Amtsgeheimnis
Von einem "Paradigmenwechsel" spricht Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bei der Pressekonferenz mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) über die Reform des Amtsgeheimnisses.
APA/MAX SLOVENCIK

Gut Ding braucht Weile – aber das Informationsfreiheitsgesetz ließ so lange auf sich warten, dass es gar nicht so gut sein kann, wie der Spruch behauptet. Es ist allerhöchste Zeit, dass das Amtsgeheimnis aus der österreichischen Verfassung verschwindet. Ein moderner Staat darf sich vor seinen Bürgerinnen und Bürgern nicht verstecken, gute Transparenzgesetze sind in Europa weitverbreitet. Naturgemäß haben machthabende Politikerinnen und Politiker kein Interesse am gläsernen Staat. Doch es ist schändlich, dass sich so viele von ihnen so lange nicht vom Interesse der Bevölkerung, sondern vom eigenen Machterhalt leiten ließen.

Glaubt man der türkis-grünen Koalition, könnte damit nun endlich Schluss sein. Ein ohnehin schon sehr ausgewogener Entwurf wurde jahrelang innerhalb der Volkspartei blockiert.

Dass es Verfassungsministerin Karoline Edtstadler offenbar geschafft hat, die letzten Verhinderer in den eigenen Reihen zu überzeugen, muss ihr hoch angerechnet werden.

Nicht ohne Schwächen

Wie gut ist das Gesetz nun? Der türkis-grüne Entwurf ist nicht ohne Schwächen. Die Ausnahmen von der Informationspflicht sind großzügig. Schon jetzt berufen sich Behörden sehr gerne auf den Datenschutz – unabhängig davon, ob er im konkreten Fall überhaupt greift. Unrühmlich auf die Spitze getrieben hat das einst der damalige Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP): Er verweigerte unter Berufung auf den Datenschutz Auskunft über Fördergelder, die der Bund an Gemeinden (!) ausgeschüttet hatte.

Solche rechtsfremden Absurditäten schließt auch das neue Gesetz nicht aus. Hier hätte eine eigene Anlaufstelle für Informationsfreiheitsfragen Abhilfe geschaffen, die die ÖVP aber von Anfang an abgelehnt hat. In Ländern wie Slowenien unterstützen und vermitteln solche Stellen zwischen Auskunftgeberin und Antragsteller.

Eine kleine Niederlage ist auch die Ausnahmeregelung für kleine und mittlere Gemeinden. Kommunen mit weniger als 5000 Einwohnern müssen weniger transparent sein. Sie sind zwar zur Auskunft verpflichtet, aber anders als fast alle anderen nicht zur automatischen Veröffentlichung von relevanten Dokumenten.

Doch insgesamt überwiegt die positive Wirkung dieses Schrittes. Ein Grundrecht auf Information im Verfassungsrang vermittelt nicht nur ein eindeutiges Ziel staatlichen Handelns, sondern kann Menschen auch in der Praxis weiterhelfen. Kein Bürgermeister wird sich auf Dauer ausschweigen können, wenn neugierige Bürgerinnen und Bürger das Gutachten der Raumplanerin anschauen wollen.

Zwei Voraussetzungen

Doch das gilt unter zwei Voraussetzungen. Die erste Voraussetzung: Die SPÖ verhandelt mit Ernsthaftigkeit bei der notwendigen Zweidrittelmehrheit; von der FPÖ ist das nicht zu erwarten. Vor allem das von den Roten regierte Wien agiert gerne in feudalistischer Geheimniskrämerei. Da besteht auch parteiintern noch Diskussionsbedarf.

Die zweite Voraussetzung: Das Informationsfreiheitsgesetz wird mit Leben gefüllt. Öffentliche Stellen können sich, Gesetz hin oder her, gegen Transparenz sträuben und jegliche Anfragen bekämpfen. Das Amtsgeheimnis aus der Verfassung zu streichen wird alleine nicht reichen: Es muss auch aus den Köpfen jener verschwinden, die derzeit ihr Wissen lieber für sich behalten. (Sebastian Fellner, 5.10.2023)