Theresia Palmetzhofer, Zur Palme in Neuhofen/Ybbs, drei Hauben: "Es hat noch keiner gesagt: 'Pff, das war es nicht wert.'"

"Ich arbeite und lebe hier in meinem Elternhaus im Mostviertel. Damals habe ich hier schon acht Jahre im Wirtshaus der Familie gearbeitet und bin dann ausgebrochen. Ich bin nach Wien, um mir die Welt noch ein bissl anzuschauen. Ich arbeitete im Novelli, zu der Zeit war Konstantin Filippou Küchenchef. Zwischendurch absolvierte ich einige Auslandspraktika, unter anderem in den Restaurants AOC in Kopenhagen, in San Sebastián in Spanien lernte ich im Arzak. Es ging mir ums Lernen, aber auch einen Einblick in die Kulinarik des Landes zu bekommen.

Als ich zurück nach Wien kam, fing ich als Souschefin bei Filippou an. Da hatte er bereits sein eigenes Restaurant. Dort war ich dann drei Jahre lang tätig, bevor ich mich entschied, ins Mostviertel zurückzugehen.

Theresia Palmetzhofer am Elzbach nahe ihrem Elternhaus, an dem sie als Kind und Jugendliche oft gespielt hat.
Theresia Palmetzhofer
Theresia Palmetzhofer am Elzbach nahe ihrem Elternhaus, an dem sie als Kind und Jugendliche oft gespielt hat.
Florian Voggeneder

Mamas Pizza

Meine Mama war in Pension und hat mir zu der Zeit gesagt, dass sie einen Pächter für unser Wirtshaus hätte. ‚Nein, das mach ich selbst‘, habe ich ihr gesagt. Das war 2015. Ich dachte nie darüber nach, ein Restaurant in der Stadt zu betreiben. Im Hinterkopf hatte ich immer das Zuhause, immer die Idee, dass ich einmal ins Elternhaus zurückkehre. Aber zurückzugehen war schwer. Heute weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war. Damals habe ich aber gehadert. Wien war schön.

Theresia Palmetzhofer vor dem Gasthaus Palme
Theresia Palmetzhofer: "Im Hinterkopf hatte ich immer das Zuhause, immer die Idee, dass ich einmal ins Elternhaus zurückkehre."
Florian Voggeneder

Mir ging anfangs das Kulinarikangebot einer großen Stadt ab, das gibt es hier auf dem Land in der Art nicht. Es fehlte mir auch der Austausch mit anderen Köchen und natürlich auch das Fortgehen oder sich auf ein Glaserl guten Wein zu treffen. Hier auf dem Land hat sich aber viel getan. Es gibt in der Nähe eine gute Weinbar, in der keine grauslichen Stangenweine ausgeschenkt werden. Es war für mich auch ungewohnt, dass mich hier im Ort jeder kennt. Das Restaurant ist ein uraltes Haus, der Keller ist sicher 500 Jahre alt. Zunächst habe ich klein umgebaut, zuerst die Küche und die Toiletten, das Wichtigste eben. Ich renoviere sukzessive, und es wird immer schöner, also für mich.

Bei meiner Übernahme war unser Wirtshaus quasi schon geschlossen. Meine Mama sperrte das Lokal nur mehr am Wochenende für die Kirchgänger auf. Sie hat das nebenbei gemacht, um die Betriebskosten zu decken. Es gab klassische österreichische Küche und ein bisserl Italienisch. Wir hatten immer Pizza im Angebot. Damit hat meine Mama 1985 begonnen. Damals gab es rundherum keine Pizzeria, das Konzept ist voll eingeschlagen. An gewissen Tagen gibt’s bei mir noch immer Pizza. Da kommen viele Pensionisten und Familien mit Kindern. Ich habe auch Gäste, die vor 30 Jahren schon da waren und sagen, dass die Pizza noch immer gleich schmeckt. Das mache ich aber nur, wenn im Normalbetrieb wenig los ist. Ich habe auch keine Ambitionen, das auszuweiten. Ich bin keine Pizzeria.

