit rechtlichen Konsequenzen und wirtschaftlichen Sanktionen zu drohen".

Rechtliche Konsequenzen?

Es schien zuletzt offen, ob und welche rechtliche Konsequenzen drohen, sollten die Spielerinnen der Nominierung nicht nachkommen. Laut ihnen sei die Einberufung "nicht fristgerecht erfolgt", hieß es im gemeinsamen Statement. Mögliche Sanktionen durch den Weltverband Fifa könne es im Falle ihres Fernbleibens also nicht geben.

Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sieht aber das spanische Sportrecht im Falle eine Verweigerung Geldstrafen bis zu 30.000 Euro vor. Zudem könnte der Verband ihre Spielerinnenlizenz zwischen zwei und 15 Jahren suspendieren. Victor Francos, Chef der obersten spanische Sportbehörde CSD, forderte im Radiosender "Ser" genau das. "Wenn die Spielerinnen nicht aufkreuzen, muss die Regierung das Gesetz anwenden. Es tut mir leid zu sagen, aber wir müssen tun, was wir tun müssen."

Die Spielerinnen erklärten wiederum im gemeinsamen Statement: Man wolle die "beste Entscheidung" für die eigene Zukunft und Gesundheit treffen, nachdem man die rechtlichen Folgen geprüft habe, die eine Ablehnung der Einberufung nach sich ziehen könnte. "Wie bedauern einmal mehr, dass uns unser Verband in eine Lage gebracht hat, die wir nie gewollt haben."

Die zur besten WM-Spielerin gekürte Aitana Bonmatí schrieb um kurz vor Mitternacht bei X unter anderem: "(...) unser fester Wille, aus berechtigten Gründen nicht nominiert zu werden (...) bleibt in vollem Umfang gültig."

Spanien trifft in der Nations League am Freitag auf Schweden und am Dienstag nächster Woche auf die Schweiz. In der Nations League geht es um die zwei europäischen Startplätze für die Olympischen Sommerspiele 2024, auch Weltmeister Spanien muss sich qualifizieren. (Andreas Gstaltmeyr, sid, APA, 19.9.2023)