Gastbeitrag: Lea Katharina Reiss, Petra Eggenhofer-Rehart, Felix Diefenhardt

Arnold Schwarzenegger blickt auf einen bemerkenswerten Lebenslauf zurück. Geboren in einfachen Verhältnissen, wurde er Mr. Universe, Hollywoodstar und Gouverneur Kaliforniens. Wenn er seine Karriere resümiert, ist die Botschaft stets: Menschen mit Bereitschaft zu harter Arbeit sind keine Grenzen gesetzt. Dieses verbreitete Narrativ der eigenverantwortlichen Selbstverwirklichung überdeckt allerdings soziale Filtermechanismen. Diese haben wir auf Basis unserer Forschung nach Grob- und Feinfiltern und ihrer Verschränkung mit Geschlechterrollen untersucht.

Frau mit Laptop auf einer Schaukel
Jede Person hat ein soziales und kulturelles Grundkapital.
IMAGO/Cavan Images

Trotz des freien Hochschulzugangs erreichen in Österreich nur sechs Prozent der Kinder von Eltern mit Pflichtschulabschluss einen akademischen Titel. Doch wie "vererben" sich Bildung und Karriereerfolg? Der französische Soziologe Pierre Bourdieu arbeitet heraus, dass wir nicht nur ökonomisches, sondern auch soziales und kulturelles Kapital erben. Letzteres umfasst etwa Bildung. Unsere Positionen in der Gesellschaft reproduzieren sich durch die Vererbung dieser Kapitalien. So wird vor allem Akademikerkindern durch frühkindliche Förderung der Zugang zu kulturellem Kapital vereinfacht. Auch soziales Kapital lässt sich vererben, etwa durch die Nutzung des sozialen Netzwerks der Eltern. Unsere Kapitalien-Grundausstattung wirkt als Grobfilter, ein Mangel erschwert die soziale Mobilität.

Die Bedeutung der Kapitalienausstattung zeigt sich, wenn wir unseren gewohnten Kontext verlassen und uns neu zurechtfinden müssen. Beispiele sind der Wechsel von Job oder Unternehmen, Berufswechsel und der Umzug in ein anderes Land. Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen müssen, sind mit besonderen Hürden konfrontiert, wie unsere Studie mit Geflüchteten zeigt: Durch die Nichtanerkennung der im Heimatland erworbenen Bildungsabschlüsse fehlt vielen kulturelles Kapital. Sie landen in einem Job, für den sie überqualifiziert sind, und verlieren ihre berufliche Identität. Viele können außerdem während der langen Flucht nicht arbeiten. So gerät ein Teil ihrer Kenntnisse in Vergessenheit, sodass sie nicht nahtlos an ihre beruflichen Erfahrungen anknüpfen können.

Lebensunterhalt bestreiten

Manche befinden sich schließlich in einem Dilemma: Weiterbildung würde ihr kulturelles Kapital verbessern, aber braucht Zeit, und die finanzielle Not erfordert oft die rasche Wiederaufnahme irgendeiner Erwerbstätigkeit, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Doch wer eine höhere Ausbildung erworben und kulturelle Hürden überwunden hat, ist mit feineren Filtermechanismen konfrontiert. Warum Spitzenpositionen selbst bei gleichem Bildungsniveau oft von Personen aus höheren Schichten besetzt werden und jene aus niedrigeren Schichten das Nachsehen haben, erklärt das Habitus-Konzept.

Es umfasst Lebensstil, Weltanschauung, die Art sich zu präsentieren und mit anderen umzugehen. Gehen Sie zum Opernball und Fine Dining, führen Sie mit Gleichgesinnten intellektuell-philosophische Diskussionen? Oder trifft man Sie eher beim Fußballmatch, im gemütlichen Gasthaus und im Diskonter an? Die im Habitus sichtbaren Unterschiede beeinflussen unseren Erfolg beim Versuch, sozial aufzusteigen. Kindern aus höheren Schichten wird schon früh vermittelt, welche Selbstpräsentation und Verhaltensweisen in elitären Kreisen angemessen sind und damit zu einer weiteren Vermehrung von Sozialkapital verhelfen, das schließlich den Weg zu mehr Karriereerfolg ebnet.

Frauen spüren traditionelle Rollen

Die Rolle der sozialen Herkunft zeigt auch unsere Studie mit in verschiedenen Fach- und Führungspositionen tätigen WU-Absolventinnen. Die Tiefeninterviews zeigen, dass vor allem Frauen aus wohlhabenden Verhältnissen den Einfluss traditioneller Geschlechterrollen spüren. Viele wurden ermutigt, Berufe zu wählen, die den Erwerb von kulturellem Kapital nach stereotyp weiblichen Geschlechterrollen ermöglichen. Gleichzeitig verschafft ihnen ihr familiäres ökonomisches Kapital Vorteile, die meisten konnten sich ohne Nebenjob auf ihre Ausbildung konzentrieren. Die Frauen betonen die traditionellen Geschlechterrollen ihrer eigenen Mütter und verspüren Druck, sich selbst hauptsächlich der Mutterrolle zu widmen.

Bei Frauen aus unteren Gesellschaftsschichten drehen sich die familiären Erwartungen hingegen um eine starke Arbeitsmoral und das Streben nach einem profitablen Beruf. Die notwendige Erwerbstätigkeit neben dem Studium wird nicht nur als Einschränkung, sondern auch als Möglichkeit zur Selbstständigkeit empfunden. Das Vorbild der eigenen Mütter, die Erwerbsarbeit und unbezahlte Sorgearbeit vereinbaren mussten, führt zur Priorisierung der Karriere neben den familiären Pflichten. Unsere Studien zeigen klar: Weder haben wir grenzenlose Möglichkeiten, noch sind wir Marionetten unserer Umwelt. Vielmehr resultieren Karrieren aus der wechselseitigen Beziehung struktureller Zwänge und Möglichkeiten einerseits und individuellen Handelns andererseits. (Lea Katharina Reiss, Petra Eggenhofer-Rehart, Felix Diefenhardt, 13.10.2023)