Ein Metallarbeiter schleift einen metallischen Gegenstand.
Eher früher als später werden in der Metaller-Lohnrunde die Funken sprühen.
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Mit einem Plus von 11,6 Prozent für Löhne und Gehälter in der Metallindustrie sorgte die Forderung der Gewerkschaften Pro-Ge und GPA fast für Verwunderung. Denn Arbeitgeber und Öffentlichkeit hatten nach den markigen Sprüchen im Vorfeld der diesjährigen Herbstlohnrunde durchaus eine deftigere Forderung erwartet.

Die Situation sei insgesamt sehr angespannt, sagte der Chef der Metall- und Produktionsgewerkschaft, Reinhold Binder, nach der Forderungsübergabe wie zur Entschuldigung. Man habe es sich nicht leichtgemacht, es stünden harte und schwere Verhandlungen an, um die Kaufkraft für rund 200.000 Metallarbeiter und Industrieangestellte zu erhalten. Dass sich die Metallindustrie für die Erhaltung nicht zuständig erklärte, sei inakzeptabel, legte der Verhandlungsführer der GPA, Karl Dürtscher, nach. Die Preise auf dem Markt wurden nicht nach den Kosten erhöht, sondern nach dem Motto "Wos geht grad noch eini?". Die Beschäftigten hingegen könnten ihre Preise nicht nach Gutdünken erhöhen, echauffierte sich Dürtscher. "Die Regierung hat bei der Inflationsbekämpfung an allen Ecken und Enden versagt", das müssten die Arbeitnehmer nun bei jedem Einkauf, bei Energie- und Treibstoffrechnungen ausbaden.

Metaller-Abschlüsse seit 2017.

Den mit 7,4 Prozent gemessen an der späteren Inflationsentwicklung relativ moderaten Vorjahresabschluss rechtfertigte man so: Damals sei nicht klar gewesen, ob die Wohnungen während der Gaskrise warm bleiben, ob die Industrie überhaupt werde produzieren können.

Starker Tobak

Starker Tobak ist die heurige Forderung nach plus 11,6 Prozent für die aus den Branchen Maschinen/Metallwaren, Fahrzeugindustrie, Nichteisenmetalle, Gießereien und Eisen/Stahl sowie den Gas-/Wärmeerzeugern bestehende Metallerrunde dennoch. Sozusagen die Speerspitze bildet traditionell die Metalltechnische Industrie mit den Gießereien. Sie eröffnete den Reigen mit dem Wirtschaftsgespräch, in dem Zustand und Aussichten der Branche diskutiert wurden.

Die Industrie befindet sich nach einem im Rückblick überraschend guten Jahr auf dem absteigenden Ast, die Auftragsbücher füllen sich nur langsam, und die Margen sinken aufgrund stetig gestiegener Rohstoffkosten und Erzeugerpreise. Das alles vor dem Hintergrund deutlich höherer Energiepreise, die für die energieintensive Industrie zwar im Wege großzügiger staatlicher Hilfszahlungen gedämpft werden, aber die Wettbewerbsfähigkeit nicht nachhaltig verbessern. Über allem schwebt die Gefahr einer Abwanderung einzelner Produktionsbereiche, Investitionen in Werkserweiterungen werden im Lichte neuerlich steigender Zinsen und massiv gestiegener Lohnstückkosten dreimal durchgerechnet. Fachkräftemangel hin oder her – wie sicher die Arbeitsplätze in diesem Umfeld sind, ist fraglich.

"Giftiger Cocktail"

Von einem giftigen Cocktail spricht der Arbeitgeber-Chefverhandler und Chef des Wiener Sicherheitstechnikspezialisten EVVA, Stefan Ehrlich-Adám: "Die Inflation ist enorm, gleichzeitig bricht die Konjunktur ein, eine Rezession steht ante portas." Der EVVA-Chef bildet gemeinsam mit Johannes Collini vom gleichnamigen Vorarlberger Metalloberflächenveredler Collini die Doppelspitze der Arbeitgeber der Metalltechnischen Industrie. Man kämpfe ohnehin schon mit hohen Energie-, Produktions- und Lohnnebenkosten.

Bei Letzteren würden die Neos ansetzen. Eine Senkung der berühmten Lohnnebenkosten, also den Beiträgen zu Familienlastenausgleichsfonds, Wohnbauförderung und Arbeitslosenversicherung sowie der Wirtschaftskammerumlage, würde den Lohnverhandlern Spielraum verschaffen, schlägt etwa der Chef des Neos Lab, Lukas Sustala, vor. Das Geld dafür müsste diesfalls vom Finanzminister kommen. Politisch konveniert dieser Vorschlag eher nicht, denn dann könnte die Politik bei Unfall- und Arbeitslosenversicherung den Sparstift ansetzen, wodurch Leistungen zurückgenommen würden. Auch müsste im Gegenzug zu einer Senkung der Wirtschaftskammerumlage auch die Arbeiterkammer ihre Beiträge senken. Die Senkung müsste erheblich sein, auf 6,55 Prozent taxiert sie Sustala, der auf Berechnungen von Economica verweist. Erst dann wären die Entlastungen spürbar und die Lohnnebenkosten auf dem Niveau anderer Industrieländer.

Verhandlungsspielraum schaffen

Eine Senkung der Lohnnebenkosten würde nicht nur den allgemeinen Preisauftrieb reduzieren, sondern bei einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn eines Metallarbeiters von 3.670 Euro pro Monat Spielraum in der Größenordnung eines zusätzlichen Monatsbezugs schaffen – ohne dass die Kostenbelastung für die Unternehmen über Gebühr steigt, rechnet Ökonom Sustala vor. Das wäre eine Entlastung, allerdings in erster Linie für die Arbeitgeberseite.

"Die Beschäftigten brauchen eine Entlastung", hält Karl Dürtscher von der GPA dagegen. "Wir verhandeln nicht für die Zukunft", die Arbeitnehmer seien Opfer einer "unglaublichen Gierflation". Schützenhilfe kommt vom gewerkschaftsnahen Momentum-Institut. "Die Kaufkraft der Löhne ist so niedrig wie vor elf Jahren", rechnet Momentum-Ökonom Jakob Sturn vor. "So wenig konnten sich Arbeitnehmer zuletzt im Oktober 2012 um ihren Lohn kaufen." (Luise Ungerboeck, 26.9.2023)