Gesundheitsminister Sozialminister Johannes Rauch und Kabarettist und Kinderchirurg Omar Sarsam Café Prückel
Wer lacht mehr, wenn sich ein Politiker (Minister Johannes Rauch) und ein Kabarettist (Omar Sarsam) treffen?
Heribert Corn

Der Kabarettist und Kinderchirurg Omar Sarsam kommt zwei Minuten nach der vereinbarten Zeit ins Café Prückel, Johannes Rauch wartet bereits. "Ich komme immer zu spät", sagt der 43-Jährige, "ich wollte Sie unbedingt gleich behandeln." In seinem Programm Sonderklasse wird das Arztsein amüsant beleuchtet, das Treffen mit dem grünen Sozialminister verläuft phasenweise auch ernst.

STANDARD: Herr Sarsam, Sie sind neben Ihrem Job als Kabarettist in einer Ordination privat als Kinderchirurg tätig. Sie haben einige Jahre in öffentlichen Spitälern gearbeitet. Minister Rauch versucht aktuell, das öffentliche Gesundheitssystem zu attraktivieren. Was müsste passieren, damit Sie dorthin zurückkehren?

Sarsam: Als 2015 das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz scharf geschaltet wurde, hatten wir plötzlich pro Woche statt 70 bis 80 Stunden maximal 48 Stunden Präsenz im Spital. Das bedeutete um 20 bis 30 Prozent weniger Zeit im Beruf. An der Kinderchirurgie waren wir schon davor wirklich am Limit. Ich hätte mir die Qualität von früher zurückgewünscht.

Rauch: Sie sprechen eine Problemlage an, die schon länger da ist. Wir müssen im Gesundheitssystem jetzt an vielen Schrauben drehen. Eine davon ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Ärztinnen und Ärzten, ohne dass es zu Qualitätsverlusten kommt.

Sarsam: Alleiniges Erhöhen der Gehälter genügt nicht. Menschen brennen aus, weil sie den Sinn in ihrer Tätigkeit nicht sehen. Prävention ist auch etwas, wo die Belohnung erst später kommt ...

"Alleiniges Erhöhen der Gehälter genügt nicht."
Omar Sarsam über Reformen

Rauch: In Österreich kennen wir im Prinzip nur zwei Aggregatzustände: gesund oder krank. Prävention, Vorsorge, Ernährung, Bewegung kommen viel zu kurz, auch Rehabilitation. Nur ein sehr kleiner Bruchteil der Ausgaben geht in die Prävention. Da gibt es noch eine Finanzierungslücke. Ich versuche allen Playern – Sozialversicherung, Bundesländern, Ärztekammer zum Teil, Finanzministerium – klarzumachen, dass wir ein neues Modell bilden müssen, in dem wir Spitalssektor, niedergelassenen Bereich und Prävention zusammendenken.

STANDARD: Bei den Finanzausgleichsverhandlungen rennt Ihnen langsam die Zeit davon.

Rauch: Wir sind aber weit gediehen. Es besteht inzwischen Einigkeit darüber, dass es frisches Geld nur dann gibt, wenn Reformen stattfinden. Es ist die gesamte Begleitlegistik vorbereitet. Es müssten maßgebliche Gesetze wie das Ärztegesetz oder das Pflegefondsgesetz angepasst werden.

Kabarettist und Kinderchirurg Omar Sarsam Café Prückel 2+1
Omar Sarsam ist Kabarettist und als Kinderchirurg in einer Ordination in Wien tätig, bis 2017 arbeitete er mehrere Jahre als Spitalsarzt.
Heribert Corn

Sarsam: Das Gesundheitswesen in Österreich ist nach wie vor eines der besten. Das gilt es zu bewahren.

Rauch: Ich will auf jeden Fall vermeiden, dass wir in ein britisches oder amerikanisches System abgleiten, wo die beste Behandlung bekommt, wer es sich leisten kann.

STANDARD: Entwickelt es sich nicht bereits in diese Richtung?

Rauch: Es gibt Tendenzen. Aber wir haben eine gute Grundversorgung, um die uns andere europäische Länder beneiden. Und zum Personal: Ich war im Sommer unterwegs in vielen Pflegeeinrichtungen, und das Personal bat mich händeringend, öffentlich auch zu sagen, dass das ein toller Beruf ist. Aber es wird uns nicht gelingen, den Personalbedarf rein mit europäischen Arbeitskräften abzudecken, qualifizierte Anwerbung und Zuwanderung wird notwendig sein. Da haben wir in Österreich einen Wettbewerbsnachteil, weil wir 15, 20 Jahre vermittelt haben: Alles, was von außen kommt, ist böse.

