Schrebergartensiedlung
Manche Häuser im Kleingarten werden mittels Umwidmung nachträglich legalisiert.
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Nach Gartenzwergen muss man in Wiener Kleingärten heute lange suchen. Und auch sonst hat sich vieles verändert. Die einst einfachen Hütten sind zweistöckigen Fertighauswürfeln gewichen. Statt Gemüsegarten und Obstbäumen gibt es Swimmingpool und Terrasse. Mit der ursprünglichen Idee der Kleingärten vor mehr als hundert Jahren, nämlich der Selbstversorgung der Wiener Bevölkerung, hat all das nicht mehr viel zu tun.

Derzeit fällt aber ein noch längerer Schatten auf das Idyll. Der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy sowie SPÖ-Parteigenossinnen haben sich in der Siedlung des Kleingartenvereins Breitenlee rund um einen Badeteich Grundstücke gekauft – und zwar just in einer Zeit, in der auf diesen nur kleine Badehütten errichtet werden durften. Wenig später folgte die Umwidmung. Seither dürfen in der Siedlung – und geschützt hinter einem Zaun, der dem einer nicht gerade volksnahen Gated Community gleicht – vollwertige Häuser errichtet werden. Damit hat sich der Wert der Grundstücke vervielfacht.

Ob und von wem die Umwidmung aktiv vorangetrieben wurde, muss geklärt werden. So oder so ist die Optik eine verheerende. Nach der Causa Grafenwörth um Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (ÖVP), der sich an Umwidmungen bereichert haben soll und sein Amt mittlerweile ruhend gestellt hat, trägt nun auch die SPÖ ihr Schäufelchen bei zum in der Bevölkerung ohnehin schon weit verbreiteten Glauben, dass man es sich in Österreich schon irgendwie richten kann, wenn man nur die richtigen Leute kennt. Frei nach dem Motto: Die Regeln gelten – aber nur für die anderen.

Politische Fehlentscheidungen

Möglich gemacht wurde dieses Versagen im Kleingarten durch jahrzehntelange politische Fehlentscheidungen. Schon in den 1970er-Jahren hat man mit der damals neuen Widmung "Gartensiedlungsgebiet" illegale Bauten – das sind jene Häuser, die wie durch Zauberhand plötzlich größer oder höher ausfielen als ursprünglich ausgemacht – nachträglich legalisiert. Frechheit siegt im Kleingarten – und das gilt offenbar immer noch, denn auch im Kleingartenverein Breitenlee wurden Bauten mittels Umwidmung nachträglich legalisiert.

In den 1990er-Jahren folgten noch folgenschwerere Entscheidungen: In vielen Siedlungen darf man seither ganzjährig wohnen – damit, so eine Lesart, wollte die Stadt eine Alternative zum Einfamilienhaus im Speckgürtel bieten. Und dann fiel auch noch der politische Beschluss, dass die Parzellen, die von den Vereinen zur Pacht vergeben wurden, auch gekauft werden können.

Doch jene, die sich das Einfamilienhaus mit Garten inmitten der Stadt leisten können, haben häufig kein Interesse am Zusammenleben, viele sind nicht einmal mehr Mitglieder in den Kleingartenvereinen, deren Infrastruktur sie dennoch gerne nutzen.

Mittlerweile wurde der Verkauf der Parzellen zwar eingestellt, doch der Schaden ist passiert. 5.000 Grundstücke in tollen Lagen wurden regelrecht verschleudert, um später mit viel Gewinn weiterverkauft zu werden. Der Kleingarten wurde so zum Spekulationsobjekt.

Und in den Siedlungen wird nicht zuletzt auch die Bodenversiegelung angeheizt. In einstigen Grünoasen bleibt angesichts der Bautätigkeit kein Platz mehr für Flora und Fauna. Für die Politik gäbe es abseits zumindest moralisch verwerflicher privater Grundstücksdeals tatsächlich einiges zu tun im Kleingarten. (Franziska Zoidl, 26.9.2023)