Täglich fahren über 25.000 Autos über die Wiener Ringstraße. Durchschnittlich sitzt darin jeweils nur eine Person.
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Es ist ein gewaltiger Brummer: Über 25.000 Autos rauschen täglich über die Wiener Ringstraße. Darin sitzt durchschnittlich eine Person – laut Verkehrsclub Österreich sind es österreichweit konkret 1,14 Passagiere pro Auto. Auf dem Weg ins Büro, zum Supermarkt oder zur nächsten Ampel passieren sie die Staatsoper, das Kunsthistorische Museum, das Parlament oder auch das Wiener Rathaus; kurzum Prachtbauten aus vergangener Zeit. Dabei stellen sich Forscherinnen sowie Politiker die Frage, ob die tausenden Autos, die hier täglich ihre Runden drehen, noch zeitgemäß sind.

Die Innere Stadt, die die Ringstraße umkreist, ist teilweise bereits verkehrsberuhigt. In der Kärntner Straße etwa und am Graben herrscht seit Jahrzehnten striktes Fahrverbot für Autos. Darüber beklagt sich mittlerweile kaum noch jemand. Im Gegenteil, Erhebungen zeigen, dass auch Wirtschaftstreibende gut mit der Regelung fahren. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hat zirka drei Jahre, nachdem die Herrengasse zur Begegnungszone erklärt wurde, eine zusätzliche Wertschöpfung von 1,1 Millionen Euro pro Jahr errechnet und sich im Zuge dessen für eine "deutliche Reduktion des Autoverkehrs am Rin"g ausgesprochen.

Was wäre also, wenn die Ringstraße zur autofreien Zone erklärt würde?

Derartige Überlegungen werden immer wieder diskutiert, realistisch waren sie bisher nie. Erst vergangenes Jahr haben sich die Wiener Neos für eine Verkehrsberuhigung des Rings ausgesprochen. Dafür haben sie allerdings vom roten Koalitionspartner rasch eine Absage kassiert. Es ist nicht Teil des Koalitionsabkommens, hieß es vonseiten der SPÖ gegenüber dem ORF. Dabei hätte ein Autoverbot auf der Ringstraße viele Vorteile, davon ist zumindest Barbara Laa überzeugt. Sie forscht am Institut für Verkehrswissenschaften an der TU Wien.

"Es wäre angenehm", sagt sie. Vor ihrem inneren Auge sieht sie Menschen beim Fahrradfahren, Joggen oder Spazieren – und sogar ausreichend Platz für eine Touristengruppe. "Niemand muss sich durch enge Gehwege drängen", sagt sie. In der Früh fahren vereinzelt Liefertransporter, die Straßenbahn den ganzen Tag. Trotzdem sei es generell ruhiger und die Luft reiner, weil weniger Emissionen und Feinstaub verursacht werden. Dafür gebe es mehr Bänke und Stühle, um unter schattenspendenden Bäumen zu verweilen. So weit so utopisch.

Wohin mit 25.000 Autos?

Doch wo würde der Verkehr hinfließen, wenn die Ringstraße gesperrt wäre? Würden die Straßen rundherum regelrecht überfahren werden? "Nein", sagt Laa, "Autoverkehr verhält sich nicht wie eine Flüssigkeit". Schließt man eine Ausfahrt, drängt er nicht automatisch woanders hin. Nach ein bis zwei Wochen würden Menschen ihr Verkehrsverhalten verändern. Manche suchen sich neue Wege, andere steigen auf Öffis oder das Fahrrad um.

Auch, dass mehr Parkhäuser oder Abstellplätze für Autos nötig sein werden, denkt Laa nicht. Es gibt zwar keine Zahlen, sie vermutet aber, dass die Tiefgaragen in Wien "bei weitem nicht ausgelastet" sind. Ziel müsse es aber ohnehin sein, die Autos bereits am Stadtrand abzufangen. Die Idee der Verkehrsforscherin: einen autofreien Ring mit einer autofreien Innenstadt zu kombinieren und nur gewisse Zufahrten in den ersten Bezirk offenzulassen.

Eine Zufahrtbeschränkung für die Innere Stadt enthält auch das Konzept von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Die Idee ist, acht der insgesamt 34 Ein- und Ausfahrtsmöglichkeiten zu sperren. Derzeit scheint es aber bei einer Idee zu bleiben, denn dass das Konzept vor der Wien-Wahl 2025 tatsächlich umgesetzt wird, gilt als unrealistisch.

Rasche Planung möglich

Ebenso unrealistisch ist, dass das Sperren einer Strecke der 5,3 Kilometer, die der Wiener Ring misst, signifikante Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß in Österreich hätte. Auch die Luftverschmutzung in Wien und Österreich würde laut Laa kaum abnehmen. "Will man den Autoverkehr aber generell reduzieren, hat eine verkehrsfreie Innenstadt in der größten Stadt Österreichs eine starke Strahlwirkung." Auch die positiven Effekte auf die Wirtschaft sind nicht zu unterschätzen. Zu diesem Ergebnis kommt nicht nur die Verkehrsexpertin, auch die Wirtschaftskammer forderte nach dem Umbau der Mariahilfer Straße zur Begegnungszone ähnliche Projekte in allen Bezirken.

Innerhalb von zwei Jahren könnte der Plan für einen autofreien Ring stehen, davon ist Laa überzeugt. Ist der politische Wille da, ginge sich in dieser Zeit auch eine Bürgerbefragung aus, um herauszufinden, was sie wollen, und entsprechend zu planen. Danach könnte bereits mit dem Bau begonnen werden. Doch bis es so weit ist, rauschen die 25.000 Autofahrerinnen und Autofahrer täglich weiterhin am Parlament und am Wiener Rathaus vorbei. (Julia Beirer, 4.10.2023)