Immer mit Auto, nie mit Rad

Zu 99 Prozent koche ich Fine Dining. Welche Gäste zu uns kommen? Das Einzugsgebiet ist extrem groß: Das reicht von Pöchlarn bis nach Linz. Aus dem Ort selbst habe ich einige Stammkunden. Momentan läuft das Lokal gut. Die Inflation, die Energiekrise betrifft uns genauso wie alle anderen auch. Klar hat es gewaltige Preissteigerungen gegeben. Mein Viergängemenü kostet derzeit 80 Euro. Ich bin sicher die Teuerste im Umkreis. Aber die Gäste honorieren das. Es hat noch keiner gesagt: ‚Pff, das war es nicht wert.‘

Die Köchin Theresia Palmetzhofer in der Gaststube
Zu 99 Prozent kocht Theresia Palmetzhofer Fine Dining.
Florian Voggeneder

Meine zwei Jungköche müssen im Jänner zum Bundesheer. Da werde ich dann wieder Personal suchen müssen. Das ist herausfordernd auf dem Land. Dagegen ist die Nähe zu den Produzenten ein Vorteil für mich als Köchin. Ich habe zwei Gemüsebauern in der Nähe, die haben gerade super Gemüse. Ein anderer versorgt mich mit Shiitake-Pilzen und hat mir letztens Wachteln gebracht. Da steht man schon mal auf dem Feld und tauscht sich aus. Was baut er an, was kann ich brauchen? Meine Tante bringt mir immer Eier, ich muss nur selten welche kaufen.

Aber für alle Wege bin ich aufs Auto angewiesen. In Wien bin ich alles mit dem Rad gefahren, das geht mir hier ab. Vielleicht nehme ich mir in der Pension eine Wohnung in Wien. Und dann schlafe ich dort, wenn gute Konzerte stattfinden. Welche Musik auch immer ich dann höre, wenn ich 65 bin."

zur-palme.at

Harald Irka, Am Pfarrhof in St. Andrä im Sausal, vier Hauben: "Die Wintermonate auf dem Land sind zach."

Der Koch Harald Irka im Garten des Gasthofs.
Für Harald Irka war es keine bewusste Entscheidung aufs Land zu ziehen.
J. J. Kucek

"Ich bin in Linz aufgewachsen, meine Familie kommt aber vom Land, aus dem Mühlviertel. Von daher hatte ich schon immer einen Bezug zu eher ruhigeren Gegenden. Lisa, meine Partnerin und Restaurantleiterin bei uns im Betrieb, stammt aus Spittal, das ist auch keine Großstadt.

Aufs Land zu ziehen, beziehungsweise hier in die Steiermark, war aber keine bewusste Entscheidung. Das war damals einfach Zufall. Das ist auch schon wieder 14 Jahre her. Zuerst war ich Koch in der Saziani Stub’n in Straden in der Oststeiermark. Der Wechsel von Linz in die Steiermark war ungewohnt. Der steirische Dialekt war für mich am Anfang eine Katastrophe. An meinem ersten Tag arbeitete ich mit einem Lehrling zusammen, der in dem Eck daheim ist. Ich habe mit ihm Englisch geredet, weil ich ihn einfach nicht verstanden habe. Selbst nach all den Jahren ist das Steirische, na ja, schwierig.

Die Städter wollen raus

Nach zehn Jahren in Straden war die Luft dann irgendwie raus. Wir sind dort weggegangen, aber ohne Plan, wohin es gehen soll. Wir spielten kurz mit dem Gedanken, in meine Heimat nach Oberösterreich zurückzukehren. Aber dann ist das Angebot gekommen, den Pfarrhof in St. Andrä, hier im Sausal, zu übernehmen. Ich finde, der Pfarrhof ist eines der schönsten Restaurants in Österreich. Ich schätze auch die Lage, gerade wegen der Nähe zu Graz. Wir versuchen einen Ganzjahresbetrieb zu führen. Es kommen viele Grazer zu uns, auch weil das Taxi hierher leistbar ist.

