Im April dieses Jahres wurde der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek das erste von zwei Malen vom Landtag ausgeliefert, weil gegen ihn in der Causa um die Finanzaffäre der FPÖ Graz ermittelt wird. Es geht – wie berichtet – um mindestens 1,8 Millionen Euro mutmaßlich veruntreuter Klubgelder. Diese sollen an Politiker sowie nahestehende Vereine und Burschenschaften geflossen sein. Es gilt die Unschuldsvermutung. Ins Rollen kam alles durch eine Selbstanzeige des Klubdirektors.

Fraktionsführerin Stefanie Krisper (NEOS) anl. einer Pressekonferenz der NEOS 'Fraktionsbericht zum ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss', aufgenommen am Mittwoch 02. März 2023, in Wien.
Neos-Nationalratsabgeordnete Stefanie Krisper brachte in der Spenden-und Spesen-Causa FPÖ Graz schon mehrere parlamentarische Anfragen ein.
APA/EVA MANHART

Landeschef Kunasek steht im Verdacht, gegenüber der Polizei eine falsche Zeugenaussage getätigt und Beweise unterschlagen zu haben. Nach dem Rücktritt der damaligen Stadtparteispitze rund um Mario Eustacchio im Jahr 2021 gab Kunasek den Aufklärer. In dieser Rolle bekam er aber schnell Konkurrenz von jenen Resten der Grazer FPÖ, die selbst nicht Beschuldigte waren. Diese wurden nach ihrer Weigerung, einen Beschuldigten im Gemeinderatsklub zu behalten, von Kunasek und Bundesparteichef Herbert Kickl aus der FPÖ ausgeschlossen und nannten ihren Klub in KFG um. Die Ex-Blauen, unter ihnen KFG-Klubchef Alexis Pascuttini, wurden zu politischen Intimfeinden Kunaseks und des neuen FPÖ-Stadtparteichefs Axel Kassegger. Die KFGler kämpfen seit Monaten darum, wieder als Privatbeteiligte mit Opferstatus im Verfahren aufgenommen zu werden, bei dem sie abrupt von der Akteneinsicht ausgeschlossen wurden. Sie legten Einspruch ein, bekamen vor dem Landesgericht Klagenfurt auch recht. Die Staatsanwaltschaft (StA) Klagenfurt legte dagegen wieder Beschwerde ein. Eine Entscheidung darüber wird seit Monaten vom Oberlandesgericht Graz erwartet.

"Ibiza lebt"

Einvernommen wurde Kunasek aber noch immer nicht, zumindest weiß die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, die das Verfahren vor eineinhalb Jahren wegen Befangenheit von den Grazer Kollegen übernahm, davon am Mittwoch auf STANDARD-Anfrage nichts. "Ibiza lebt und gedeiht munter weiter, wenn dem Verdacht von Korruption in der Politik halbherzig nachgegangen wird. Es schädigt das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat, wenn Ermittlungen gegen Politiker derart schleppend verlaufen", sagt Neos-Abgeordnete Stefanie Krisper und fragt: "Wo bleibt die Einvernahme von Kunasek? Warum werden die beschlagnahmten Datenträger seit Monaten nicht ausgewertet?" Krisper brachte im August eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ein, in der sie "schleppende Ermittlungen" kritisiert. Nun bringt sie eine zweite zu anderen "schleppenden Ermittlungen" ein, jenen um den Freiheitlichen Akademikerverband Steiermark (FAV).

Ausgerechnet Teststraßen

Dieser Affäre ging eine weitere Selbstanzeige im Juni voran – DER STANDARD berichtete. Der Ex-Kassier des FAV hatte im Zuge einer Einvernahme zum Finanzskandal der Stadtpartei gestanden, dass er als Kassier 2022 verdächtige Zahlungseingänge von 160.000 Euro bemerkt habe. Eine Zahlung kam von der CHX Beratungs- und Beteiligungs-GmbH, die unter anderem an Labors beteiligt ist und ausgerechnet Covid-19-Teststraßen betrieb. Der Obmann des FAV Steiermark und Geschäftsführer des Freilich-Verlags ist der Grazer Ex-Gemeinderat Heinrich Sickl.

Der Freilich-Verlag gehört zu 88 Prozent dem FAV Steiermark, zu zwölf dem FAV Salzburg und ist der Nachfolger des rechtsextremen Aula-Verlags. Krisper will wissen, welche Ermittlungsmaßnahmen gesetzt wurden und ob Sickl Beschuldigter in der Causa ist.

Der steirische FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek am Dienstag, 01. August 2023, anl. eines Interviews mit der APA-Austria Presse Agentur in Graz
Der steirische FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek ist Beschuldigter in dem Verfahren, wurde aber noch nicht einvernommen.
APA/PETER KOLB

Während sich Kunasek unbehelligt auf den Landeswahlkampf 2024 vorbereitet und Plakate affichieren lässt, auf denen er die Abschiebung Krimineller fordert, wurde sein Gegenspieler Alexis Pascuttini in den letzten Monaten gleich zwei Mal wegen desselben Vorwurfs angezeigt, nämlich wegen des Missbrauchs von Tonaufnahmen und Abhörgeräten (Paragraf 120 StbG). Nach der anonymen Anzeige sollen Pascuttini und sein Kollege in der KFG-Gemeinderatsfraktion, Michael Winter, den ehemaligen FPÖ-Gemeinderat und Rechnungsprüfer Roland Lohr bei einer Klubsitzung aufgenommen haben, als dieser Kunasek als Mitwisser der Finanzaffäre belastet hatte.

Alexis Pascuttini anl. der konstituierenden Sitzung des Grazer Gemeinderats am Mittwoch, 17. November 2021, im Messe Congress in Graz. 
Alexis Pascuttini schreibt ein Buch und glaubt, dass seine Enthüllungen vielen in der FPÖ nicht gefallen könnten.
APA/ERWIN SCHERIAU

Diese Tonbandaufnahme wurde von Winter nach Aufforderung durch die Kriminalpolizei ebendieser übergeben. Eine fast gleichlautende Anzeige wurde bei der StA Klagenfurt bereits vor Monaten eingebracht und dort nicht weiter verfolgt. Nun wurde sie bei der StA Graz wieder eingebracht.

Nervosität

Pascuttini glaubt, dass ein Buch, an dem er arbeitet, für Nervosität sorgt: "Mit meinem Buch möchte ich die gesamte Geschichte erzählen. Alles, ungeschönt, verständlich aufbereitet, gestützt auf die mir vorliegenden Unterlagen und Aussagen, von Beginn Anfang 2021 bis in die Gegenwart", sagt Pascuttini dem STANDARD. Er habe nicht nur mit Hintermännern und Beteiligten sprechen können, "mir liegen sehr viele auch interne Dokumente und Transkripte vor. Vor der Veröffentlichung fürchten sich einige zu Recht!" (Colette. M. Schmidt, 27.9.2023)