Der blaue Ideologe Andreas Mölzer saß in Afghanistan noch in der ersten Reihe. Nun schweigt er. Wer den ansonsten so redseligen Ex-Mandatar erreichen will, kommt nicht weiter als bis zur Mailbox.
Der blaue Ideologe Andreas Mölzer saß in Afghanistan noch in der ersten Reihe. Nun schweigt er. Wer den ansonsten so redseligen Ex-Mandatar erreichen will, kommt nicht weiter als bis zur Mailbox.
TOLOnews

Es ist ein Bild, das irritiert. Auf der einen Seite ist eine freiheitliche Delegation um den Ex-EU-Abgeordneten Andreas Mölzer in Anzügen zu sehen, auf der anderen hochrangige, langbärtige Vertreter der Taliban mit Turban, darunter "Außenminister" Mawlawi Amir Khan Muttaqi. Man traf einander in Afghanistan, das die Terrororganisation vor zwei Jahren zurückerobert hatte. Die Österreicher sollten aus Sicht der Taliban ein besseres Gefühl für das Land bekommen, in dem Frauen aus dem öffentlichen Leben verdrängt und Musikinstrumente aus Sorge um die Jugend verbrannt werden.

Nur: Wie passt so ein Besuch zu einer FPÖ, die vor Jahren "Pummerin statt Muezzin" oder "Daham statt Islam" affichieren ließ und den politischen Islam zum großen Feind auserkoren hat? Oder handelt es sich bei näherer Betrachtung doch um Brüder im Geiste? Und wie kam diese Reise überhaupt zustande?

Der Ex-Al-Kaida-Mann

Völlig überraschend erscheint die Tour nicht. Als die Taliban im Spätsommer 2021 in Afghanistan das Ruder übernahmen, feierte das ultrarechte Lager mit. "Die Taliban werden Abtreibung, Impfungen und die Homo-Ehe verbieten. Vielleicht haben wir 20 Jahre lang auf der falschen Seite gekämpft", war da etwa von Nick Fuentes zu hören. Der 25-Jährige ist einer der bekanntesten rechtsextremen Aktivisten und Holocaustleugner aus den USA. Großer Jubel kam damals auch vom blauen Nachwuchs und den Identitären: "Dragqueens, Homoparaden und Menschenrechtsideologien haben dort Sendepause", frohlockte letztere Gruppe auf X (vormals Twitter).

Dazu passend erschien ein Buch in einem Verlag der neuen Rechten, das die hart Rechten an einer "Weggabelung" sieht, wenn es um den Islam geht. Der Weg der Konfrontation und Verdrängung sei ziellos, da die "muslimische Präsenz" bleibend sei, heißt es darin. In einem Magazin der Identitären wird eine Rezension mit der Frage "Querfront mit dem Islam?" übertitelt – das Buch wird aber als umstritten angesehen.

Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, kurz DÖW, bleibt deshalb skeptisch, was eine Kooperation zwischen Rechtsextremen und Islamisten angeht. Es gebe zwar durchaus ideologische Gemeinsamkeiten, sagt Weidinger: vom Antisemitismus über die Gegnerschaft zu den USA bis zum Traditionalismus in Sachen Familie und der Abscheu vor Homosexualität. Die rechtsextremen Identitären um Martin Sellner machten sogar mit dem Ex-Al-Kaida-Mann und ehemaligen Spitzel des deutschen Verfassungsschutzes, Irfan Peci, gemeinsame Sache. Sellner und Peci planten allerdings islamfeindliche Kundgebungen.

Von einem geeinten Vorgehen der Rechten und Islamisten könne daher nicht gesprochen werden, sagt Weidinger. Das spiele sich alles eher auf einer theoretischen Ebene ab – wie im zuvor bereits erwähnten Buch. "Dessen Inhalt ist gegenwärtig eine Minderheitenposition", sagt Weidinger. "Mehrheitsfähig ist eher die Politik der FPÖ, die meint, Islam schön und gut, der soll aber bleiben, wo er hingehört."

Über die Reise der blauen Ex-Mandatare Andreas Mölzer und Johannes Hübner will man in der FPÖ nichts gewusst haben. Man gibt sich überrascht. Begleitet wurde die Männer von einem Juwelenhändler, dem Afghanistan nicht unbekannt sein dürfte, wie sein Instagram-Profil zeigt. Für den STANDARD war keine dieser Personen erreichbar.

Gynäkologe als Reiseleiter

Eingefädelt habe den freiheitlichen Trip aber ein anderer Mann, der bei dem Termin in Afghanistan etwas abseits saß: Moustafa Eltelby. Das berichtete das Nachrichtenmagazin "Profil". Der ägyptische Gynäkologe mit Ordination in Wien soll durch seine Funktion als Präsident der Österreichisch-Ägyptischen Gesellschaft über gute Kontakte in die arabische Welt verfügen. Schon Jörg Haider und Heinz-Christian Strache hätten diese für ihre Reisen zu nutzen gewusst.

Ziel der Reise sei es, die Menschenrechtslage in Afghanistan zu erkunden, um ein "wahrheitsgetreues Bild nach Österreich zu bringen", sagte Eltelby. Spekuliert wurde aber auch, ob sich die Delegation um den bekannten österreichischen Rechtsextremisten Herbert F. bemüht, den die Taliban seit Wochen wegen angeblicher Spionage in Gefangenschaft halten.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) tobte in "Heute" jedenfalls über die "Kickl-Adlaten", die "deutliche" Sicherheitswarnungen des Ministeriums ignoriert hätten. Das Ressort hatte der Gruppe von ihrer Mission abgeraten. (Jan Michael Marchart, 26.9.2023)