Der Krieg in der Ukraine werde leider so bald nicht aufhören, befürchtet Caritas-Generalsekretärin Anna Parr. Aber auch im Fall eines Endes des Überfalls Russlands auf das Nachbarland könnten viele Vertriebene nicht oder erst nach längerer Zeit zurückkehren.

Die Zerstörungen seien in manchen Regionen massiv, und aus den von russischer Besetzung befreiten Gebieten kämen Berichte über verminte Häuser, Wälder, Wiesen. "Es wurden sogar in Kinderspielzeug oder in Lebensmittelschränken Minen gefunden", sagte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser.

Ukrainische Flüchtlinge bei privaten Unterkunftsgebern in Nickelsdorf im Jahr 2022
So begann es: Im Frühjahr 2022 erhielten Flüchtlinge aus der Ukraine einen EU-Vertriebenenstatus und kamen vielfach bei privaten Unterkunftgebern – hier im burgenländischen Nickelsdorf – unter.
Reiner Riedler

Daher brauche es für die rund sechs Millionen aus der Ukraine Vertriebenen – und jene 70.000 davon, die in Österreich sind – "langfristige Perspektiven" für einen Verbleib, betonten Parr, Moser, Rotkreuz-Vizepräsidentin Anja Oberkofler und Judith Ranftler von der Volkshilfe bei einer Pressekonferenz am Montag in der Wiener Pfarre St. Barbara. Dort kümmert man sich seit Beginn des Exodus schwerpunktmäßig um die Versorgung der großteils Frauen mit Kindern, die vor den Kampfhandlungen geflohen sind.

NGOs für Status wie anerkannte Flüchtlinge

Nun wird die EU-Kommission die Vertriebenen-Richtlinie, auf deren Basis die Ukraine-Flüchtlinge seit März 2022 Aufenthaltsrecht und Arbeitsmarktzugang in der gesamten Union haben, mit größter Wahrscheinlichkeit ab März 2024 für ein weiteres Jahr verlängern. Österreich wird dieser Entscheidung wohl folgen.

Doch nach dann bereits zwei Jahren im Exil bräuchten die Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich konkrete und praktikable Integrationsperspektiven, betonten die NGO-Vertreterinnen.

Ihr Vorschlag wäre: Die Ukraine-Vertriebenen werden anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt, also Menschen, die nach einem Asylverfahren in Österreich internationalen Schutz erhalten haben. Sie wären dann in allen sozialen und Arbeitsmarktbelangen österreichischen und EU-Staatsbürgern gleichgestellt – vom Wahlrecht abgesehen.

Raab und Karner für Rot-Weiß-Rot-Card plus

In eine andere Richtung gehen die Pläne des Innen- und des Integrationsministeriums. Sie wollen die Ukraine-Flüchtlinge, wenn deren Vertriebenenstatus ausläuft, aufenthaltsrechtlich wie Drittstaatsangehörige behandeln, die auf den österreichischen Arbeitsmarkt wollen. Konkret sollen sie eine Rot-Weiß-Rot-Card plus und zusätzlich Zugang zur Sozialhilfe bekommen. Sie müssten dazu dann zum Beispiel Deutschkenntnisse vorweisen, um weiter in Österreich bleiben zu können.

Was würde sich für die Ukraine-Flüchtlinge in Österreich ändern, wenn sie statt des Vertriebenenstatus eine Rot-Weiß-Rot-Card plus erhielten?

NGO-Forderungen "befremdlich"

Aus dem Büro von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hieß es am Montag auf STANDARD-Nachfrage, Vorrang habe "eine Integration in den Arbeitsmarkt und nicht eine Zuwanderung ins Sozialsystem" durch Ukraine-Flüchtlinge. Im Raum stehe die besagte Verlängerung der EU-Richtlinie um ein Jahr. Das ermögliche Gespräche über künftige Lösungen "gelassen und ohne Zeitdruck". In Österreich seien Innenminister, Integrationsministerin und Arbeits- und Sozialminister an den Konsultationen beteiligt, auch mit den Hilfsorganisationen sei man regelmäßig in Kontakt. Die NGO-Forderungen hätten daher "Befremden ausgelöst". (Irene Brickner, 25.9.2023)