Nach Graz zu gehen war nie eine Option. Graz ist ein schwieriges Pflaster, dort gibt es gerade einmal eine Handvoll von Restaurants, die in einer gewissen Liga spielen. Aber dass da jemand extrem heraussticht, gab es in den letzten Jahren nicht. Warum dem so ist, weiß ich nicht. Vielleicht spielt es eine Rolle, dass die Grazer am Wochenende raus aus der Stadt wollen. Das ist in Wien ja genauso. Wenn ich freihabe, würde ich zum Essen auch nicht in eine Großstadt fahren.

Harald Irka beim Anrichten eines Gerichtes.
Der Wein lockt viele Gäste in die Südsteiermark, betont Hauben-Koch Harald Irka.
J. J. Kucek

Wir bewirten viele Gäste aus Wien, aber auch München. Es werden aber immer mehr aus der Region. Zu uns kommen viele, die übers Wochenende aufs Land fahren oder ein Ferienhaus in der Gegend besitzen. Der Wein ist hier in der Südsteiermark primär das Zugpferd, und die Leute müssen halt irgendwann mal etwas essen. Vielleicht liegt es am Urlaubsfeeling, aber die Gäste sind auf dem Land etwas entspannter. Ansonsten sehe ich keine speziellen Vorteile auf dem Land. Mir fallen eher Nachteile ein. Die Wintermonate sind zach. Man muss das ganz ehrlich sagen: Es herrscht einfach tote Hose. Es sind 70 Prozent der Buschenschanken und Restaurants in der Umgebung zu. Es fehlen die Touristen. Da tut man sich in der Stadt viel leichter. Auf dem Land muss man kämpfen, dass die Menschen zu einem kommen.

Man muss kämpfen

Auch Preisgestaltung ist ein großes Thema. In der Stadt kann man sich ein wenig spielen. Die Restaurants hier bei uns in der Umgebung sind immer 20, 30 Prozent günstiger als Betriebe in Städten mit ähnlichem Niveau. Ich habe das Gefühl, dass die Leute davon ausgehen, wenn sie aufs Land fahren, dass es günstiger zu sein hat.

Ob ich damals gehadert habe, aufs Land zu gehen? Es war natürlich eine große Umstellung, wenn du 18 Jahre in einer Stadt gewohnt hast, und dann in einem Ort mit 700 Einwohnern landest. Willst du nach der Arbeit schnell etwas essen gehen, ist das nicht so einfach. Außer man setzt sich eine halbe Stunde ins Auto und fährt in die nächste Stadt. Das ist mir anfangs ein wenig abgegangen, aber man kann sich mit allem arrangieren."

ampfarrhof.com

Philip Rachinger, Mühltalhof in Neufelden, vier Hauben: "Einen richtig guten Kebab gibt es halt nur in der Stadt."

Hauben-Koch Philip Rachinger
Hauben-Koch Philip Rachinger führt den Mühltalhof als Familienbetrieb bereits in sechster Generation.
Florian Voggeneder

"Wir führen den Mühltalhof als Familienbetrieb bereits in sechster Generation. Dadurch war mein Weg schon ein wenig vorgegeben. Von daheim wurde aber nie Druck ausgeübt, in diese Fußstapfen zu treten. Vielleicht macht mir deswegen meine Arbeit heute noch Spaß. Nach ein paar Stationen in ganz Österreich war ich knappe zwei Jahre im Steirereck in Wien.

Als junger Koch wollte ich immer zu den Reitbauers. Danach arbeitete ich ein Jahr in London und eines in Paris. Es ist ein intensives Leben als 22-Jähriger in London. Man isst gut, trinkt gut und weiß, wo die besten Partys stattfinden. Ich wäre noch gerne auf Wanderschaft gegangen. Zum Beispiel nach Übersee. Tokio oder New York, Stationen, wo jeder Koch mal hinwill, hätten mich gereizt.

