Van der Bellen
Van der Bellen in New York.
EPA/SARAH YENESEL

New York / Wien – "Die Uno ist dafür da, dass alle Standpunkte Gehör finden." So lautete das Resümee von Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Ende seines Besuchs bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen im APA-Gespräch. Wie vielschichtig manche Themen sind, zeigt sich für Van der Bellen auch beim Schwerpunkt Klimawandel. Es gebe diesbezüglich ein "ernsthaftes Bewusstsein", diagnostizierte er. Allerdings würden sich die einzelnen Länder in unterschiedlichen Positionen befinden.

Van der Bellen, der am Mittwochabend (Ortszeit) die Heimreise nach Wien antrat, erinnerte an eine Aussage des Präsidenten Kolumbiens, Gustavo Petro, der beim am Mittwoch abgehaltenen Klimagipfel im Rahmen der Uno-Generalversammlung zwar prinzipielles Verständnis für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gezeigt habe, gleichzeitig aber anmerkte, dass sein Land in Südamerika eben zu einem beträchtlichen Teil vom Export von Erdöl und -gas lebe.

Es gelte also, die spezielle Situation spezifischer Länder "im Auge zu behalten", meinte Van der Bellen. "Und genau dafür ist die Uno da." Die Vereinten Nationen seien eben ein Forum zum Austausch. Wobei es beim Thema Klimawandel schon zu einem beträchtlichen Teil Uno-Generalsekretär António Guterres zu verdanken sei, dass dieses "über die Jahre auf der Tagesordnung" bleibe: "Er lässt da nicht locker". Bei der Uno hätten aber auch "die ärmsten Länder, die ökonomisch überhaupt keine Rolle spielen im Weltgeschehen, eine Plattform, um Gehör zu finden."

Es gebe noch viele offene und strittige Fragen. Zum Beispiel: "Über welche Zeiträume reden wir? Bis wann wird es sich lohnen, Öl und Gas zu fördern, beziehungsweise wie lange können wir uns Öl- und Gasförderung angesichts der zunehmenden Klimakrise überhaupt noch leisten?" Das würden Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate – wo in Dubai gegen Jahresende der nächste Weltklimagipfel COP 28 stattfinden wird – "natürlich genauso wissen wollen wie Kolumbien oder beispielsweise jene Inselstaaten, die vom Untergang bedroht sind." Die Uno sei eben dafür da, dass alle Gesichtspunkte erörtert werden könnten.

Klimaticket und Tempo 100

In Österreich würden beim Klimawandel "die Erfolge, die wir schon unter Dach und Fach gebracht haben, oft unterschätzt", meinte Van der Bellen. Als Beispiel nannte er das Klimaticket, dem äußerst komplexe Verhandlungen auf mehreren Ebenen vorausgegangen seien. Wobei er die "Leidenschaft bei manchen Diskussionen" nicht ganz verstehen könne. Etwa beim Thema "Tempo 100 auf der Autobahn". Er selbst sei vom Jahr 2022 "positiv überrascht gewesen", so Van der Bellen. "Da hatten wir ein reales Wirtschaftswachstum von fünfeinhalb Prozent, und gleichzeitig sind die CO2-Emissionen um sechs Prozent zurückgegangen." Klimaschutz habe also nicht immer mit Verzicht zu tun.

Etwas Sorgen bereitet Van der Bellen der Umstand, dass die Friedensmissionen der Uno immer weiter zurückgehen. Per Jahresende wird beispielsweise die Minusma-Mission in Mali aufgelöst. Militärexperten zufolge zeichnet sich schon ab, dass die Söldner der russischen Wagner-Truppe das entstehende Vakuum auffüllen werden. Das liege wohl auch an der Finanzierung, analysierte Van der Bellen, doch wäre es ein großer Fehler, "wenn wir uns solche Möglichkeit entgleiten lassen".

Zumal sei international zuletzt zu beobachten gewesen, dass mit den Brics-Staaten eine Organisation entstehe, wo es mit China "eine riesige Macht" gebe, zu der im Vergleich die meisten anderen "Zwerge" seien – "abgesehen von der Ironie", dass Russland plötzlich Teil des Globalen Südens, also der Entwicklungs- und Schwellenländer, sein solle, wunderte sich Van der Bellen. Brics bezeichnet eine Vereinigung der Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die ab 2024 um sechs Länder – Saudi-Arabien, den Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Argentinien, Ägypten und Äthiopien – erweitert wird. Solche Staatenbündnisse seien zwar "legitim", so Van der Bellen, doch sei schon die Gefahr gegeben, dass es zu einer Art Fragmentierung der Uno kommen könne. "Dieses Risiko besteht, aber damit müssen wir umgehen."

Van der Bellen hatte am Mittwoch im Rahmen der Uno-Generaldebatte in New York am Climate Ambition Summit teil genommen und in Folge auch mit Klimawissenschaftern an der Columbia Business School konferiert. (APA, 21.9.2023)