"Beim Anwerben von Fachkräften haben wir einen Wettbewerbsnachteil."
Johannes Rauch

STANDARD: In der Politik wird beim Thema Migration oft mit der Angst vor dem Fremden gespielt. Sie, Herr Sarsam, nähern sich dem in Ihren Programmen mit Ironie. Warum darf oder gar soll man über Vorurteile lachen?

Sarsam: Das Gehirn arbeitet gerne mit Vorurteilen, also mit aus Erfahrungen berechneten Situationen der Zukunft. Und diese passen oft gut. Aber über Vorurteile muss man sich bewusst sein und bereit sein, sie aufzubiegen. Das ist das, was ich auf der Bühne versuche. Sobald man über etwas gelacht hat, hat man sich damit verbunden und keine so große Angst davor.

"Sobald man über etwas gelacht hat, hat man sich damit verbunden." 
Omar Sarsam

STANDARD: Was tun Sie, um Fachkräfte ins Land zu holen?

Rauch: Ich bin international mit Kollegen im Austausch darüber. Ein Aspekt ist mir besonders wichtig: Wir dürfen nicht in einer neokolonialen Art irgendwo hinfahren und Leute "herholen". Man muss den Leuten etwas bieten, vom Spracherwerb bis zum Familienzuzug. Auf Augenhöhe und in Absprache mit den Herkunftsländern.

Sarsam: Wenn ich einen Beruf, der so belastend ist, dass Menschen in Österreich ihn nicht mehr annehmen wollen, nur mit Menschen aus anderen Ländern besetzen kann, erzeuge ich ein soziokulturelles Gefälle und besetze diesen eigentlich unbequemen Beruf mit Menschen, die es vorher schwieriger hatten und es sich so etwas verbessern. Müsste man nicht eigentlich die Attraktivität dieser Berufe an sich erhöhen?

Rauch: Ja, absolut richtig, und daran arbeiten wir. Es ist eine Herausforderung in allen Bereichen, wie man das organisiert, ohne in eine völlige Schieflage zu geraten.

Gesundheitsminister Sozialminister Johannes Rauch und Kabarettist und Kinderchirurg Omar Sarsam Café Prückel 2+1
Johannes Rauch ist seit März vorigen Jahres Gesundheits- und Sozialminister.
Heribert Corn

STANDARD: Stichwort Corona: Es gibt wieder mehr Fälle laut Abwassermonitoring. Derzeit ist aber keine Info-Kampagne geplant?

Rauch: Nein. Wir haben das Abwassermonitoring mit 48 Kläranlagen, und wir sequenzieren nach wie vor Proben. Wir sind also nicht im Blindflug unterwegs. Es gibt die Empfehlung, sich auffrischen zu lassen und in engen Settings mit mehreren Menschen freiwillig Maske zu tragen.

"Wir sind nicht im Blindflug unterwegs."
Johannes Rauch zu Corona

STANDARD: Die Regierung hat mehrere Maßnahmen gegen die Teuerung auf den Weg gebracht. Die Caritas teilte trotzdem kürzlich mit, dass die Not bei den vulnerabelsten Gruppen zunimmt. Wie nehmen Sie das wahr?

Rauch: Ja, das stimmt. Tafeln, Lebensmittelausgabestellen, Schuldenberatungsstellen haben massiv steigende Zahlen. Hätten wir die 40 Milliarden Euro, die wir in den vergangenen drei Jahren dafür ausgeschüttet haben, nicht ausgeschüttet, wäre die Lage noch schlimmer.

STANDARD: Hätte es gezieltere Maßnahmen gebraucht?

Rauch: Wir waren zu Beginn wahrscheinlich in der Fläche zu breit. Wir haben mit dem Kinderarmutspaket, 60 Euro pro Monat pro Kind, jetzt etwas Treffsicheres aufgestellt.

STANDARD: Herr Sarsam, Sie engagieren sich auch sozial, sammeln nach Ihren Auftritten Spenden. War die Teuerung bei den Projekten, die Sie unterstützen, auch ein Thema?

Sarsam: Ich sammle einerseits für "Ferien in Wien", einem Therapiecamp des Jugendrotkreuzes. Da haben sich die Therapiekosten, Reinigungskosten und so weiter dramatisch erhöht. Und ich sammle für die St. Anna Kinderkrebsforschung, die rein aus privaten Spenden finanziert ist. Das macht mir ordentlich Druck, weiter lustig zu sein ...

Rauch: Es ist gut, dass Sie so lustig sind. Ich finde großartig, was Sie machen, sowohl auf der Bühne als auch nach der Aufführung. Zuversicht und Optimismus sind ein wertvoller Zugang, der den Menschen hilft. Das versuche ich auch zu leben. (Gudrun Springer, 24.9.2023)