Aber dann rief mich mein Papa an, dass er einen Souschef braucht. Ich bin dann wie jeder brave Landjunge gefolgt, ohne mit der Wimper zu zucken. Es ergab sich damals super, weil ich zur gleichen Zeit meine Freundin kennengelernt habe.

Zurück auf dem Land ist relativ schnell meine erste Tochter auf die Welt gekommen. Man hat auf dem Land ja sonst nix anderes zu tun, als Kinder zu zeugen. (lacht) Jetzt bin ich mittlerweile schon zehn Jahre wieder zu Hause.

Wir sind anpassungsfähig

Das Hotel ist wie eine kleine Insel. Hier lernt man immer neue Leute kennen. Sie sind aus Wien, aus Zürich, unsere Gäste sind sicher zu 70 bis 80 Prozent Städter. Deswegen ist mein Landleben eine entschärfte Version. Meine Familie hat viel Vorarbeit geleistet, eine bestimmte Klientel anzusprechen. Heute sind wir eine Foodie-Destination. Da nimmt man zwei, drei Stunden Anreise schon in Kauf, dafür lässt man sich’s gutgehen.

Hauben-Koch Philip Rachinger in der Küche.
Es hat sich in den letzten Jahren eben herauskristallisiert, dass Philip Rachingers Gourmetkonzept Fine Dining ist.
Florian Voggeneder

Es war immer mein Augenmerk, der Gastro ein Image zu verleihen, das auch die 16- bis 35-Jährigen anspricht. An manchen Wochenenden haben wir ein junges Publikum, ansonsten kommen auch viele Pensionisten.

Natürlich sind wir teuer. Wir bezahlen unsere Leute gut, verwenden hochwertige Produkte, das hat halt seinen Preis. Aber wir versuchen, das nicht auszureizen. Ich möchte nicht noch teurer werden. Das ganze Geld fließt in den Betrieb. Ich fahre jetzt nicht nach Cannes auf Urlaub oder so.

Unser Betrieb war bereits Sommerhotel, Golfhotel, für die Sommerfrische und Dorfwirtshaus. Wir haben alle Hochzeiten und Beerdigungen im Ort abgehalten. Es hat sich in den letzten Jahren eben herauskristallisiert, dass wir mit Fine Dining gut fahren. Aber falls unser Gourmetkonzept irgendwann nicht mehr funktioniert, dann macht man halt etwas anderes. Wir sind anpassungsfähig.

Ich habe ganz viele Gastronomen gefragt, ob man im eigenen Betrieb wohnen soll oder nicht. Viele Wirte machen das ja. Wir wohnen zumindest einen Steinwurf entfernt. Für die Kinder und die Freundin ist es sicher besser, ein wenig Distanz zu haben.

Zweischneidiges Schwert

Vorteile oder Nachteile von Haubenküche auf dem Land? Es ist ein zweischneidiges Schwert auf dem Land zu kochen. In Großstädten wie Paris kann man sogar noch zu Mittag für den Abend Zutaten bestellen. Das geht auf dem Land nicht. Oder nur wenn man extrem dick mit dem Produzenten ist. Ich habe hier ein super Verhältnis mit ihnen. Man befindet sich direkt an der Quelle und schaut selbst oft auf der Landwirtschaft vorbei. Und klar, wenn es um die Familie geht, ist es auf dem Land chilliger.

Natürlich geht meinen Mitarbeitern und mir das Nachtleben ab. Nach der Arbeit einfach in eine leiwande Bar gehen ist halt nicht drin. Das muss alles im Betrieb passieren. Wir finden auch schwieriger Aushilfen im Service. Und einen richtig guten Kebab, den gibt es halt nur in der Stadt."

muehltalhof.at

(RONDO, Kevin Recher, 21.9.2023)