Die Inflation in Österreich ist auch im Spätsommer auf sehr hohem Niveau geblieben. Sie lag im September laut einer Schnellschätzung der Statistik Austria bei 6,1 Prozent, das sind um 1,3 Prozentpunkte weniger als im August. Für den Rückgang sind vor allem die nachlassenden Preise für Haushaltsenergie verantwortlich. Allerdings belasten weiterhin die hohen Kosten für Nahrungsmittel, deren Anstieg seit vielen Monaten über der allgemeinen Inflationsrate liegt. Warum ist das so?

Sebastian Koch vom Institut für Höhere Studien (IHS) führt dies hauptsächlich darauf zurück, dass die Produktion von Lebensmitteln "hochgradig energieintensiv" sei, sodass also die stark gestiegenen Kosten für Energie sehr stark auf das Preisniveau durchschlagen. Dazu komme, dass auch andere Vorleistungen extrem teuer geworden seien. Wird sich die Teuerung bei Lebensmitteln im Herbst "auf ein vernünftiges Niveau einpendeln", wie es Rewe-Chef Marcel Haraszti im Juli in Aussicht gestellt hat? "Das ist nicht sichtbar", sagt IHS-Experte Koch. Vielmehr erwartet er, dass sich der Preisauftrieb in diesem Bereich bis Jahresende "nur sehr langsam" abschwächen werde.

Günstig wird immer teurer

Aktuelle Daten der Statistik Austria für September liegen noch nicht vor. Aber die Arbeiterkammer (AK) hat in ihrem aktuellen Preismonitor die Entwicklung im untersten Preissegment der Lebensmittel erhoben. Demnach liegen die Kosten des Warenkorbs, der die preiswertesten Angebote für 40 Produkte umfasst, im September um 7,6 Prozent über dem Vorjahr. Auffallend ist dabei der starke Preisanstieg des Hauptnahrungsmittels Kartoffeln, die um 43 Prozent teurer geworden sind. Oder, anders ausgedrückt: Vor einem Jahr kostete ein Kilo laut AK noch 0,71 Euro, derzeit fallen dafür bereits 1,01 Euro an. Beachtlich ist der Zweijahresvergleich bei den günstigsten Erdäpfeln, der einen Preisanstieg von 80 Prozent ausweist.

Zwei Hände holen Kartoffeln aus einem Papiersack.
Mit Erdäpfeln ist ein Hauptnahrungsmittel in Österreich besonders stark vom Preisauftrieb betroffen. Deren Kosten lagen im September um mehr als 40 Prozent über dem Vorjahreswert.
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Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs, denn es ist der gesamte Warenkorb der AK betroffen. Innerhalb von zwei Jahren wurde dieser um insgesamt 43 Prozent teurer. Dass gerade die günstigsten Artikel einer Warengruppe besonders stark steigen, erklärt Koch damit, dass im untersten Preissegment am knappsten kalkuliert werde. Sprich, es gibt keinen Spielraum, um höhere Erzeugungskosten abzufedern, weshalb diese sofort an die Konsumierenden weitergegeben werden. Weitere Highlights: Das günstigste griffige Weizenmehl ist um 113 Prozent teurer als vor zwei Jahren, der Preis von Sonnenblumenöl hat sich fast genau verdoppelt.

Geringere Kaufkraft

Dem untersten Zehntel der Einkommensbeziehenden, also ärmeren Haushalte, sagt der Budgetdienst des Parlaments herbe Kaufkraftverluste im heurigen Jahr voraus. Demnach werden sie mit ihrem Haushaltsbudget um 4,6 Prozent weniger Waren und Dienstleistungen erwerben können. Besonders bitter: Einkommensschwache Personen geben einen überdurchschnittlich hohen Anteil für Nahrungsmittel aus, bei denen der Preisauftrieb besonders stark wütet. "Sie müssen das Geld für überlebensnotwendige Güter ausgeben und können nicht wie die Mittelschicht eine Etage tiefer greifen", sagt Koch. Da sie nicht an der Qualität sparen können, komme es zu gänzlichen Konsumverzicht, "was anders zu bewerten ist als Qualitätsverzicht".

Vizekanzler Werner Kogler, Sozialminister Johannes Rauch (beide Grüne) und ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig beim Pressestatement nach dem Lebensmittelgipfel Anfang Mai.
Vizekanzler Werner Kogler, Sozialminister Johannes Rauch (beide Grüne) und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) beim Pressestatement nach dem Lebensmittelgipfel Anfang Mai.
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Im Mai hatte die türkis-grüne Regierung noch wegen der stark gestiegenen Preise zu einem Lebensmittelgipfel gerufen, greifbare Maßnahmen blieben abgesehen vom Aufbau von Preisdatenbanken aber aus. Preisdämpfende Effekte sieht IHS-Ökonom Koch dadurch aber nicht – weist aber darauf hin, dass der starke Anstieg der Lebensmittelpreise in Österreich "nicht hausgemacht" sei, sondern in der gesamten Eurozone ähnlich wie hierzulande verlaufe. Zum Vergleich: Im September lag auch in Deutschland der Preisauftrieb bei Nahrung bei 7,5 Prozent.

Profitgetriebene Teuerung

Bei der Gesamtinflation liegt Österreich jedoch noch immer deutlich über Deutschland. Dort ist die Inflation im September laut einer Schnellschätzung des Statistischen Bundesamts nämlich auf 4,5 Prozent zurückgegangen. Dem gewerkschaftsnahen Momentum-Institut zufolge sind hierzulande die Unternehmensgewinne ein wesentlicher Treiber der Inflation. Im ersten Quartal 2023 lag der Anteil der profitgetriebenen Teuerung demnach siebenmal höher als im Vorjahresquartal und erreichte damit einen neuen Höhepunkt. "Viele Betriebe haben weit über ihre gestiegenen Energiekosten hinaus die Preise erhöht", sagt Momentum-Chefökonom Oliver Picek. "Dadurch haben sie die Preise und ihre Gewinne kräftig nach oben getrieben." Tatsächlich ist bemerkenswert, dass die Erzeugerpreise seit Monaten nachgeben und laut Statistik Austria im August um zwei Prozent unter dem Vorjahreswert lagen.

Die Inflation in der gesamten Eurozone liegt laut einer Schätzung der Statistikbehörde Eurostat im September bei 4,3 Prozent nach 5,2 Prozent im August. Allerdings hält sich die Teuerung in der Währungsunion damit noch immer bei mehr als dem Doppelten des zweiprozentigen Inflationsziels der Europäischen Zentralbank. Diese hat im September zur Bekämpfung der hohen Teuerung den Leitzins auf 4,5 Prozent, den höchsten Wert seit Bestehen der Eurozone, erhöht. Viele Experten gehen davon aus, dass damit der Zinsgipfel bereits erreicht sein sollte. (Alexander Hahn, 29.9.2023)