Die ÖVP hat ein neues bevorzugtes Thema: die Abschaffung des Verbots einer geologischen Speicherung von CO2 in Österreich. Was Finanzminister Magnus Brunner schon seit einiger Zeit fordert, greift nun auch Bundeskanzler Karl Nehammer im Rahmen einer Reise nach Norwegen auf. "Norwegen hat das vorgezeigt und speichert CO2 seit vielen Jahren schon ein. Es ist Zeit, dass auch Österreich das tut", sagte der Kanzler am Mittwoch vor seiner eintägigen Arbeitsreise. Das skandinavische Land gilt als Vorreiter im Bereich der umstrittenen CO2-Abscheidung und -Speicherung.

Kanzler Nehammer glaubt neuerdings auch auch CO2-Speicherung (CCS) - und besuchte am Dienstag dieses Werk der Firma Hafslund Oslo Celsio im norwegischen Oslo
Kanzler Nehammer glaubt neuerdings auch auch CO2-Speicherung – und besuchte am Dienstag dieses Werk der Firma Hafslund Oslo Celsio im norwegischen Oslo.
APA/HARALD SCHNEIDER

Ein Programmpunkt des Besuchs war eine Besichtigung eines Speicherungsprojekts der Firma Hafslund Oslo Celsio nahe der Hauptstadt Oslo. "Wir müssen viel mehr an Forschung und Innovation glauben und an die Schaffenskraft und den Innovationsgeist der Menschen in Österreich und dies auch fördern, statt auf Verbote zu setzen", führte Nehammer aus. Klima- und Umweltschutz sollen durch Fortschritt gelingen, hieß es, passend zum Narrativ der ÖVP, wonach es nicht um Verbote und eine Veränderung der Lebensweise der Menschen gehen soll, sondern um besagte Innovationen.

Zweischneidiges Schwert

Das Speichern von CO2 – auf Englisch Carbon Capture and Storage (CCS) – gilt unter Klimaexpertinnen trotzdem als zweischneidiges Schwert: Einerseits wird es als weithin als unumgänglich erachtet, will man die Klimaziele noch erreichen; andererseits besteht die Sorge, das Vertrauen auf Technologien wie CCS könne die Bemühungen untergraben, weniger CO2 auszustoßen. Bei CCS wird CO2 in geologische Speicher gepumpt, zum Beispiel in leere Erdgas- oder Ölfelder. CCS ist derzeit zwar technisch möglich, aber wirtschaftlich bislang teuer und unrentabel.

Aus dem Finanzministerium hieß es bereits Anfang September, dass es abseits konventioneller CO2-Einsparungen zusätzliche Strategien zur Bindung von Treibhausgasen brauche, um die österreichischen Klimaziele noch zu erreichen. Brunner betonte, dass im Vordergrund nach wie vor die Vermeidung und Einsparung von CO2-Emissionen stehe. Dennoch: "Ich bin dafür, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um CO2 transportieren, speichern und nutzen zu können", so der Minister. Nach internen Analysen des Finanzministeriums müssten jährlich fünf bis zehn Millionen Tonnen CO2 gespeichert werden, um das österreichische Ziel der Klimaneutralität bis 2040 kosteneffektiv zu erreichen.

Auch in Deutschland verboten

Nun setzt auch Nehammer auf das Thema. In Norwegen betonte er zusammen mit Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) die Potenziale der Technologie. CCS ist in Norwegen bereits seit dem Jahr 1996 erlaubt – im Gegensatz zu vielen anderen Staaten: Neben Österreich ist die CO2-Speicherung auch in acht weiteren EU-Staaten verboten, darunter Deutschland.

Den ÖVP-Vorstößen in Sachen CCS schlägt allerdings Widerstand von Umweltschutzorganisationen entgegen. Vor dem Hintergrund dessen, dass in Österreich beim konventionellen CO2-Sparen wenig weitergeht – ein Klimaschutzgesetz lässt seit mittlerweile tausend Tagen auf sich warten, das geplante Erneuerbare-Wärme-Gesetz steckt im Parlament fest –, orten NGOs wie Greenpeace ein Ablenkungsmanöver von eigentlich notwendigen politischen Maßnahmen. "CCS ist teuer, ineffizient und lenkt von der eigentlichen Sache ab", kritisiert Lisa Tamina Panhuber von Greenpeace. "Um die bisherige Untätigkeit in Sachen Klimaschutz unter den Teppich zu kehren, wird jetzt mit dieser Hochrisikotechnologie in die Trickkiste gegriffen."

"Brauchen Rahmenregeln"

Etwas positiver sehen den Vorstoß Klimawissenschafter wie Karl Steininger vom Wegener Center an der Universität Graz. "Wir brauchen Rahmenregeln für das Abscheiden von CO2", sagt er. "Allerdings muss unbedingt sichergestellt sein, dass der Ausstieg aus der Nutzung von fossilen Brennstoffen dadurch um keine Sekunde verlangsamt wird", erklärt Steininger. Die Vermeidung des Ausstoßes müsse klar Vorrang haben.

Auch der grüne Koalitionspartner sieht CCS in Österreich grundsätzlich positiv. Allerdings habe das Finanzministerium noch keinen konkreten Vorschlag übermittelt, erklärt der grüne Energiesprecher Lukas Hammer. "Die Grundvoraussetzung ist die Einbettung in eine breitere Strategie wie das Klimaschutzgesetz."

Als nächsten Schritt plant die Regierung nun bis Mitte 2024 eine sogenannte Carbon-Management-Strategie, die unter anderem konkrete Maßnahmen Richtung CCS beinhalten soll. Verantwortlich dafür ist Brunners Finanzministerium, allerdings erfordern die Maßnahmen auch die Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). Und: Das Parlament muss ihnen mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.

Detail am Rande: Das Verbot der CO2-Speicherung in Österreich geht auf einen Beschluss der Regierung Werner Faymann im Jahr 2011 zurück – die ÖVP unter Reinhold Mitterlehner hat damals mitgestimmt. (Joseph Gepp, 27.9.2023)