Lisz Hirn
Lisz Hirn mit ihrem Buchtipp. Ihr eigenes neues Buch "Der überschätzte Mensch. Anthropologie der Verletzlichkeit" erscheint am 25. 9. erscheintbei Zsolnay.
Privat

Witzfrage: Wie kann man als gebürtige Obersteirerin überhaupt so gescheit werden? "Durch die Stadtbücherei!", lacht sie. "Das war für uns Schüler das intellektuelle Zentrum, das wir in Leoben hatten, und auch die einzige kostengünstige Möglichkeit, an Neuerscheinungen zu kommen." Hat sie eine besondere Kinderbucherinnerung? "Ja! In der Volksschule kam einmal Franz S. Sklenitzka mit seinem Kinderbuchklassiker Drachen haben nichts zu lachen vorbei, und der trug das Buch so gut vor, dass selbst Kinder, die bis dahin gar nie etwas gelesen haben, sich vom eigenen Taschengeld unbedingt sein Buch kaufen wollten." Was liebte sie noch außer Lesen? "Singen! Da war das Angebot in Leoben sehr gut, von Chor- bis Wettbewerbsarbeit gab es fast alles." Nur Jodeln, das sie unheimlich findet, kann sie bis heute nicht.

Eselsohren und Papiergeruch

Auf Digital ist sie nie umgestiegen. "Ich mag Eselsohren in Büchern, das Reinschreiben, den Geruch des jeweiligen Papiers." Freilich um den Preis, dass gedruckte Bücher etwas wiegen: "Die ganz dicke Ausgabe von Bertrand Russells Philosophie des Abendlandes in der Originalfassung, die ich bei einem Straßenhändler in Udaipur fand, wog vier Kilo, und die schleppte ich im Rucksack durch halb Indien." Tanger, wo sie die Cafés zum elendslangen Herumsitzen liebt, und Bhaktapur in Nepal, "wo es ein ausgezeichnetes Gesangsinstitut für nordindische Kunstmusik gibt", sind Sehnsuchtsorte für die Vielreisende.

Wehmütig erinnert sie sich an ihre Jugend, "als ich unendlich viel Zeit hatte und lesen konnte, was immer ich mochte". Längst ist Lesen Beruf geworden, und den Luxus, sich in ein Buch einfach fallen zu lassen, kann sie sich nur mehr selten leisten. Zuletzt mit Franzobels Das Floß der Medusa: "Das war seit langem wieder mal ein Buch, wo ich atemlos war beim Lesen. Ich habe vergessen, wie spät es ist, bin von der Sonne halb verkohlt am Strand gelegen und konnte nicht und nicht aufhören. Ich mag es, wenn mich Autoren mit kleinen Wendungen und Fragen, bei denen ich hängen bleibe, überraschen." (Manfred Rebhandl, 22.9.2023)